Hanswerner Kruse
Burghaun / Osthessen (Weltexpresso) - In ihrer aktuellen Ausstellung präsentiert die Galerie Liebau abstrakte Farbspiele von Andrea M. Varesco. Andreas Krämmer setzt dagegen figürliche Bronzeskulpturen, die er in kühnen Bewegungen erstarren ließ.
Betritt man die hellen Ausstellungsräume gerät man durch die Bilder Varescos geradezu in einen Farbrausch: Auf monochromen Leinwänden ist die glänzende Farbe dick aufgetragen, dadurch wirken die Objekte wie flache gläserne Reliefs. Gelbe, weiße, rote Lava scheint aus einer schwarzen Leinwand behutsam hervorzuquellen. Grau-weiße und dunkelrote Wolkenwesen wollen aus der bordeauxroten Leinwand sanft aufsteigen.
Varescos satte Acrylfarben sind sorgsam komponiert, fast möchte man sagen geformt. Um ein wildes Ineinanderlaufen zu verhindern, muss die Künstlerin sie auf waagerechte Leinwände auftragen und vorsichtig spachteln oder anders bearbeiten. So schafft sie kein obsessives Chaos, sondern sorgsam arrangierte, jedoch völlig gegenstandslose Gebilde: Ihr Thema ist die autonome, energiegeladene Farbe.
Man möchte diese dynamischen Arrangements nicht nur mit den Augen erspüren, sondern ebenfalls mit den Fingern betasten. Die Bewegungen in ihnen erlebt man geradezu körperlich. Auch wenn die Künstlerin ihre Arbeiten kühl kennzeichnet - etwa BO#14 (2022) - und fantasieanregende Titel vermeidet, kann man in ihnen geisterhafte Wesen, Monster, Gestalten in Bewegung erkennen.
Krämmers Bronzefiguren sind dagegen tatsächlich in ihren waghalsigen Posen eingefroren - und die meisten von ihnen gibt es wirklich: Tänzerinnen der Pina-Bausch-Compagnie sind von ihm verewigt. Etwa Regina Advento, die mutig auf einem Stuhl balanciert und im Moment des Sprungs vom Künstler festgehalten ist. Oder Shantala Shivalingappa, die sich auf dem Boden in einer Positur gerade noch im Gleichgewicht befindet. Irgendetwas wird gleich mit den Tanzenden passieren – sie halten einen Moment inne, dann werden sie aufgefangen oder aufspringen. Doch im von Krämer fixierten Kulminationspunkt, erreichen sie schwerelose Leichtigkeit.
Der Künstler ist durch den zeitgenössischen Tanz inspiriert. Seine Tänzerinnen sind nicht besonders groß, meist nur um die 60 Zentimeter hoch – aber sie füllen mit ihrer intensiven Präsenz die Galerieräume genauso wie Solotänzerinnen leere Bühnen. Für seine Plastiken fertigte er vorab zahlreiche Skizzen bewegter Körper, die er dann mit Ton formte und daraus Gießformen herstellte. Die ausgestellten Bronzeabgüsse sind auf 6 bis 25 Exemplare limitiert.
Besonders dominant ist Krämmers fast lebensgroße Bronzeskulptur „Ariadne“ (Foto links).
Inmitten des Farbrausches blickt sie, als nackte Weingöttin und Frau von Dionisios, entspannt durch die Glaswand zur Rhön. Ansonsten sind die Arbeiten, die zunächst extrem gegensätzlich wirken, durch ihre Dynamik verbunden. Des Künstlers Ballerinen könnten Varescos Bilder tanzen.
In der Vernissage erwähnte Günter Liebau einen wichtigen Aspekt: Die Fröhlichkeit und Frische der Bilder Varescos könne man als Barriere aufnehmen, gegen die schrecklichen Bilder, die wir zurzeit nicht aus dem Kopf bekommen. „Kunst muss nicht nur von Politik, Anklage und Schock bestimmt sein, sie darf auch einfach schön sein und guttun, in unseren verrückten Zeiten“, meinte er zu Krämmers Skulpturen.
Foto:
Hanswerner Kruse
Info:
„Krämmer und Varesco“ noch bis zum 30. Oktober in der Galerie Liebau, 36151 Burghaun, Rhönblickstr. 63, Öffnungszeiten Donnerstag bis sonntags 15 – 18 Uhr
www.galerie-liebau.de