Die Künstlerin Christine Mann in der Kunststation
Hanswerner Kruse
Kleinsassen/Rhön (weltexpresso) - „Meine Ausstellung ist der Film über mich“, beteuert ganz ohne Bitterkeit Christine Mann, die diesjährige Via-Regia-Stipendiatin der Kunststation, zum Abschied von Kleinsassen. Zum vierwöchigen Aufenthalt der Görlitzer Künstlerin in der Rhön gehörte, neben dem Ausstellungshonorar, nämlich auch eine Salonschau in dem renommierten Kunsthaus.
Doch aufgrund des Corona-Lockdowns gab es keine Vernissage, ihre Ausstellung im Studio wurde (noch) nicht aufgebaut. Stattdessen ließ die Kunststation ein professionelles Video drehen, das auf der Webseite gezeigt wird.
In das zeitweilige Gast-Atelier Manns kamen wenig Leute zum Ansehen ihrer farbenfrohen Gemälde und zu Gesprächen, weil die Kunststation wegen des Lockdowns nur kurz geöffnet war. Doch trotz dieser Unbilden ist die Künstlerin glücklich: „Mir kam die Einsiedelei sehr entgegen“, sagt sie, „vier Wochen lang habe ich einfach nur intuitiv gemalt, gemalt und gemalt. Ich habe keine Bilder, keine Motive geplant, sondern mich und die Farben einfach fließen lassen.“
Die Acryl-Farben, die sie spontan nebeneinander, übereinander oder ineinander auftrug, stehen bei ihr immer im Vordergrund. „Wenn überhaupt, dann kommt die Form erst später dazu“, erklärt sie. Eigentlich war sie nach dem Studium Diplom-Pädagogin geworden. Doch auf einer Reise durch Frankreich faszinierten sie die Kirchenfenster der Kathedrale in Reims. Deshalb studierte sie tatsächlich noch in der Akademie Burg Giebelstein verschiedene künstlerische Techniken der Glasgestaltung.
Eines Tages bekam sie einen alten Röntgentisch, also einen Leuchttisch geschenkt. Auf der von unten beleuchteten Glasplatte drapiert sie nun Reste von farbigen Glasscheiben, Pflanzenteile, Schleier und andere halbtransparente Dinge. Gelegentlich malt sie etwas dazu oder trägt Monotypien auf, bis ihr das Bild stimmig erscheint. So entstehen Material- und Farbcollagen mit wenig figurativen Elementen. Mann fotografiert diese großen Collagen ab und lässt sie ohne weitere Nachbearbeitung auf Alu-Dibond drucken. Diese geheimnisvollen Kompositionen aus Farbe und Licht wirken wie durchscheinende Glasbilder oder moderne sakrale Fenster. Mit der aufwendigen Technik ist der Künstlerin ein individuelles Oeuvre gelungen, das eigentlich im Studio der Kunststation präsentiert werden sollte.
Nun sind diese Arbeiten wenigstens im Film zu sehen, ebenso wie die in Kleinsassen entstandenen Acrylwerke, über die Mann mit der Künstlerin Teresa Dietrich im Video spricht. Auch diese Fuldaer Malerin war vor einigen Jahren im Schloss Königshain bei Görlitz als Stipendiatin zu Gast. Ebenso wie andere Kunstschaffende der Region etwa Veronika Zyzik, Ulrike Kuborn oder Bernd Baldus.
VIA REGIA
Seit 2014 pflegt die Kunststation im Landkreis Fulda einen Kulturaustausch mit dem Schloss Königshain und kooperiert dazu mit dem „Via Regia Begegnungsraum“ in Sachsen. Beide gewähren jährlich wechselseitig einmal Kunstschaffenden ihrer Region ein Stipendium im Partnerort. Diese Orte liegen an der uralten Handelsstraße Via Regia (Königliche Straße), die im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit den Osten mit dem Westen verband. Sie führte durch zahlreiche osthessische Städte wie Hünfeld, Fulda, Neuhof, Schlüchtern und Steinau. Durch den Handel und im Austausch ihrer Kulturen fühlten sich einst die Menschen entlang der Via Regia miteinander verbunden. 2005 wurden alle Teile der Königsstraße zur „Großen Kulturstraße des Europarates“ erklärt.
Fotos
Hanswerner Kruse:
Christine Mann zeigt ihre Arbeit „Hinaus“, die auf dem Leuchttisch entstand
Info:
Nach einem möglichen Ende des Lockdowns kann die Ausstellung noch bis zum 21. Mai 2021 besucht werden.
www.kunststation-kleinsassen.de