Hannah Wölfels Kunstwerke in der St. Michael-Kirche, Teil 1/4
Hanswerner Kruse
Schlüchtern (Weltexpresso) - Derzeit wird bis Ende 2022 die evangelische Stadtkirche restauriert und umgebaut. Dieser Renovation sollten zwei Kunstwerke zum Opfer fallen, welche die heimische Künstlerin Hannah Wölfel vor vielen Jahren in dem Gebäude schuf. Doch der Abriss konnte abgewendet werden, denn in den letzten Jahrzehnten sind sie selbst ein historischer Teil der Kirche geworden:
Zahlreiche Gläubige feierten Gottesdienste zwischen den Reliefs, heirateten dort, ließen ihre Kinder taufen oder verabschiedeten die Toten. Außerdem werden sich die Kunstwerke behutsam in die Umgestaltung der Kirche einfügen, wie unser Artikel in mehreren Teilen darlegen wird.
Vor gut einem Vierteljahrhundert, zum 800-jährigen Jubiläum des Schlüchterner Gotteshauses, besann sich die Gemeinde auf ihren Erzengel Michael. Seitdem trägt er seinen Namen im Titel St. Michael-Kirche. Nach einem Wettbewerb wurde die heimische Hannah Wölfel zur Gestaltung eines Kunstwerks mit dem Erzengel im Innenraum des Gebäudes beauftragt.
Nach einem Arbeitsjahr war es dann im März 1998 soweit, während des Festgottesdienstes wurde die Gestaltung der Gemeinde vorgestellt. In den Kinzigtal Nachrichten schrieb Doro Müller darüber poetische Zeilen: „Es war ein einziges Wogen und Flüstern und Rauschen. Die unsichtbaren Lichtwesen, die die Empore der Stadtkirche bevölkerten, ordneten den Faltenwurf ihrer Gewänder aus zarten Wolkengespinst, ließen ihre Heiligenscheine aufblinken und spreizten die flaumigen Flügel: Schließlich waren sie gekommen, um sich zwei neue Bildnisse von ihrem Bruder, dem Erzengel Michael anzusehen.“
Seine Bildnisse sieht man in Höhe des Altars an den Seitenwänden der Kirche. Links die aufwühlende, wilde Darstellung des kämpfenden Michaels, der mit dem Bösen - symbolisiert als Drache - ringt. Dann rechts, der natürlichen Blickrichtung folgend, die ruhige, fast meditative Symbolisierung Michaels als Seelenbegleiter.
„Wir haben es ja nicht so mit den Engeln“, sagte seinerzeit ein evangelischer Theologe dem Verfasser dieser Zeilen. Denn künstlerisch gestaltete Himmelsboten mit ihren Verkündigungen, Kämpfen oder Tröstungen, bringt man eher mit kleinen katholischen Kapellen oder prunkvollen Domen in Verbindung, als mit evangelischen Gotteshäusern.
Aber zurückhaltend und doch sich selbst behauptend, fügen sich die Schlichtheit der keramischen Halbreliefs mit der zarten Malerei und den sparsamen Mosaikarbeiten, in die protestantische Schmucklosigkeit der Stadtkirche. Die Motive und deren Form bilden, mit dem behutsamen Bezug zum Ort, eine leise jedoch deutliche Verflechtung. Deshalb werden sich diese Kunstwerke auch nach den aktuellen Umgestaltungen des Bauwerks behutsam integrieren.
Biografisches über Hannah Wölfel
Die 1957 geborene Künstlerin (Foto) studierte an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung und dem Frankfurter Städel. Bereits früh wandte sie sich der Bildhauerei mit Ton zu und eröffnete 1983 ihr eigenes Atelier in Schlüchtern, in dem sie sowohl kunstvolle Gebrauchskeramik und Skulpturen anbot, aber auch Aufträge für Wandgestaltungen, Brunnen und andere Baukeramik übernahm. Neben ihrer bildhauerischen Tätigkeit arbeitete sie als Kunst-Therapeutin und Pädagogin, Performancekünstlerin, Ausstellungsmacherin. Mit anderen Kunstschaffenden gründete sie 2010 das Schlüchterner KulturWerk und ist seit 2018 zweite Vorsitzende im Kunstverein Fulda.
Wird fortgesetzt!
Foto:
(c) Hanswerner Kruse
Info:
Der Text basiert auf der Rede von Hanswerner Kruse zur Vorstellung der Kunstwerke im März 1998