Die B3 Biennale des bewegten Bildes 2021 bis 24. Oktober zur Buchmessenzeit in Frankfurt, Teil 5
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - „Jetzt ist es schon wieder passiert“, fiel mir in leichter Abwandlung der Ausstöße, die Wolf Haas seinem Meisterdetektiv Brenner in den Mund legt, nach der Besichtigung der diesmaligen Ausstellung von B3 im Kauftempel MY ZEIL, in Frankfurt auf der Einkaufsmeile Zeil gelegen, ein. Ich war erneut nach der Konfrontation mit Kunst so vollgefüllt mit Energie, guter Laune, Unternehmungslust, wie ich sie gerade letzte Woche bei der Rembrandtschau im Frankfurter Städel tief empfunden hatte.
Doch hier geht‘s um zeitgenössische Kunst und da ist es schon so, daß sie uns oft viel abverlangt. Doch insbesondere die Künstlerinnen brachten es zuwege, daß ich nach zweistündigem intensiven Schauen dann auch noch Lust und Kraft hatte, zur gleichzeitig in der Schirn stattfindende Pressekonferenz zum Werk von Kara Walker – so ist das in Frankfurt leider oft, diese Gleichzeitigkeit – zu eilen, wo zwar die offizielle PK zu Ende war, aber ihre Gemälde, vor allem ihre Gouachen (links), all die feinen Zeichnungen noch besichtigt werden konnten, die bis 16. Januar zu sehen sind. Und schon wieder, besser: noch immer war ich voller Schwung, denn auch diese Werke gefielen mir gut, sehr gut sogar! Und ich habe Lust, sie mit einer der Künstlerinnen der B3 Ausstellung, die am 24. Oktober, also mit dem Ende der Buchmesse endet, zusammen zu besprechen.
Welche Idee, mag mancher glauben, wenn er hört und liest, daß KUNST nun in MY ZEIL zu sehen ist, dem Gebäude in Frankfurt, daß das Kaufen zum Selbstzweck erklärt und in seinen Geschäften, viele ausgesprochene Edelgeschäfte, den Konsumenten anspricht, doch, doch, Leute mit Geld, aber dann auch vorwiegend junge Leute, die sich vor allem im 4. Stock gütlich tun, seit dort ein Freßtempel eingerichtet wurde, mit Spezialitäten aus aller Welt. Daß dort auch die Kinokette ASTOR ihr Reich hat, weiß jeder in Frankfurt, der überhaupt ins Kino geht. Was er tun sollte. Dort im ASTOR finden auch die Kino-Vorstellungen statt, die B3 veranstaltet und auf die wir gesondert eingehen.
Bernd Kracke (rechts im Vordergrund mit Mantel), seit 2006 Präsident der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, Erfinder und Motor der B3 und in seinem früheren Hochschulleben Professor für Elektronische Medien, für Kunst sowie die Vernetzung analoger und digitaler Technologien im Kontext von Kunst und Gestaltung, begrüßte im dunklen Raum mit den vielfachen großen Bildschirmen, auf denen die Ausstellungsvideos liefen, und diesmal nicht nur das schreibende Gewerbe, sondern die anwesenden Künstler und die Studierenden, was wichtig ist, weil es einem von Neuem klar macht, hier geht es nicht in erster Linie um die schon international ‚durchgesetzten‘ Künstler, sondern wir sind sozusagen mitten dabei im Entstehen von künstlerischem Ausdruck junger Leute der Gegenwart. Und zwar derjenigen, die das bewegte Bild als Medium nutzen. Ja, stimmt, das sind vorwiegend Videos, aber welche Spezialformen es dabei gibt, das erfahren Sie auch. Dies findet unter dem Titel B3 TALENT FORUM das erste Mal statt.
