Hannah Wölfel
Kleinsassen/Rhön (weltexpresso) - „Es werde Licht! Und es ward Licht!“ Zehn bekannte Kunstschaffende die auf unterschiedliche Art und Weise mit Licht arbeiten, lassen ihre Werke in der Kleinsassener Kunststation aufscheinen. Diese Exponate sind ein Querschnitt durch die zeitgenössische autonome Lichtkunst und unterscheiden sich gravierend von angestrahlten Bauwerken im Freien.
Eine zunächst brutal wirkende Installation montierter Stahlrohre mit blauen Leuchtstoffröhren verbindet das Café der Station mit der Ausstellung. Danach lagern in der Finsternis auf großen Spiegeln chaotisch verstreute Blauröhren; ebenfalls von Christoph Dahlhausen. Was zunächst irritiert, entfaltet bei längerem Betrachten doch eine harsche Poesie. Ähnlich fühlt man sich im kleinen Nebensaal, in dem gebündelte Laserstrahlen von Rainer Plum mehrfach abgeknickte grüne Linien ins Halbdunkel werfen.
Beim weiteren Rundgang stößt man auf Hans Kotters digitale Malereien in Leuchtkästen, die zwischen wechselnden räumlichen Mustern und elektronischen Modellen changieren. Ist das die ästhetische Sichtbarmachung lichttheoretischer Formeln? Auf jeden Fall eine Gradwanderung zwischen digitaler Technik und spielerischer Magie. Seine in die Wand gedrungenen Lichtpfeile berühren und schaffen eine Verbindung zu den begehbaren Installationen im nächsten Saal.
Hier drehen sich behutsam Betty Rieckmanns übermenschengroße dreieckige Spiegelsäulen, teilweise mit Folien von Birkenrinde bedeckt, um sich selbst. Beim Umhergehen in diesem „Wald“ werden ganz kurz, sowohl von ferne scheinende Objekte als auch die Betrachtenden selber reflektiert. Die so erlebten Traumbilder möchte man erhaschen, doch sie winden sich immer wieder fort und verschwinden.
Am anderen Ende des Saales, zwischen gebogenen farbenfrohen LED-Leuchtkörpern, fühlt man sich wie in einem elektronischen Garten. Aber ein Exponat heißt „Pas de Deux“ - sind die Gebilde in bizarren Bewegungen erstarrt? Eher eingefrorene Ballerinen auf der Bühne als florale Objekte? Mit ihren Arbeiten hat Susanne Rottenbacher bereits das Amt der deutschen Bundeskanzlerin geschmückt.
Neben der Artothek, nach dem zweiten Eingang zur Schau, bestrahlt das Feuer einer im TV entstehenden Sonne den aufgehängten Mond an der Decke. Diese schlichte Installation von Felix Contzen ist - wie andere Werke auch - eigens für die Kunststation hergestellt. Nebenan zeigt der junge Tobias Dostal, der auch als Zauberer wirkt, seine analogen magischen Arbeiten. Mit bewusst altmodischer Technik kreiert er „Springbilder“: Gesichter und Figuren, die mit Hilfe von Beleuchtung - durch sich verschiebende oder drehende Plexiglasscheiben - entstehen.
Obwohl diese Arbeiten nur durch den Anschluss an das Stromnetz funktionieren, ist die ungewöhnliche Lichterschau keinesfalls technisch überladen, sondern verzaubernd und herausfordernd zugleich. Darüberhinaus wird Lichtkunst auch durch sich verändernde natürliche Beleuchtung in experimentellen Fotografien sichtbar: Nicole Ahland hielt in ihren zarten Aufnahmen die sich entwickelnde Helligkeit in diversen Räumen fest und schafft mit den Bildern eine meditative Stimmung. James Nizam fing in den Rocky Mountains die Spuren der Sterne mit Langzeit- oder Mehrfachbelichtungen ein. Seine „drawings with starlight“ sind abstrakt wirkende, analoge Riesenfotos ohne störendes Fremdlicht. Achim Mohnés Bilder machen sichtbar, wie Laserstrahlen scheinbar Materie aufladen, kleine Staubkörner werden zu Schatten werfenden Leuchtkörpern.
Die Ausstellung ist eine kuratorische Glanzleistung des Ausstellungsteams. Die unterschiedlichen Arbeiten sind kein beliebiges Sammelsurium, sondern bewusst ausgewählte, aufeinander abgestimmte Kunstwerke. Sie konnten nicht wie normale Bilder gehängt werden, sondern brauchten aufgrund ihrer Leuchtkraft mehr Abstand. Manche Objekte bestrahlen sich selbst, andere benötigen die Finsternis um zu glänzen: „Die Vielfalt der Werke breitet uns ein wunderbares Spektrum erhellender Wahrnehmungen aus von dem, was die Dunkelheit durchbricht: Licht!“ So die Kuratorin der Ausstellung Dr. Elisabeth Heil.
Hintergrund:
„Licht!“ ist ein Projekt zum 200-jährigen Bestehen des Landkreises Fulda und im Rahmen des Kultursommers Main-Kinzig-Fulda 2021. Parallel zeigt die Studioausstellung der Kunststation Fotografien sowie ergänzende Informationstafeln zur „Lichtverschmutzung“ und der Rhön als „Sternenpark“ (Besprechung folgt).
Fotos:
Kunststation/Arnulf Müller
Info:
„Licht!“ noch bis zum 29. August 2021, www.kunststation-kleinsassen.de