nackterGroße Ausstellung GUIDO RENI. DER GÖTTLICHE im Frankfurter Städel bis 5. März 2023, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zu seinen Lebzeiten war Guido Reni (1575-1642) ein Malerstar des italienischen Barocks, der auf ganz Europa ausstrahlte, dessen Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphiken begehrt und teuer waren und von den Potentaten der Zeit, den kirchlichen, dem Adel und dem entstehenden Großbürgertum bestellt und bezahlt wurden.

Das war damals. Die Kunst lag nahe, sein Vater Musiker, auch seine Mutter war musikalisch und er wuchs mit vielen Instrumenten auf, wollte aber dennoch die Malerei studieren. Schon als Neunjähriger ging er beim Flamen Denys Calvaert in Bologna in die Lehre, wo er bis 1593 blieb. Der uns heute weithin unbekannte Flame war ein Spätmanierist - und beim Durchschreiten der Ausstellung im Städel kommt einem immer wieder einmal als Anflug die Einschätzung: ‚manieristisch‘ in den Sinn. In der Accademia der Carraccis setzte er seine Ausbildung fort, wobei er verschiedene Techniken erlernte wie den Kupferstich oder mit Terrakotta zu arbeiten. Dabei hatte er nicht nur mit den Malerbrüdern Annibale und Agostino Carracci zu tun, die sein Talent erkannten und förderten, sondern vor allem mit Lodovico Carracci, mit dem er zusammenarbeitete.

reni„Wenn wir heute relativ viel über das Leben Guido Renis wissen, so verdanken wir dies an erster Stelle der Akribie seines Landmannes und BiographenCarlos Cesare Malvasia. Der Autor der Vitensammlung Bologneser Künstler...hat Renis Biographie besonders ausführlich gestaltet“ und vor allem hat er auch die ihm negativ erscheinenden Seiten des Malers mitsamt charakterlicher Einschätzungen deutlich formuliert. So weiß man heute um das janusköpfige Verhalten des Künstlers, der fleißig mit ausgeprägtem Geschäftssinn des Tags Aufträge requirierte und sich mit heiligem Ernst seiner Tätigkeit widmete, malte, zeichnete etc. Doch des Abends, so heißt es, verjuxte er sein Geld in den Spelunken der Stadt, wo er vor allem herumzockte und bei Gewinnspielen sein Geld verlor.

Ganz deutlich spricht Malvasia auch über Renis tiefe Gläubigkeit, die ihn fähig machte, den Heiligen so viel Heiliges in ihre Abbildungen hineinzumalen, daß man bereits beim Betrachten seiner Gemälde selbst den Schauer des Himmlischen gespürt hätte , weshalb er ja auch schon zu Lebzeiten DER GÖTTLICHE genannt wurde in der Doppelbedeutung, daß er einerseits so viele religiöse Themen, die auf Gott und den Himmel Bezug nehmen, malte, dann aber auch, daß er dies in derartiger Qualität vermochte, daß er einfach göttlich arbeitete. Genau diese Eigenschaft war es dann wiederum, weshalb ihm die Nachwelt keine Kränze mehr wand. Denn so sehr der himmlische Blick, diese sehnsüchtig nach oben aufgeschlagenen Augen, die fast im Augapfel verschwinden – seit jeher üblich, von Rafael zur Meisterschaft gebracht und von jedem guten Maler jeder Epoche als Gestus beherrscht – eine künstlerische Meisterschaft ausdrücken, hat jedoch dieser himmlische Blick auch die Gefahr der Rührseligkeit, der Frömmlerei, auch Frömmelei, wir würden heute sagen: des Kitschs mit sich gebracht, wenn aus dem einzelnen Gemälde über tausendfache kleine Drucke das Sujet als Gebetsbucheinlage diente. Reproduktionskitsch.

Dennoch DER GÖTTLICHE. Diese Bezeichnung behagte ihm und er soll durchaus dünkelhaft und ‚divenhaft‘ gewesen sein, heißt es bei Malvasia. Und die Frauen? Diese Frage gehört bei jedem männlichen Künstler dazu. Eigentlich bleibt das eine Grauzone, was man weiß, ist die starke Mutterbindung, die ihn nach den Jahren in Rom (1600-1614) wieder an Mutters Herd brachte. Mit nachgewiesener Liebe, Liebeshändel und dergleichen kann ich nicht dienen. Er soll vor Frauen Angst gehabt haben. Das auch.

Für das Verständnis, daß er ab irgendwann unter den Radar geriet, ist es wichtig, auf die Geschmacksänderungen im 19. Jahrhundert hinzuweisen. Denn im 17. und auch im 18. Jahrhundert galt Reni als großer Meister und blieb bekannt. Das 19. Jahrhundert war nicht einheitlich, kam aber aus unterschiedlichen Ecken sozusagen zu gleicher Einschätzung. Als nach 1800 sich vorwiegend in Deutschland und Österreich die Nazarener als eine Gruppe von Künstlern etablierte, die nach Rom zogen, um dort an Ort und Stelle die Kunst derer zu studieren, die vor Raffael lebten, und in diesem Sinn Werke zu schaffen, was dann vor allem in England zur Bezeichnung der Präraffaeliten führte, ging diese neue Orientierung einher mit einer Abwertung der künstlerischen Beiträge nach Raffael, die Renaissance nahm man noch hin, aber Barock und erst recht Rokoko waren von gestern, übertrieben, unecht, gewollt, einfach abgewertet. Die Biedermeiermalerei übernahm dann

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts änderten sich nach der aufgekommenen Phase des Realismus vor allem in der Architektur eigentlich alles, denn mit der Entwicklung der Gesellschaft infolge von Frühkapitalismus und Kapitalismus gab es eine finanziell erfolgreiche Schicht, die für ihre Belange Wohnraum brauchte, die repräsentativen Bauten des Historismus entstanden, ein sonderbarer Stilmix aus vergangenen Baustilen war en vogue. Da gab es auch barocke Elemente, aber der reine Barock war ‚out‘. Und damit auch die barocke Malerei. Einige hielten sich, die Carraccibrüder kannte man weiter und Carravaggio wurde eigentlich in unseren Tagen wiederentdeckt, bei Guido Reni wird es jetzt für die Deutschen erneut versucht. Beide Male in Frankfurt am Main.

Fotos:
Christus an der Geißelsäule, frisch restauriert und im Besitz des Städel
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