Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin, verlängert bis 23. August im Museum Wiesbaden, Teil 2/5
Claudia Schulmerich
Wiesbaden (Weltexpresso) – Zuerst war ich nur froh, daß die Ausstellung verlängert wurde, aber dann nach dem Schauen und Erleben war ich heilfroh, daß ich sie noch habe sehen können, was allen anempfohlen ist. Natürlich ist Jawlensky für Wiesbaden nichts Neues, hat das dortige Museum doch den größten Bestand seiner Werke, aber eine Ausstellung mit seinem Lebensmenschen Marianne von Werefkin gab es noch nie. Und so heißt diese Ausstellung auch nach der Bedeutung des einen für die andere und umgekehrt: Lebensmenschen.
Das Frohsein bezog sich auch auf das Dortsein. Wie genießt man es, daß man nicht alleine durch die Räume streift, sondern sogar manchmal warten muß, bis man an ein Bild herankommt und sogar eine Führung mit sehr vielen Leuten, was man sonst scheut, freut einen und man nimmt es niemandem krumm, daß man den Videofilm nicht sehen kann, weil nur fünf Personen im Raum gestattet sind, worauf der wachende Wärter höflich hinweist.
Noch nie eine gemeinsame Ausstellung Jawlensky und Werefkin? Erst einmal mag man es nicht glauben, denn im Auf und Ab des Kunstbetriebes kann ich mich noch gut daran erinnern, wie die Münchner mit der Lichtgestalt Kandinsky, die zum Blauen Reiter führten, ihre Ausstellungskonjunktur hatten: Aber stimmt, bei Kandinsky, Gabriele Münter, Jawlensky und von Werefkin kam für mich Gabrielle Münter doch besser weg als die Russin und ehrlich gesagt, geht es mir hier wieder so, daß die wenigen Bilder der Münter, die hier eingestreut sind, einen tiefen Eindruck, einfach einen tiefen Farbeindruck machen.
Weil uns diese Maler ein Leben lang begleiten, machte es uns Spaß, ganz ohne Vorbereitung und ohne auf die Bilderläuterungen zu achten, einfach die Bilder anzuschauen und die als Foto mitzunehmen, zu denen uns besonders viel einfiel. Aber stimmt, wer sie bisher nicht richtig kennt, wenigstens in Kurzform das Leben der beiden, das so miteinander verschränkt, verwurschtelt und dann doch entflochten wurde. Beide sind Russen, in der Nähe Moskaus ab 1860 geboren, sie ist 4 Jahre älter und erst einmal viel erfahrener, denn sie kennt schon den damaligen Papst russischer Kunst: Ilja Repin (1844-1930), dem hier immer noch viel zu wenig bekannt, ein unglaublicher Aufbruch russischer Malerei gelang, indem eine ganze Generation zu malen anfing in einem ganz eigenen Stil. So kann man durchaus erst einmal die Werefkin als Mentorin Jawlenskys bezeichnen. Zudem hatte sie mehr Geld, einen Rückzugsort gegenüber dem Zarendespot im eigenen Landhaus, aber, man sieht es in Wiesbaden, immer wieder deutlich, Jawlensky ist der mit dem größeren Talent!
Warum beide vor der Jahrhundertwende 1896 nach München gingen? Deutschland war für gebildete Russen seit jeher ein beliebter Aufenthalt und in München mit - oder doch besser trotz - seiner Kunsthochschule zentrierte sich nach und nach damals eine Bewegung, zu der die beiden maßgeblich beitrugen: Erst gründeten sie 1909 die „Neue Künstlervereinigung München“ (NKVM), dann treten sie dem von Wassily Kandinsky und Franz Marc zwei später gegründeten BLAUEN REITER bei, wie Paul Klee, August Macke, Alfred Kubin u.a.. Zehn Jahre lang blieben beide dann noch in München beisammen, bis sich 1921 die Wege trennten; sie blieb in Ascona, Jawlensky ging nach Wiesbaden, weil dort seine Ausstellungen die meisten Besucher hatte, heißt es, aber sicher ist auch der Badekurort Wiesbaden, wo seit jeher viele Russen weilten und der in der russischen Literatur Niederschlag fand, maßgeblich.
