Die Ausstellung ‚G*tt w/m/d‘ des Bibelhauses Frankfurt passt zu der Ära in der Vielfalt und Diversität zur Bewusstheit gelangen
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das nun wieder entspricht und ergibt sich aus der Tatsache, dass das Gesicht der Menschheit sich auch immer mehr als vielgestaltiger und unterschiedlicher als bislang angenommen erweist.
Es betrifft, mit Marx gesagt, die innere Naturseite, während die äußere von natürlichen Lebensräumen und gesellschaftlichen Umständen innerviert und geprägt wird.
Religion und Entstehungserzählungen schlagen sich auf Münzen und in Figurinen nieder
Das wirkt sich auch auf unser Bild von G*tt und das Bild von seine*r inneren Seite aus, die kein letztes Sein aufweist. Sie ist ohne Anfang und Ende. Die Ausstellung bietet zu dem offenen Wesen der Gottnatur vielfach Anschauungsunterricht.
Das, was später zum Heiligen Land wurde - in das die Vorfahren irgendwann einmal gefahren sein mussten, wenn sie noch als gläubig gelten wollten -, war schon in frühgeschichtlicher (< 5000 Jahre) und späterhin in biblischer, schrift-religiöser Zeit ein bebender Hotspot, ein konkurrierend aus unterschiedlichen Quellen zusammengesetztes Konvolut zeitlich und regional bedingter Glaubens- und Überzeugungssysteme. Es bildeten sich Gegenden, aus denen heraus auch der neue Himmel und die neue Erde zum Projekt wurde. Dieses geheimnisvolle Land bildet eine Wurfholzform mit Kleinasien, Kanaan Syrien, Mesopotamien und Ägypten. Es scheint, als hätte diese Landschaft hinter einer überschaubaren Meereslinie auf geheimnisvolle Weise gewirkt.
Der aufschlussreiche Katalog der Ausstellung spricht zunächst von „Texte schreiben, Textilien weben“. Zur Dauerausstellung gehört auch das Beduinenzelt mit allem, was reingehört, welches Schulklassen in Beschlag nehmen dürfen, um sich in den zum Sujet erhobenen Weltteil einzufühlen. Auf einem Stück Ausstellungsboden ist auch ein Vierraumhaus der Eisenzeit I und II aufgezeichnet. Diese Grundform ist paradigmatisch.
Schamanismus und Fruchtbarkeit - Brust und Schoß
Die Priesterreligion darf eine*r erstmal beiseite tun, sobald die Begehung der Ausstellung startet. Vermeintlich nicht so heilige Personen und Gestalten, Zwischenwesen, Hermaphroditen, werden in keiner Weise diskriminiert. Es gib keine Ausschlüsse, wie Priester sie über Gläubige verhängen. Schamanen als Zwischenwesen werden für voll genommen. Erstaunlich wird es mit der eisenzeitlichen Figurine, die weibliche wie männliche Attribute aufweist. Damalige Menschen haben mehr in Vermittlungen gedacht. Warum also sollte nicht auch Gott Gestalten annehmen? Eva soll aus der Rippe von Adam erschaffen worden sein, aber Adam bleibt unweigerlich der, der von Gott geschaffen wurde und Eva ist die Endgeschaffene. Das wirkt auf Gott zurück. Das ist mehr als nur ein blasser Lichtschein über einem bislang als vertraut Angenommenen. Doppelgeschlechtlichkeit und Uneindeutigkeit des Wesenhaften ist der rote Faden der Ausstellung, aber ohne damit Sensation zu machen. Es handelt sich eben um die Vermitteltheit von bis dato meistens Geschiedenem.
Rechtfertigung auch der Übergeschlechtlichkeit
Das Einseitige ist nur Moment. Das ist nichts anderes als Hegel in praxi. Ohne zugleich weibliche und männliche Anteile gäbe es keine Kunst und keine Kultur. Die biblische Archäologie unternahm vermehrt Forschungen zu Diversität und Gender. Die Universität ist für diese Fragen mittlerweile durch und durch sensibilisiert. Aber die zum Hinhören aufgeschlossene Gesellschaft auch. Die Ausstellung vermag in ihrem Rahmen zu einem Erlebnis werden, das schon gemachte Annahmen anregt. Aber sie braucht schon einige Zeit, um ihr zu folgen, ohne hinsehendes Verweilen muss sie äußerlich bleiben.
Im ersten Buch Moses ist vermerkt: ‚G*tt...wird Dich segnen...mit Segen von Brust und Schoß‘. Im 5. Buch, neben einem Kultbild, steht: ‚Macht Euch kein Abbild eines männlichen und weiblichen Wesens‘. Und in Galater 3,28 steht geschrieben: ‚Alle, die ihr getauft seid, habt Christus [als Kleid] angezogen: hier gilt nicht mehr Jude oder Grieche, Sklave oder Freier, männlich oder weiblich; ihr seid alle eins in Christus‘. Dieser Elemente und Motive sind nicht wenige in der Ausstellung wahrzuznehmen. Auch Mode spielt seit jeher mit androgynen Formen, macht neue Sehgewohnheiten und hebt die Mode in neue Sphären.
Die Verehrung des Weiblich-Männlichen findet sich in Konstitution auf einem Skarabäus aus der Mittelbronzezeit (ca. 2200-1550 v. Chr.), wo die Scham der Göttin deutlich betont erscheint, die Brüste dagegen nicht abgebildet sind. Diese Uneindeutigkeit war älteren Kulturen offenbar natürlicher als den modernen. Merken dürfen sich die Interessierten auch Jaho und Anat (phönizisch), sowie Yahu und Jahwe. Kanaan war ein Großraum früher wechselseitiger Entwürfe. Kulturen sind gleichsam übereinander gelagert und unterirdisch vermittelt. In einer ausliegenden Bibel von 1483 ist Gott als Einheit von männlich/weiblich mindestens anempfohlen.
Es erscheint, schon aus vernünftigem Grund, angezeigt, sich nicht unbedingt und bedingungslos mit dem geburtlichen und zivilisatorisch anerzogenen Geschlecht zu identifizieren, auch um Pathologisierungen vorzubeugen. Aber der Männlichkeitswahn grassiert allüberall, etwas verspielter bloß im Sport. Die Bibel hat keinen dinglich-körperlichen Begriff von G*tt. So etwas wie eine Aufhebung der Homologie ist im hebräischen Sprachsinn auch bei Juden durchaus verzeichnet. Die unangenehmen Einsichten der Ausstellung betreffen Fälle etwa der Operation bei geburtlicher Zweigeschlechtlichkeit, mit vier Jahre Vorlauf. Das kann nur noch als Vergewaltigung bezeichnet werden. Die Behandlung der Genderfrage in ihren vielen Ausprägungen ist eine weitere Chance der Humanisierung des Menschen und die Ausstellung dient diesem Zweck - auch.
Nachtrag: beim Schreiben des Ausstellungstitels habe ich zuerst G*tt m/w/d geschrieben; unbewusst, einfach so. Das war eine Handlungsweise, die freudsche Einsichten bestätigt. Fraport sucht mittels Schaukästen der Ströer-Gruppe Personal für die Flugzeugabfertigung mit dem Zusatz w/m/d.
Fotos:
©: 1+3 Heinz Markert, 2 wikipedia.de
Info:
Ausstellung G*tt w/m/d, 'Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten', Bibelhaus, Bibelhaus Erlebnis Museum / Frankfurter Bibelgesellschaft e.V.
Metzlerstraße 19
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