Bernd Kracke ging dezidiert auf den Ort: MY ZEIL ein und stellte die Kunst-Ausstellungsräume im Haus, als eine der Möglichkeiten vor, die Stadtplaner in Angriff nehmen müssen, wollen sie die Innenstädte wieder lebendiger machen. Denn Corona hat ja nur auf einen Schlag das Problem auf den Tisch gelegt, das sich schon länger andeutete: daß die Innenstädte, hier die Zeil, ihre massive Anziehungskraft verloren haben und zur Verödung neigen. So ist auf der Zeil, die einem voll, nämlich voller Menschen vorkommt, dennoch heute ein Drittel weniger Betrieb als noch vor Jahren. Das wirkt sich natürlich auf den Handel aus, negativ aus.
Und so war es eine wirklich clevere Idee, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, wenigstens auf Zeit, indem leer stehende Geschäfte (teuflisch für den Handel) im MY ZEIL als Ausstellungsflächen für die Kunst (guter Beelzebub) der B3 zur Verfügung standen. Und wenn Sie lesen, wie oft ich jetzt MY ZEIL geschrieben habe, wo sonst halt Museum oder Messe steht, dann wissen Sie, daß die Idee wirklich clever ist. Und das für beide Seiten. Für das Kaufen, für die Geschäfte, ist das eine absolute Aufwertung, in ihren Reihen Kunst zu zeigen, es zieht auch weitere Leute an, wie umgekehrt, natürlich die Veranstalter hoffen, daß das ‚normale‘ Einkaufspublikum sich auch in die Kunsträume ‚verirrt‘. Wobei man dazu sagen muß, daß das schon einige Versuche wert ist, denn eine Umstellung, mit Kaufen auch Schauen und Kunsterleben zu verbinden, muß sich auch einüben.
Die Ansprache fand im Untergeschoß des, ja, des MY ZEIL statt, wo ein dunkler Riesenraum sehr viele große Bildschirme vereint. Wir sind hier im B3 Talent Forum+HessenLab, einem Laboratorium für das ganz Neue, hier veranstaltet von der hfg, der Hochschule für Gestaltung, Offenbach, der HESSENFILM und Medien, beide unterstellt dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst, dessen Führung, Ministerin Angela Dorn (links), anwesend war und die Ausführungen von Kracke weiterführte. Sehr engagiert und auf den Punkt gebracht. Ihr ist die Unternehmung an diesem Ort ein spannendes Experiment. Interantional dazu. Es ist auch schließlich ihr eigenes Metier, was hier mit den ausgestellten Werken als Ausweis einer anspruchsvollen, inhaltreichen Kulturpolitik an dem Pranger steht. Nein, so wollen wir der Ministerin nicht die Verantwortung für die Kunstwerke unterschieben, was sie aber angeht, ist einfach die Herstellung eines freien Klimas von künstlerischer Ausbildung und Ausprobieren und die Wertschätzung junger angehender Künstler, die zu einem Zeitpunkt ihre Arbeiten öffentlich ausstellen können, wo sie ja noch in der Phase des Ausprobierens sind, was übrigens in einem echten Künstlerleben nie zu Ende geht. Und die ministerielle Wertschätzung, die konnten die anwesenden Studierenden aus den Worten von Angela Dorn sehr gut heraushören. Die 21 Teilnehmer können wir hier unmöglich würdigen, mitsamt ihrer Mentoren und Workshopleitern, alles von Johannes Grenzfurthner aus Österreich als Moderator zusammengeführt, den wir übrigens im Mai schon einmal ausführlicher vorstellten.
FORTSETZUNG FOLGT
Fotos:
Titel: Angela Dorn, Bernd Kracke
Der schwungvollen Frau im Scherenschnitt von Kara Walker, ihrem Markenzeichen, schwarz schon vom Material her, wurde beim hastigen Fotografieren, leider der obere Kopf abgeschnitten. Vollständig zu besichtigen in der Ausstellung.
Das Gesamtbild zeigt die an der Ausstellung Beteiligten, in der Hauptsache Künstler und Künstlerinnen.
alle Fotos©Redaktion
Info:
www.b3biennale.de
Original sagt Brenner in den Krimis von Wolf Haas ohn Unterlaß: „Jetzt ist schon wieder was passiert!“ Wenn Sie ihn nicht kennen: lesen!