Abc 6326Das "Coronaalphabet" in der Kunststation 

Hanswerner Kruse

Kleinsassen/Rhön (weltexpresso) - Mit ihrem Projekt „Coronaalphabet“ will die Künstlerin Reinhild Gerum in den Zeiten der Pandemie „der Verunsicherung etwas entgegensetzen.“ Sie lud Kunstschaffende ein, „Struktur und Freiheit in der Krise“ (Untertitel des Projekts) zu finden, statt Gejammer anzustimmen und sich unterkriegen zu lassen. 


Im Salon der Kunststation kann man jetzt erleben, welch rückfließende Wirkung die Kunst auf das Leben haben kann, von der Joseph Beuys einst sprach. Viele Kreative gestalteten ihre Werke am Abc entlang. So zeigt Gerum ein älteres farbenfrohes Leporello ihres „Tieralphabets“ vom Adler bis zum Zebra. Im zweiten Leporello darunter, im „Coronaalphabet“, sieht man dann die durch das Virus bedingten Veränderungen von Angst zu Zähren (Tränen).

Maria Hobbing drückte mit expressiven oder surrealen Zeichnungen ihre Gefühle während der Pandemie aus. Die Titel folgen dem Abc von „Anfang“ bis „Zukunft“, die Motive sind wenig plakativ und können unterschiedliche Emotionen auslösen. Komisch-tragische Figuren des Argentiniers Adrian Marcucci verkrümmen sich zu Anfangsbuchstaben seiner Corona-Assoziationen auf Spanisch: von asistencia (Hilfe) bis paZ (Frieden).

Abc 6296Doch es gibt auch völlig freie Arbeiten wie die „Mundschutz-Säule“ von Soileymane Faye (Foto). Mit bunten afrikanischen und europäischen Schutzmasken symbolisiert er die weltweite Verbindung in der Krise, erinnert aber ebenfalls daran, wie wichtig Farbe in grauen Zeiten ist.

Die Ausstellung organisierte die Fuldaer Künstlerin Teresa Dietrich, befreundet mit der Initiatorin Gerum. Wo sonst, denn die Kunststation ist immer offen und flexibel für neue ästhetische Abenteuer. Das Alphabet als vage künstlerische Vorgabe schaffe Struktur und damit Sicherheit, meint Dietrich im Gespräch, eröffne zugleich jedoch große Assoziationsräume. Um die zu erkunden schöpften alle Beteiligten aus ihren Lebensbereichen und Erinnerungen.

Dietrich ist beruflich und privat viel in der Welt herumgekommen, in der Pandemie hat sie sich mit ihren Reisefotos beschäftigt: „Ich springe durch die Jahre, hin und her über Kontinente und Länder, zu Kulturdenkmälern, Stadträumen...“ Jeweils zwei farbige Ausdrucke desselben Motivs einer Stadt bearbeitete sie durch Überklebungen mit Fragmenten aus ihrer „biographischen Papiersammlung.“ So entstanden 26 collagierte Bildpaare zu Städten von Agrigent (Sizilien) bis Zürich.

„Als Beates Cello / dumpf erklingt / fällt Georg haltlos / ins Jammertal...“ Peter P. Rast hat 26 skurrile Vignetten geschrieben, erst nach einiger Zeit merkt man, dass seine Worte immer genau den 26 Buchstaben des Abc folgen. Seine eigensinnig illustrierten Gedichtkarten gibt es in einer Kassette ebenso zu kaufen wie Dietrichs verkleinerte Bildpaare als Memory. Fast alle Kunstschaffende offerieren Drucke und andere Editionen. Selten können Leute so - meist recht preiswert - von künstlerischen Auseinandersetzungen partizipieren.

Im „Coronaalphabet“ überwiegen hoffnungsvoll Spiel, Ironie und Fröhlichkeit, ja, das Grauen wird mitunter grotesk verlacht. Das kann auch dem Publikum Hoffnung machen! Was hier „quergestaltet“ wurde hat rein gar nichts mit dem gefährlichen Unsinn der Querdenker und Coronaleugner zu tun. Mittlerweile haben sich über 60 Kreative dem offenen Projekt angeschlossen, im Herbst wird in der Kunststation ein zweiter Teil der Ausstellung gezeigt. Eine umfassende Übersicht ermöglicht die hervorragende Webseite https://coronaalphabet.de

Die Ausstellung „Coronaalphabet“ ist noch bis zum 9. April geöffnet. Weitere Infos, Öffnungszeiten usw. 

Fotos
(c) Hanswerner Kruse
oben: Teresa Dietrich erläutert ihre Arbeiten