Bildschirmfoto 2020 10 02 um 00.53.14Hans Makart und die Salonmalerei des 19. Jahrhundert“, Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle, hier anhand des Katalogs, Teil 1/3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - „Die Historienmalerei ist eine Kunstgattung, die ihre Ursprünge in der Renaissance hat. In der Historienmalerei werden historische, religiöse, mythisch-sagenhafte oder literarische Stoffe auf einen ahistorischen Moment verdichtet dargestellt. Als wichtiges Kennzeichen der Historienmalerei gilt, dass die dargestellten Hauptpersonen benennbar sind.“, erklärt uns in den ersten Worten der Wikipediaeintrag HISTORIENMALEREI.

Ha, ist das erste, was ich dachte, als ich diesen Beginn las. Wieso wird der Ursprung der Historienmalerei der Renaissance angedichtet, wo doch schon diese Zeitbezeichnung „Renaissance“ sprachlich klar macht, daß sie sich auf Früheres beruft, also auf einer Wiedergeburt, also Wiederbelebung fußt. Und genauso ist es auch mit der Historienmalerei, bei der wir nur die Einbuße haben, daß die Malereien der griechischen und römischen Antike fast völlig zerstört sind, Reste auf Mauern anderen Zwecken, nämlich der Dekoration der Räume dienten. Daß es aber bildliche Darstellungen von Personen gegeben hat – und zwar reichlich - davon berichten in Bildbeschreibungen die Autoren der Zeit. Und über keinen wird so jubiliert wie über Apelles, der als bedeutendster Maler der Antike gilt, schon deshalb weil der erste über ganz Griechenland Herrschende, Alexander der Große, ihn zu seinem Leibmaler gemacht hatte. Warum? Na, natürlich, damit er die Herrlichkeit des Alexander und seine militärischen Erfolge verewigt. Spätestens hier haben wir den Beginn der Historienmalerei, die aber – unter uns – schon viele Jahrhunderte vorher nachgewiesen ist. Nur ist einfach Alexander der Große als derjenige, der schon zu Lebzeiten seinen eigenen Heldenmythos per Bild und Plastik (die berühmte Anastolé, der aufgebürstete Haaransatz, der heute übrigens wieder modern ist, die Kopfneigung, der Blick in die Ferne etc.) fertigen ließ, einfach für unsere heutigen Marketingaspekte der Geeignetste.

Nein, es paßt eigentlich überhaupt nicht, nun die Mär von Alexander dem Großen zu erzählen, dernach er seine geliebte Nebenfrau Kampaspe wegen ihrer schönen Gestalt nackt von seinem Hofmaler, Apelles aus Ephesus, hat malen lassen, und genau das hat dann doch mit dem riesenhaften, 5,20 x 9,52 Meter, Historienbild von Hans Makart „Der Einzug Kalrs V. In Antwerpen“, 1874, sehr viel zu tun, das ab jetzt als auffälligster Blickfang das Entrée in der Hamburger Kunsthalle bildet. Die Mär gilt aber nicht der Nacktheit, sondern der Emotion, von der Apelles ergriffen wurde, als er die nackte Kampaspe malte, was wir Erotik, Geilheit oder den großen Liebesrausch nennen, wessen der umsichtige Herrscher Alexander gewahr wurde, weshalb er dem Maler seine Geliebte zum Geschenk machte. Und damit, wie Plinius uns viel später berichtet, sein wahres Selbst zeigte: „groß durch seine Gesinnung, noch größer durch seine Selbstbeherrschung und durch diese Tat nicht weniger bedeutend als durch irgendeinen anderen Sieg." (Plinius d. Ä., Naturalis Historiae XXXV, § 86)

Von heute her schon unglaublich, daß, eine Frau zu verschenken, solche Ehre einbrachte, wobei die Ehre ja erst dadurch, daß diese Frau von Alexander geliebt wurde, konstituiert wird. Wenn Apelles wenigstens ein nettes Bürschchen gewesen ist, so daß einem die Frau nicht so leid tun muß.