Ja, stark der Beginn der Ausstellung mit den beiden Selbstporträts, zwischen Kopfbild, wie man zu ihnen sagt, wenn sie am Hals aufhören, und Schulterstück, wenn die Schultern noch zu sehen sind. Beide zieren auch den Katalog. Beide sind Siebenachtelporträts, weil das zweite Auge sehr gut zu sehen ist. Beide haben das Gesicht nach rechts gewandt. Beide sind in expressionistischer Malweise gefertigt. Aber sonst ist alles anders!
Der massige Kopf Jawlenskys (1912) mit einem Vaternmörderkragen, der ihm fast die Luft abschnürt, die Röte im Gesicht ist nicht auf den Blutdruck zurückzuführen, sondern diese beiden Bilder sind exemplarische Beispiele für das, was als Expressionismus nirgends farblich so stark ausgedrückt wurde wie in Deutschland. Die Farben sind nicht realistisch, sondern Ausdruck von? Vom Inneren, vom Zustand, vom Zusammenspiel der Farben, von vielem. Jawlenskys dunkler Blick fällt direkt in unsere Augen und angenehm ist das nicht, denn seine Miene ist angespannt, ist er uns böse? Oder wem sonst? Ein kantiger Schädel, die Haare schon weniger, sagt da einer:hier bin ich und so bin ich! An mir kommt so leicht keiner vorbei. Das ist der erste Blick und der zweite fragt: Langt das für einen herausragenden Künstler? Das ist auch ein Blick nach innen.
Dagegen Marianne von Werefkin (1910), eine elegante, etwas in die Länge gezogene Erscheinung, die uns einigermaßen distanziert, aber auch erschrocken-skeptisch anschaut. Sie trägt einen Hut mit Blume, aber es ist nichts Liebliches an dem Bild, das aber Haltung und Würde ausdrückt. Aber auch eine Entschlossenheit und sogar hinter der Kühle eine Leidenschaft. Schauen Sie sich mal die Augen an, die – erst hält man die Augäpfel für gelb - rot lodern. Nein, das ist kein Blick nach innen, sondern eine Behauptung für die Welt!
Vor diesen beiden Bildern möchte man sich hinsetzen und in ihren Augen ihr Leben abspielen lassen. Beider Leben ist typisch für diese Zeit, wo man nicht von Exil oder Asyl sprach und erst recht nicht von Migranten, sondern eine europäische Grundhaltung vorherrschte, die zwar mehr Menschen nach Mittel- und Westeuropa (Paris!) brachte, aber auch nicht wenige Deutsche, Franzosen, Italiener nach Polen, Rußland oder die baltischen Staaten. Wie haben sie miteinander gesprochen. Russisch nimmt man an, aber sie haben in Deutschland bzw. der Schweiz gelebt, also auch Deutsch gesprochen. Die Korrespondenz? Manches liegt in Schaukästen der Ausstellung, aber da geht es doch eher um Skizzenbücher und Angaben zu den Werken.
Wie beide malten, worin die Unterschiede bestehen, ob und wie sie aufeinander eingingen oder sich künstlerisch absetzten, unter solchen Fragestellungen mache ich nun einen Rundgang durch die Ausstellung.
Fortsetzung folgt
Fotos:
Die Gemälde sind teilweise beschnitten
© Redaktion
Info:
Verlängert bis 23. August.
Ein wichtiger Katalog, auch für danach: LEBENSMENSCHEN – Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin, hrsg. Von Roman Zieglgänsberger, Annegret Hoberg und Matthias Mühling, Prestel Verlag 2020