1938. KUNST, KÜNSTLER, POLITIK im Jüdischen Museum Frankfurt, Teil 3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wir befinden uns bald 70 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges, der durch deutsche Schuld auch Deutschland in den Abgrund riß. Wenn jetzt – auf einmal und wieder auf einmal – Themen wie Nazi-Raubkunst und Restitution endlich überall Raum finden, bringt das Jüdische Museum einen Aspekt hinzu: Wie die deutsche Kultur durch die damalige Verfolgung jüdischer Künstler – Tod oder Exil - um ihre Kraft und Schönheit gebracht wurde.
Wir schreiben das deshalb so pointiert, weil viele Deutsche ihren jüdischen Mitbürgern gegenüber ein schlechtes Gewissen ob deren gewollter Auslöschung in deutschem Namen durch die Nationalsozialisten haben. Das soll auch bleiben. Aber deutsche Überlebende reflektieren wenig darüber, was ihnen selbst genommen wurde dadurch, daß jüdische Künstler - Bildende Kunst, Musik, Film, Theater, Literatur – aus dem gesellschaftlichen Leben Deutschlands eliminiert wurden. Diesen Kahlschlag kann man natürlich nur wahrnehmen, wenn überhaupt bekannt wird, wer außer den „Spitzenleuten“ wie z.B. Max Beckmann, Albert Einstein, Theodor W. Adorno, Thomas Mann ins Exil getrieben wurden oder den Tod fanden.
An diesem Punkt setzt die überfällige Ausstellung, nun 75 Jahre nach dem Ereignis, 1938. KUNST, KÜNSTLER, POLITIK an, die auf Grund der Idee und des Konzepts von Julia Voss von Eva Atlan in die Räume des Jüdischen Museums hineingezaubert wurde. Das Zaubern bezieht sich auf die Ausstellungsarchitektur von Tobias Rehberger mit David Berens und Bastian Wibranek. Da betreten Sie nämlich in den Räumen sozusagen schwankenden Boden. Das Feste wird Ihnen unter den Füßen weggezogen. Man geht ganz langsam und unsicher. Das haben die drei Ausstatter durch eine besondere Art des Teppichbodens, bzw. der Verlegung erreicht und im Nu stellt sich beim Besucher genau das Gefühl von Unsicherheit und keinen Halt zu finden, ein. Eine tolle Idee.
Im Jahr 1938 entschied sich auch für die letzten Euphemisten und Zögerer, daß die Nationalsozialisten Ernst machten mit ihrer Ankündigung der 'Gewinnung von Lebensraum' und gleichzeitiger Auslöschung von Juden. Am 12. März 1938 erfolgte unter Jubelrufen am Heldenplatz in Wien der Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich. Im Oktober besetzten deutsche Truppen das Sudetenland. Die Novemberpogrome betrafen dann in erster Linie jüdische Geschäftsleute, aber durch Verhaftungen und Deportierungen gleich unmittelbar alle hierzulande lebenden Juden und Jüdinnen.
Die Ausstellung, eine Kooperation des Jüdischen Museums und des Fritz Bauer Instituts, will nun am Kunstbetrieb aufzeigen, wie die Eliminierung von Juden im kulturellen und gesellschaftlichen Umfeld konkret mit welchen Folgen stattfand.Sie fragt danach, welche Künstler es traf und um welche Werke es ging. Selten kann man nämlich solche Vorgänge durch die Gegenstände selbst zum Sprechen bringen, durch die Werke der Künstler. Da diese in der ganzen Welt verstreut oder in Deutschland/Österreich versteckt blieben, wußte man lange gar nichts von ihnen. Sich auf die Suche danach zu machen, war also das eine. Fortsetzung folgt.
Bis 23. Februar 2014
Katalog:
1938. KUNST, KÜNSTLER, POLITIK, hrsg. von Raphael Gross, Eva Atlan, Julia Voss, Wallstein Verlag 2013
Der Katalog ist nicht nur für die Besucher der Ausstellung wichtig, sondern nützt jedem Leser, der sich tiefer mit der Materie beschäftigen und konkretes Geschehen der Nazizeit an Künstlerschicksalen und dem Kunstbetrieb nachvollziehen will.
Daß nach Vorwort, Grußwort und Einführung gleich LOTTE LASERSTEIN von Cara Schweitzer näher vorgestellt wird, entspricht dem Eindruck in der Ausstellung. Dort nämlich nimmt man diese hierzulande bis jetzt völlig unbekannte Künstlerin, die sich nach Schweden retten konnte und auch nach dem Krieg dort blieb, als die bedeutendste unter den Ausgestellten wahr und saugt sozusagen die Informationen über das schwedische Exil auf. Und sichtet die Bilder, von denen übrigens auch in der tollen Berliner Ausstellung BERLIN UND WIEN beeindruckende hingen, eine Ausstellung, die gerade in Berlin zu Ende ging und im Belvedere in Wien demnächst eröffnet.
Das schreiben wir sicher so herausgehoben, weil wir Lotte Laserstein nicht kannten im Gegensatz zur ebenfalls ausgestellten und ebenfalls hervorragenden Malerin Elfriede Lohse-Wächter, die auch von Cara Schweitzer porträtiert wird. Der Katalog, der eigentlich ein Sachbuch zum Thema ist, bringt in Essays aber auch Themen wie: „Die Arbeit des Jüdischen Kulturbundes“, „Ein bitterer Abschied, Georg Swarzenski, Städeldirektor von 1906 bis 1937“, „Kunsthandel 1938' oder – sehr interessant! - von Jörg Osterloh '„Verjudung“, „Zersetzung“, „Entartung“, „Kulturbolschewismus“. Eine Begriffsgeschichte'.