Hanswerner Kruse
Fulda (weltexpresso) - Am Wochenende begann die Ausstellung „Körper“ dreier Kunstschaffender im Fuldaer Kunstverein. Es ist eine ruhige und kontemplative Schau, dagegen gerät die Vernissage, draußen im Dahliengarten, durch die Performance der Tänzerin recht spektakulär.
Ein verhüllter weiblicher Akt auf dem Ölbild nahe des Eingangs zur Galerie macht neugierig, warum ist es das einzige bekleidete Modell auf den vielen Bildern? Mit einer ähnlichen Verhüllung eröffnet Alexandra Pesold ihre Tanz-Performance im Freien, befreit sich von dem Gespinst und schleudert es ins Publikum: Ein Akt, in dem sie sich symbolisch entblößt.
Der menschliche Körper kann durch Bewegung vieles ausdrücken – alles kann Tanz sein. Berührend, nachahmend, schwebend, hüpfend oder liebkosend erschloss sich die Tänzerin, vor dem Auftritt, manche der ausgestellten Kunstwerke. Mit den Bewegungen und Posen drückt sie dann draußen unter den Leuten ihre Erlebnisse und individuellen Empfindungen aus.
Gezeichnete üppige Frauen, die nicht dem klischeehaften Ideal entsprechen. Grummelige weibliche Akte mit Tusche auf einhundert Jahre alten Lexikonseiten. Auf Drucken abstrahierte androgyne Leiber, fast nur noch als Umrisse. Die gestalterische Bandbreite Martina Theisens ist erstaunlich. Die Künstlerin findet Humor lebenswichtig, deshalb trifft sie selbst beim Aktzeichnen mit ihrer behutsamen Heiterkeit immer das Wesen der von ihr Dargestellten. „Der Mensch ist das zentrale Thema in meinen Arbeiten“, erklärt sie. Ihm will sie sich mit Kohle, Farbstiften, Tusche oder Monotypien auf unterschiedlichen Papieren annähern. „Ich bin Zeichnerin durch und durch“, bekennt sie - und fügt augenzwinkernd hinzu, „ich komme von der Linie nicht vom Strich.“
Grafitzeichnungen zeigen Männer, die sich von Lasten befreien, oder - vage angedeutet - in Kisten gesperrte Wesen. Auf Ölbildern treten unbekleidete Personen selbstbewusst aus schattigen Räumen. Aber Wolf Mihm präsentiert keinen Stilmischmasch, sondern diverse altmeisterlich gestaltete Akte, die er „Studien“ nennt. In denen erkundet er mit unterschiedlichen künstlerischen Mitteln klassische Darstellungen des nackten menschlichen Leibes. Das ist für ihn die Voraussetzung zur Abstraktion und Auflösung traditioneller Formen. Jedoch zwischen einer Reihe gediegener Männerakte platzierte er seine große Arbeit „Sprung ins Ungewisse“. Ein Werk, das die figurative Darstellung des Springers aufhebt und (fast) nur noch pure Dynamik verkörpert. Es lässt erkennen, wohin Mihm künstlerische Reise gehen wird.
Weiche, ovale, ja, erotisch wirkende Gebilde ohne Köpfe und Glieder aus blauem Quarzit vor der bläulichen Wand im Kaminzimmer der Galerie verführen zum Anfassen. Schneeweiße figurative Marmorstatuen wollen gestreichelt und umarmt werden. Rudolf Benz, der Bildhauer, wünscht sich ausdrücklich, dass seine Steinarbeiten auch haptisch erfahrbar werden. „Meist lieben die Frauen meine Skulpturen“, weiß Benz. Den Begriff Torso mag er für die Werke nicht, denn der bezeichnet lediglich zerbrochene oder unvollständige Skulpturen der Antike und späterer Zeiten. Bewusst reduziert er seine Gestalten auf den Rumpf, will deren Haltung, die Körperhaltung herausarbeiten. „Das ist schwer in Worte zu fassen“, meint er, aber die Tänzerin drückte bei der Eröffnung in der Tanzsprache wohl das aus, was er meint.
Körper müssen in der Darstellung mit künstlerischen Medien nicht zwangsläufig nackt sein. Doch die Ausstellung entwickelte sich aus der Gruppe Aktzeichnen, die von Martina Theisen im Atelier von Wolf Mihm geleitet wird. Seit jeher findet in solchen Gruppen die intensivste Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper statt: mit seinen Proportionen, seinem Ausdruck, seiner Anatomie – und mit der humanen Nacktheit, die immer noch des künstlerischen Schutzes bedarf.
Info:
Ausstellung „Körper“ im Fuldaer Kunstverein noch bis zum 24. Oktober.
Geöffnet donnerstags bis sonntags 15 – 18 Uhr
www.kunstverein-fulda.de
Foto:
(c) Hanswerner Kruse
Oben: Tänzerin Alexandra Pesold ahmt die Stimmung einer Aktzeichnung von Martina Theisen nach
Unten: Tänzerin Alexandra Pesold erkundet die Kunstwerke von Wolf Mihm & Rudolf Benz