Standard MAK zeigt dritte Pop-up-Ausstellung im Rahmen der Reihe CREATIVE CLIMATE CARE, einer Kooperation mit der Universität für angewandte Kunst Wien
Anna von Stillmark
Wien (Weltexpresso) - Einen möglichen Beitrag, den künstliche Intelligenz zur Realisierung der Utopie einer kreislauffähigen Abfallwirtschaft leisten könnte, inszeniert der Architekt und Designer Chien-hua Huang mit der Pop-up-Ausstellung Reform Standard im MAK. Anhand von Zeichnungen, physischen Modellen und Videos stellt er im Rahmen der dritten Position der Reihe CREATIVE CLIMATE CARE, einer Kooperation des MAK und der Universität für angewandte Kunst Wien, einen von Machine Learning gesteuerten innovativen Suchprozess dar: Auf Basis eines materialinformierten Designkreislaufs könnten Abfälle in potenzielle Ressourcen umgewandelt werden.
Chien-hua Huang setzt an der Standardisierung an, die in allen Branchen weitgehend gelebt wird. Das bringt erhebliche Vorteile für Wirtschaftlichkeit und organisatorische
Effizienz, erzeugt aber aufgrund einseitiger Prozesse und homogener Inputs weitere Abfälle und Brachflächen. „Ein gewisses Maß an Flexibilität in der Normung, ein Gegenprozess, die ‚Entnormung‘ mittels künstlicher Intelligenz würde einen alternativen Workflow ermöglichen, der letztlich eine kreislauffähige Abfallwirtschaft umsetzbar machen könnte“, so der Designer.
Der Titel der Pop-up-Ausstellung bezieht sich auf ein gleichnamiges Forschungsprojekt, im Rahmen dessen Huang einen maschinell lerngesteuerten Suchalgorithmus entwickelte. Mithilfe von Reinforcement Learning und maschineller Bildverarbeitung entwirft das Tool neue Strukturen, unregelmäßige Kunststoffstücke werden in eine neue Form transformiert. Anstatt diese Abfälle in einem energieintensiven Prozess zu recyceln, findet die Suchmaschine eine neue maschinenorientierte Ästhetik in vernachlässigten Abfallteilen.
Reform Standard bezieht sich nicht nur auf revitalisierten Abfall, sondern betrachtet die CREATIVE CLIMATE CARE Lebenszyklen von Materialien gesamtheitlich. Damit entwickelt sich eine kreislauffähige Gestaltung, die die Definition von „Zero Waste“ und „Ressourcen“ revolutionieren kann. Auch die Rezeption von Abfall wird in Reform Standard veranschaulicht: Eine Serie von Zeichnungen zeigt auf, wie unterschiedlich Mensch und Maschine Abfall wahrnehmen und welche Potenziale dabei verloren gehen oder auch entstehen. Es wird deutlich, dass sich das menschliche Sehen – also die konventionelle Wahrnehmung der Abfälle – auf die erlernten gesellschaftlichen oder persönlichen Kriterien beschränkt, mit denen wir die Gegenstände klassifizieren, bevor sie zu Abfall geworden sind. Demgegenüber steht die datenorientierte Gestaltung des Sehens („Machine Vision“). Künstliche Intelligenz analysiert und klassifiziert Formen und Materialzusammensetzungen, das Gesehene wird ohne Vorurteile über den „Wert“ des Abfalls zusammengefasst. Die Suchleistung von Computern hat das Potenzial, den menschlichen Blick auf Abfall zu „objektivieren“.
Ein weiterer Bereich der Ausstellung gibt anhand von architektonischen Modellen Einblick in die Entwicklung des Projekts Reform Standard. Dabei werden der Aufbau, der
Sortierprozess und das alternative Ergebnis der Algorithmen im Vergleich zur menschlichen Wahrnehmung nachvollziehbar. Eine siebenminütige Videoinstallation zeigt die
Entstehung einer Kunststoffschale als Beispiel für eine erfolgreiche Wiederverwertung von Plastikabfällen und einen geschlossenen Designkreislauf.
Öffnung Dienstag, 8. September 2020, ab 18:00 Uhr
Ausstellungsort MAK GALERIE
MAK, Stubenring 5, 1010 Wien
Ausstellungsdauer 8. September – 4. Oktober 2020
Öffnungszeiten Di 10:00–21:00 Uhr, Mi–So 10:00–18:00 Uhr
Chien-hua Huang schloss 2020 das Masterstudium „Architektur: Architekturentwurf 2“ unter der Leitung von Prof. Greg Lynn an der Universität für angewandte Kunst Wien ab.
Der Architekturdesigner und Designforscher arbeitet in Taipeh und Wien. Mit der Ausstellungskooperation CREATIVE CLIMATE CARE bieten das MAK und die Universität für angewandte Kunst Wien fünf durch eine Jury ausgewählten AbsolventInnen der Angewandten die Möglichkeit, mit jeweils dreiwöchigen Ausstellungen die MAK GALERIE zu bespielen. Die Reihe setzt sich mit dem Beitrag von Design, Architektur und Kunst zur Entwicklung eines neuen Mindsets für aktive Klimapflege auseinander und ist
gleichzeitig der Startschuss für die künftige permanente Bespielung der MAK GALERIE als CREATIVE CLIMATE CARE GALERIE.
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Info:
CREATIVE CLIMATE CARE startete mit Florian Semlitsch und Sophie Gogl und zeigt nach Chien-hua Huang Positionen von Martina Menegon und Antonia Rippel-Stefanska.