IMG 0509Die 59. Biennale in Venedig, Teil 1

Hanswerner Kruse & Hannah Wölfel

Venedig (Weltexpresso) - Am kommenden Wochenende beginnt in Venedig die 59. Biennale, eine der ältesten und größten Ausstellungen der Welt mit zeitgenössischen Kunst; durch Corona bedingt mit einem Jahr Verspätung. Die überfüllten Vorbesichtigungen mit vielen Promis, Kunstschaffenden und Presseleuten beginnen traditionsgemäß drei Tage vor dem Beginn der Biennale und sind bereits ihr erster Höhepunkt.

„Giar-di-ni“, rufen die Bootsführer oder „Arse-na-le!“ Endlich hören wir wieder diese wohlklingenden Namen venezianischer Orte, an denen die meisten der Attraktionen, Ausstellungen und Events des mehrmonatigen Kunstfestivals zu erleben sind. „The milk of dreams“, „Die Milch der Träume“, nannte Cecilia Alemani, die diesjährige Kuratorin, die größte Ausstellung auf der Biennale: 213 von ihr ausgewählte Künstlerinnen und Künstler aus 58 Ländern sind in der Halle in den Giardini und gut der Hälfte der Gebäude im Arsenale präsent.

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Bevor sich vorschnell wieder mal kritisches Geschrei zum Ausstellungstitel - nach einem Romantitel Leonora Carringtons (1917–2011) erhebt, muss man einfach nur durch die Hallen der alten Schiffswerft aus dem 16. Jahrhundert gehen. Zwischen überlebensgroßen figurativen Keramiktöpfen drängeln sich die ersten Besucher und Besucherinnen. Ein Saal ist teilweise mit gepresstem Torf aufgefüllt, der Treppen und Gerätschaften im Arsenale verschwinden lässt. Lebensgroße genähte Textilfiguren winden sich auf dem Boden oder tanzen auf einem Steg, gigantische Stoff- und Ledermasken starren von den Wänden. Dazwischen riesige fantastische farbenprächtige Gemälde und irgendwann kann man sich in einer Halle, mit einem unebenen Waldgelände, neben pummeligen Wollfiguren entspannen.

IMG 0547Man schreitet und schwebt durch die unterschiedlichen Träume der Kunstschaffenden, die Künstlerinnen sind übrigens in der Mehrzahl. Ihre surrealen, fantastischen oder magischen Erzählungen sind tatsächlich wie Milch, nährend aber nicht überdeutlich klar - sondern eben milchig. Der Titel der Ausstellung erschließt sich sehr, sehr sinnlich, man wird von der Fülle der Materialien, Farben, Themen und Ideen angenehm überwältigt.

Die surrealistische Künstlerin Carrington beschrieb in ihrem Buch eine magische Welt, in der das Leben durch das Prisma der Vorstellungskraft ständig neu erdacht wird. Es ist eine Welt, in der sich jeder verändern, transformieren, etwas oder jemand anderes werden kann.

Wie großartig ist das denn, Kunst in dieser Menge einfach mal wieder zu genießen, ohne sich gleichzeitig durch einen theoretischen oder moralischen Überbau quälen zu müssen?!

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Fotos:

(c) Hanswerner Kruse

Info:
Die 59. Biennale beginnt am Samstag den 23. April und dauert bis zum 27. November 2022. 
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