Bildschirmfoto 2019 04 22 um 02.44.49Serie: VEREHRT, GELIEBT, VERGESSEN: MARIA zwischen den Konfessionen in der Lutherstadt Wittenberg, Teil 1

Claudia Schulmerich

Wittenberg (Weltexpresso) – LUTHER UND MARIA? Schon da stutzt man. Haben nicht Luther und die Protestanten der angebeteten und beliebtesten Heiligen den Garaus gemacht? War nicht die Reformation eben auch eine Antwort auf die geschäftstüchtig vermarktete Frömmigkeit des Spätmittelalters, die in Maria, der Mittlerin zu Gott und Jesus Christus, ihre direkteste Fürsprecherin hatte, die Jungfrau, die Mutter, deren Seele nach dem Tod durch Seraphim und Cherubim in den Himmel getragen wurde, wo sie dann als Himmelkönigin gekrönt wurde.

Es fallen einem sofort all die wunderschönen Gemälde ein, auch die Skulpturen der mildtätigen Maria, und die Ausstellung, die sich – sehr gutes Konzept – auf das 15. und 16. Jahrhundert beschränkt, zeigt auch eine wunderbare Auswahl, aber vor der Besichtigung der Kunst, wie wir diese Werke heute bezeichnen, die damals den Gläubigen Kultgegenstände waren, also vor der Besichtigung all der Mariens muß das erst einmal geklärt werden, warum eine Marienausstellung ausgerechnet in der Lutherstadt Wittenberg stattfindet.

Was also ist mit Luther? Luther ist erst einmal der, der mit dem Weib, auch wenn er sich mit Katherina Bora eine starke Frau an seine Seite holte, den derbsten Fauxpas der damaligen Zeit vollzog: eine Nonne heiraten! Aber nicht die irdische Katharina, sondern die irdische Maria wird dann tatsächlich für Luther die Frau seines Lebens. Luther liebt Maria, sagt er, er verehrt sie, aber und jetzt kommt das entscheidende Aber, er verehrt sie als Gottesmutter ohne jeglichen göttlichen Anteil, sie bleibt für ihn ein irdisches Weib, weshalb er von all den Erhöhungen, von ihrer Himmelfahrt, der Krönung, der Himmelkönigin, die gerade in der Kunst des Spätmittelalter Konjunktur hatte, nichts wissen wollte. Überhaupt nichts. Und mit ihm die Reformatoren, die Evangelischen, die Protestanten, die Calvinisten, die Zwinglianer, die Reformierten auch.

Zu unserem Glück, unserem ästhetischen, ging es anderen anders. Interessant nämlich, daß auf Luthers Verdikt der himmlischen Maria die Gegenreformation erfolgreich darauf reagierte, Maria erst recht in den Himmel zu loben, d.h. genau ihre Himmelfahrt bombastisch auszugestalten und malen zu lassen, auch ihre Krönung als Himmelskönigin in aller Anmut und Pracht, die sich denken läßt. Wir sehen also eine Ausstellung, die einerseits in Luther als Abbild seiner Zeit, die changierenden Marias auf ihre irdische Existenz beschränkt, aber sie noch hochhielt, was dann aber in der Folge dazu führte, daß mit der erfolgreichen Reformation die Person Jesus Christus als allein seligmachend gilt und für die evangelischen Kirchen der Rückgang der Marienfrömmigkeit fast zur völligen Ignoranz der Gottesmutter gegenüber führte.

Verblüfft liest man im Katalog auf Seite 8 ZUM GELEIT. AUS DEM SCHATTEN GETRETEN zum Verblassen der Maria und der Marienfrömmmigkeit die Worte von Ilse Junkermann, Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland: „Wie das Frauen oft erfahren haben: Auf ihre Männer und Söhne richtet sich die Aufmerksamkeit, während sie selbst in deren Schatten stehen.“ Verblüfft, weil es stimmt und weil in Ausstellungen, die Kunst zeigen, solche gesellschafts- und geschichtskritischen Überlegungen meist überhaupt keine Rolle spielen.

Wir sind nun nicht berufen, diesen Vorgang des Verlöschens in größeren Kontext zu stellen, aber es ist einfach auffällig, daß im Mittelalter, auch im Spätmittelalter, die Frau noch als geschäftsfähig auch ökonomisch eine Rolle spielte, als Witwe in den Zünften der Handwerker sogar geheiratet werden mußte, wollte ein Junger das Geschäft übernehmen, daß sie sogar als sexuelles Wesen Lust empfinden durfte und überhaupt große Freiheiten besaß, die der Humanismus, die Renaissance mit ihrem Blick und ihrer Orientierung auf das antike Athen – Rom stünde für mehr Frauenfreiheit - , dann darauf noch die Reformation durch Luther und die Wissensgläubigkeit der Calvinisten fest in Männerhand nahm.

Zwischen männlichem Geniekult und der Strenge der Calvinisten, die daran glaubten, daß ein zukünftiges Leben im Himmel die Wiederspiegelung der irdischen Situation sei, weshalb man Arbeit, Arbeit, Arbeit und den daraus resultierenden Wohlstand in den Lebensmittelpunkt stellte, blieb kein Platz mehr für die Frauen, auch kein Platz für die Gottesgebärerin und Gottesfürsprecherin MARIA.

Da haben wir uns schon weit hinausgewagt, aber die Fragen sind gestellt. Diese Ausstellung gibt andere Antworten. Sie beschränkt sich, das ist löblich, auf Luthers Zeit, auf das 15. und 16. Jahrhundert, was möglich macht, daß sie auch noch die schönen Madonnen, der Internationale Stil der Gotik um 1400, ‚mitnimmt‘. Nie wieder hat hat es diese lächelnden – Kenne meinen, er steckt etwas anderes dahinter – wunderschönen geschnitzten Figuren, die tatsächlich auf einen Schlag in ganz Europa die Gläubigen verzückten, vor allem den nördlichen Teil und da von West bis weit in den Osten.

FORTSETZUNG FOLGT

Foto:
Pilgerzeichen
© Ausstellung
Es wäre sehr interessant, Pilgerzeichen auch unter den archäologischen Funden des Lutherhauses zu suchen. Denn auf jeden Fall waren wichtige Ziele wie der Jakobsweg dabei. Ob aber auch ein Marienzeichen wollen wir im Laufe der Serie herausfinden.

Info:
Ausstellung im Augusteum
bis 18. August, täglich von 9-18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr

Korrespondenzausstellungen 
Schloß Wittenberg: "Zwischen Liebe und Verzweiflung. Maria in der Moderne von Chagall bis Kollwitz, bis 1. Sepember, täglic 10 - 17 Uhr
Stadtkirche Wittenberg: "Bei deinem Namen genannt: MARIA". Eine Wanderausstellung, bis 2. Juni, Mo- Sa 10 - 18 Uhr, sonntags 11.30 - 18 Uhr.

KATALOG zur Ausstellung
Verehrt.Geliebt. Vergessen. Maria zwischen den Konfessionen, hrsg. von Katja Schneider im Auftrag der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Michael Imhof Verlag, Petersberg
Wir kommen auf den ausgezeichneten Katalog noch zurück.