Bildschirmfoto 2019 10 22 um 00.24.35Serie: Geschichte einer deutschen Liebe, ab 23. Oktober im Städel Frankfurt, Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Welch schöne Idee, nicht einfach eine van Gogh Ausstellung – van Gogh läuft nämlich immer mit viel Publikum - zu gestalten, sondern die frühe Liebe der Deutschen schon nach 1900 zum 1853 geborenen Holländer, der 1890 in Südfrankreich starb, zum Thema zu machen und zu nutzen, daß das Frankfurter Städel nach dem Gründer des, Folkwangmuseums Karl Ernst Osthaus als zweite deutsche Kunstinstitution zwei Werke, ein Gemälde und eine Kohlezeichnung, beide von 1886, im Jahre 1908 erwarb.

Bildschirmfoto 2019 10 22 um 00.27.51„Das war der beste Stau meines Lebens“, begann Felix Krämer (im Bild rechts), einer der Kuratoren, der jetzt das Düsseldorfer Museum Kunstpalast leitet, und damals im Auftrag des Städel mit Carl-Heinz Heuer, zuständig für die Kaldewey-Stiftung, neun Stunden nach Emden unterwegs war, also genug Zeit hatte, von einer van Gogh Ausstellung zu schwärmen, die ihre Besonderheit eben darin findet, daß sie die frühe Liebe der Deutschen zum damals völlig unbekannten Maler dokumentiert, die sich gleich dreifach manifestiert: die Deutschen kauften seine Werke, sie machten Ausstellungen, deutsche Künstler malten im Stil a la van Gogh.

Wie man in der Ausstellung sehen kann, war Krämer überzeugend, die Stiftung finanziert diese Ausstellung mit, die Krämer mit seinem Nachfolger am Städel, Alexander Eiling (im Bild links) nun fast genauso wie geplant verwirklichen konnte, was angesichts der notwendigen Leihgeber, die Bildschirmfoto 2019 10 22 um 00.32.31ihre van Goghs nie gerne hergeben, weil sie Publikumsrenner am eigenen Haus sind, schon sensationell ist und sicher, das sagen wir, auch möglich war, weil das Städel im internationalen Museumsbetrieb einen richtig guten Namen hat.

Und einen richtig guten Namen hatte eben schon Anfang des 20. Jahrhunderts Vincent van Gogh in Deutschland. Krämer zitierte, was sich in seinem Beitrag im Katalog wiederfindet , den deutschen Dichter Avenarius im KUNSTWART 1910: „Van Gogh ist tot, aber die Van Gogh-Leute leben. Und wie leben sie...Überall van Goghelt‘s“. 1901 gab es die erste Ausstellung über den, wie man damals dachte, „Belgier“, in der Galerie von Paul Cassirer (der, der mit Tilla Durieux verheiratet war und auf Vorschlag des Präsidenten Max Liebermann Sekretär der Berliner Secession wurde) der mit seinem Verlegercousin Bruno maßgeblich die Moderne von Berlin aus in Deutschland durchsetzte. Der Verweis auf die Secession ist wichtig, weil dort schon in der Sammelausstellung fünf Bilder von van Gogh gezeigt worden waren.


So gab es schon vor dem ersten Weltkrieg 60 van Gogh-Ausstellungen in Deutschland, 15 allein hatte Cassirer gezeigt und die Verehrung für diesen Maler, auf den die überkommene Kunstkritik mit Häme - „Dieser Künstler kann nicht malen“ - reagierte, galt bei seinen Aficionados aus dem aufgeklärten Bürgertum quasi als Heiland, denn seine neue Malweise, die vielen spirituell erschien, bewirkte religiöse Züge einer van Gogh-Anbetung: der Gottvater der Moderne. Und die Malergruppe, die man im besonderen meint, war DIE BRÜCKE (Van Gogh war uns eine Vater), worüber sich beispielsweise Nolde mokierte.


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Erst nach der Pressekonferenz, auf der man ja Fragen stellen kann, ist mir eingefallen, daß ich gerne etwas zu einem zweiten Helden der Kunst-Moderne hätte fragen wollen: Edward Munch. Denn dieser lebte sogar länger in Berlin und galt als Avantgarde, dessen Stil die Deutschen nachahmten. Aber das war noch Ende des 19. Jahrhunderts, der Einfluß war also früher, obwohl van Gogh ja schon 1890 gestorben war. Der große Unterschied in der Einflußnahme durch van Gogh ist, daß sie posthum zu Stande kam und dessen ungewöhnliche und sperrige Persönlichkeit mitsamt dem abgeschnittenen Ohr und dem frühen Tod nicht von seinem Werk zu trennen ist und eine Überhöhung seiner Künstlerpersönlichkeit als Seher bewirkte.

Hatte einen bisher van Gogh nur als Maler interessiert, so bringen diese Informationen - es gab vor dem Ersten Weltkrieg in Deutschland schon 150 Werke von van Gogh, was dreimal so viele sind, wie damals in allen anderen Ländern - einen sofort zur Fragestellung, warum waren es gerade die Deutschen, die als erste einen Maler hochhielten, der später zum berühmtesten und lange Zeit auch teuersten Maler der immer noch Frühen Moderne wurde. Die Frankfurter Ausstellung kann diese Frage noch nicht beantworten, aber ihre Berechtigung und Sinnhaftigkeit liegt schon in der Fragestellung, die sie vielfach dokumentiert, wenn im einzelnen auf die frühen Ausstellungen verwiesen wird, die Ankäufe dokumentiert werden und der Einfluß van Goghs auf deutsche Maler auch außerhalb der Brücke wie Max Beckmann, Felix Nussbaum, Josef Scharl, Heinrich Nauen, Wilhelm Morgner u.a. zu sehen sind.

Fortsetzung folgt also

Fotos:
© Reaktion

Info:
Ausstellung bis 16. Februar 2020
Den Katalog, der im Hirmer Verlag erschienen ist, werden wir noch besprechen, wie auch einen vom Städel produzierten Film mit dem Ausstellungstitel.