Bildschirmfoto 2020 08 18 um 09.21.31Bildschirmfoto 2020 08 18 um 09.21.40LEBENSMENSCHEN - Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin, verlängert bis 23. August im Museum Wiesbaden, Teil 4/5

Claudia Schulmerich

Wiesbaden (Weltexpresso) – Wir machen die ganze Zeit den großen Fehler, uns zu sehr auf die Porträts von Jawlensky und Werefkin zu beziehen, auch auf die Selbstporträts, wobei die Landschaften – seit jeher für den Expressionismus zusammen mit den Porträts der Ausweis, daß Farben nicht die Wirklichkeit abbilden, sondern Stimmungen und Zustände ausdrücken – einfach zu kurz kommen.

Aber wir wollten halt nicht so sehr über die Bilder schreiben, sondern von ihnen, was etwas anderes ist. Und im ersten Artikel, der die Verlängerung ankündigte, ist ja im Titelbild beides vorhanden, das Paar Werefkin/Jawlensky in bayerischer Landschaft. Nur ist das Gemälde von Gabriele Münter. Und auf diese müssen wir zurückkommen, wenn es um Marianne von Werefkin geht, damit auch diese nicht zu kurz kommt, denn Jawlensky hat ja nicht nur den durchsetzungsfähigen Schädel seines Selbstporträts, sondern hat künstlerisch den Malraum sehr viel weiter ausgedehnt, als die meisten Maler dies konnten. Die spätere Phase, als er nicht mehr mit den Händen malen kann, ist eine so unglaubliche Manifestation für Nichtaufgeben und für die gelungene Reduktion auf Zeichen, die ein Gesicht in allen Stimmungslagen wiedergeben, eigentlich wie die ersten Kinderzeichnungen anfangen, Punkt, Punkt, Komma, Strich...nur eben ganz anders.

Wie Marianne von Werefkin sich als Dame sah, drückt idealiter das Selbstbildnis um 1910 aus, aber auch das frühe von 1893 ist eine Selbstbeobachtung, die einer frischen, frohen und auch unternehmungslustigen Frau, die den Pinsel schwingt. Die Bildnisse, die Jawlensky von ihr schuf, sind vielfältig. Auf das der Dame in Rot – oben als Foto, in unserer Bezeichnung eine kleine Anspielung auf das Bildnis von Bronzino „Bildnis einer Dame in Rot“ im Frankfurter Städel – sind wir im letzten Artikel schon eingegangen. Die Malerin war damals 46 Jahre, schaut uns offen, aber ernst und auch fragend an. Eine gesettelte Dame, aber über die Blüte der Jahre hinaus und auch etwas steifgewandet, darüber kann der große Hut mit Federbusch und die viele rote Farbe nicht hinwegtäuschen.

Bildschirmfoto 2020 08 18 um 09.22.00Werefkins Malerkolleginnen sahen sie ganz anders! Erna Bossi malt um 1910, eine elegante Erscheinung mit fließenden Linien in der Art der Dreiecke, für die Gustav Klimt berühmt wurde, die aber auch schon am Anfang der Renaissance beliebte Porträts auszeichnete )Foto:rechts). Den Kopf nach rechts gewendet, so gerade noch ein Dreiviertelporträt, das zweite Auge ist nur noch angedeutet, Bildschirmfoto 2020 08 18 um 09.22.10der Körper aber frontal, hat sie nichts Markantes an sich, nur eine verhaltene Lieblichkeit, was das rosa fließend Gewand mit dem schwarzen Tuch darüber verstärkt. Ein sehr repräsentatives Bild. Und ganz ähnlich malte sie auch ein Jahr zuvor Gabriele Münter(Foto:links). Ähnlich bezieht sich auf den Gesamtein- und ausdruck des Bildnisses, aber auch auf die formalen Gegebenheiten. Hier ist der Körper im Profil, wir sehen ein weißes Dreieck, eine um den Hals geschlungene rosafarbene Schärpe verstärkt das Dreieck. Das Gesicht ist uns fast voll zugewendet, sehr aufmerksam, sehr neugierig und auch frohgemut. Interessant von Form und Farbe her der Hut, der schräg in der Ansicht etwas Flottes ins Bild hineinbringt. Auf dem Hut große farbige Bommeln würde wir sagen, was sich hier als Farbflecken andeutet.

Das hat uns sehr beschäftigt und das kann man in dieser Ausstellung wunderbar nachvollziehen, wie man sich sieht, wie die anderen und welche Parallelen oder Gegensätze es gibt. Was die Werefkin angeht, ist Selbstbild und Wahrnehmung durch Partner Jawlensky recht gleich, aber die anderen Frauen sehen sie anders. Sie müssen, um das genau zu erforschen, einfach in den Räumen hin und hergehen, eben auch immer wieder zurück. Überhaupt hat der zweite Gang immer etwas Besonderes. Man sieht, was man vorher nicht sah. Manchmal sieht man aber auch nicht mehr, was einem zuvor noch aufgefallen war. Noch doller wird das, wenn man mehrmals eine Ausstellung besucht. Und genau eine solche ist diese, die einem die Werke und die Menschen dahinter lebendig macht. Deshalb muß über den Katalog noch geschrieben werden, denn den kann man nach Hause tragen oder auch danach noch erwerben.

Die Rede war zu wenig von den Landschaftsbildern. Darunter gibt es wunderschöne – von beiden –, deren Malerhandschrift man ebenso wie die Porträts sofort erkennt. Dabei wird einem klar, wie schwer es gerade damals war, eine eigene Handschrift zu entwickeln. Selten in der Kunstgeschichte haben sich die Stile so schnell gewandelt, sind von einzelnen Malern Werke geschaffen worden, an denen die Spätergeborenen und Spätermalenden einfach nicht vorbeikamen. So erkennt man in den Landschaftsbildern der Werefkin immer wieder den Norweger Edvard Munch, aber auch van Gogh – wie nicht! - oder den Russen Chagall. Aber wer weiß, ob solche Darstellungen nicht in der Luft lagen. Wir alle sind immer Kinder einer Zeit.

Bei Jawlensky liegt die Sache insofern etwas anders, als seine Landschaften oder Bergbilder wie Gelbes Haus – Bordighera von 1914 so typisch für den Expressionismus sind, daß man in dieser Richtung nach Ähnlichkeiten suchten könnte, was dumm wäre, weil all diese Maler von einander lernten.

Bleibt der Hinweis auf eine schöne und eine besonders interessante Ausstellung, die historisch schon deshalb Akzente setzt, weil sie nach über 100 Jahren die erste ist, die dieses Künstlerpaar auch in ihren Gemälden zusammenschnürt. Daß es dann wieder im nächsten Jahr genau 100 Jahre sind, zu der die Trennung eintritt und Alexej von Jawlensky nach Wiesbaden geht und bis zu seinem Tode am 15. März 1941 immerhin zwanzig Jahre dort bleibt, soll den Lebensweg abrunden.

Marianne von Werefkin bleibt in Ascona, bläst dort aber nicht Trübsal, sondern mischt die heimische Kunstszene auf, gründet die Künstlergruppe DER GROßE BÄR, macht Ausstellungen und stirbt am 6. Februar 1938 in ihrer Wohnung.

Fortsetzung folgt
 
Fotos:
Die Gemälde sind teilweise beschnitten
© Redaktion

Info:
Verlängert bis 23. August.
Ein wichtiger Katalog, auch für danach: LEBENSMENSCHEN – Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin, hrsg. Von Roman Zieglgänsberger, Annegret Hoberg und Matthias Mühling, Prestel Verlag 2020