So war das damals. Aber als Makart seinem Historienschinken, der heute Blickfang ist, selbst einen Blickfang ins Bild malte, nämlich fünf nackte Frauen, die wie in der griechischem archaischen Plastik Schleier tragen, die nichts verhüllen, aber interessanter machen, da war der Skandal da. Die prüden guten Bürger des Historismus, des ehrpusseligen 19. Jahrhunderts! Was haben sie sich aufgeregt. Schon deshalb ist es nützlich, im Katalog auf Seite 31 „Ein Bild erhitzt die Gemüter“ weiterzulesen. Aber natürlich war es eine Frechheit von Makart, den fünf Nackten diesen Schleier zu verpassen, der seit Lukas Cranach in allegorischen Darstellungen doch gesellschaftlich akzeptiert war, nun aber in der Historienmalerei in die Straßenszene hineingemalt wurde. Nicht nur das. Markart setzt noch eins drauf. Zwei der Schönen tragen Flechtfrisuren, eine Blonde, eine Dunkle mit Haarband, drei aber tragen einen Kopfputz, zwei eher eine turbanähnliche Haube und eine sogar einen perlen- und edelsteinverzierten Schmuckturban, ein tolles Stück. Alle aber – 19. Jahrhundert! - haben die Scham verborgen, weil sich – zufällig – dort dann immer die Schleier verdichten.

Man kann solche Bilder nur ertragen, wenn man sie sich ganz genau anschaut und dann wiederum kann man viele Stunden vor ihnen zubringen. Aber so weit sind wir noch nicht. Das Beispiel mit dem berühmtesten Maler der Antike wurde auch aus einem anderen Grunde gebracht. Denn Hans Markart war der Apelles seiner Generation, wobei es gewichtige gesellschaftliche Verschiebungen gibt. Ein antiker und auch ein Maler der Renaissance und des Barock war abhängig vom Herrscher, weshalb Hofmaler zu werden das Höchste der Gefühle und auch des Geldbeutels bedeutete.

Aber zu Zeiten von Hans Makart ( 28. Mai 1840 in Salzburg – 3. Oktober 1884 in Wien) war nicht mehr das Kaisertum – Franz Joseph (18. August 1830 – 21. November 1916, jeweils Schloß Schönbrunn, Wien) – und auch nicht der Hof das Wesentliche, sondern die Salons der Oberschicht der Gesellschaft, die im übrigen auch Auftraggeber für die Künstler waren, galt Kunst doch als Ausweis von Bildung und Vermögen dazu.

Wenn es nun in Fortsetzung des Anfangstextes zum Wikipediaeintrag HISTORIENMALEREI heißt: „Oft steht im Mittelpunkt ein Held, eine als autonom handelnd dargestellte Einzelpersönlichkeit. Historienbilder dienen seiner absichtsvollen Verklärung, seiner Überhöhung und der Ausgestaltung eines Geschichtsmythos, nicht einer realistischen Darstellung eines vergangenen Geschehens. Sie wurden oft von Herrschenden in Auftrag gegeben, erworben oder ausgestellt.“, so gilt dies für den Historismus nur noch bedingt.

Einerseits ist der Habsburger Karl V., der Kaiser, in dessen Reich die Sonne nicht unterging, zwar die prägende Gestalt, aber weder ist das ein echtes Historienbild, noch wurde es von den Habsburgern in Auftrag gegeben oder bezahlt. Es ist Salonmalerei, was die nächsten Artikel klären.

Fortsetzung folgt.

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Info:
Der begleitende Katalog bildet sämtliche präsentierten Werke ab, stellt sie in Einzelkommentaren vor und steckt in Form von einführenden Essays den jeweiligen Zeithorizont ab (Michael Imhof Verlag, 176 Seiten, deutsche Ausgabe, 25 Euro).

Zur Begleitung des Ausstellungsbesuches sowie zur Vor- und/oder Nachbereitung steht in der App der Hamburger Kunsthalle eine Audiotour kostenfrei zum Download bereit (4 Euro mit Leihgerät). Sie stellt 14 Werke sowie den Einzug Karls V. in Antwerpen vor, zu dem man zusätzlich als Augmented Reality-Anwendung animierte Informationen zu einzelnen Figuren des Gemäldes abrufen kann.
Zu der Vermittlung der Ausstellung gehört außerdem ein Begleitheft, das über die thematischen Stränge des Raumes informiert und kostenfrei mitgenommen werden kann.

Anläßlich von MAKING HISTORY und der damit verbundenen Neugestaltung des Makart-Saals entstand zudem der Film 50 Quadratmeter Zumutung, der die Genese des Projektvorhabens, die Freilegung des eingehausten Monumentalgemäldes sowie seine Restaurierung und Neupräsentation dokumentiert und Besucher*innenreaktionen einwebt (25 min). Der Film wird ab Ende Oktober 2020 in der Kunsthalle zu sehen sein.

ÖFFNUNGSZEITEN
MO GESCHLOSSEN
DI-SO 10 - 18 UHR
DO  10- 21 UHR