mirjam„Vier Künstlerinnen – Ihr Werke, Ihre Wege“ im Jüdischen Museum Frankfurt bis 17. April 2023, Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ob das Absicht ist, daß nicht von jüdischen Künstlerinnen im Ausstellungstitel die Rede ist? Ob es langt, sie dadurch, daß sie im geräumigen und gut bespielbaren Untergeschoß in diesem neuen Bau gezeigt werden, als Jüdinnen zu kennzeichnen, statt nur als deutsche, als hessische, ja Frankfurter Künstlerinnen, was sie ja waren. Daß wir das heute tun müssen, sie als Jüdinnen mit zu denken, hat nicht mit ihrer Kunst und auch nicht mit ihren Wesen, sondern allein mit den Verbrechen der Nazis zu tun, denn zwei der vier wurden von ihnen ermordet.

Aber alle vier, auch die beiden Überlebenden, wurden durch die Verfolgungen aus der Bahn geworden. Bewundernswert, wie alle vier erst einmal mit dem Seckbach verehrungNaziterror umgehen konnten, geradezu erschütternd, wie eine von ihnen – AMALIE SECKBACH – noch im KZ Theresienstadt das dortige Margarinepapier so bearbeitet hatte, daß sie auf ihm zeichnen und malen konnte und unter ihrem Bett im KZ ihre Kunstwerke deponierte. Unfaßbar. Hier soll jede zu ihrem Recht kommen, denn künstlerisch waren die vier Frauen, die im Zeitraum 1870 bis 1896 geboren und von 1942 und 1944 – richtig, ermordet im KZ - , also von 1942 bis 1987 gestorben sind, völlig unterschiedlich unterwegs, obwohl in den Werke aller vier auch die differenten künstlerischen Zeitströmungen erkennbar sind und auch, wie sie sich selbst über die Jahre in ihrer Kunst entwickelt, verändert haben.


Wenn man staunend diese Ausstellung dann im Detail durchwandert, ist man hingerissen, welche neue Künstlerinnen man kennenlernt, welches Potential sichtbar wird, aber auch, welche Kunstmetropole Frankfurt am Main in diesen Wochen darstellt. Am Dienstag wurde im Frankfurter Städel die größte Werkschau, die der zu Lebzeiten hochberühmte sowie teure klassizistische Barockmaler aus Bologna je erlebte, eröffnet worden, kunsthistorisch eine Sensation. Am Mittwoch wurde im neuen Romantik-Museum eine kluge, hintersinnige, künstlerisch unterfütterte Ausstellung zum 200. Todestag von E.T.A. atlanHoffmann eröffnet, die intensiv eingeht auf sein letztes Werk MEISTER FLOH, das in Frankfurt spielt, wo er nie war, was er aber beschreibt, als sei er hier zu Hause gewesen. Eine exquisite Werkschau. Und dann am Donnerstag diese so ganz besondere Ausstellung von vier Frauen, die im Frankfurt der Dreißiger Jahre schon Berühmtheiten waren – was wir Nachgeborenen wieder herzustellen versuchen, was dank der Arbeit der Kuratorin Eva Atlan(rechts) und ihrem Team sowie stetigen Bemühen der Museumsdirektorin Mirjam Wenzel (Titelfoto) auch gelingt.


Uns sind alle drei Ausstellungen so eindrücklich, daß wir jeweils Serien dazu veröffentlichen, in denen verschiedene Aspekte der jeweiligen Ausstellung vertieft werden. Für diese Ausstellung heißt das, das jede der vier Künstlerinnen individuell beleuchtet wird, ihr Leben, ihr Sterben, ihre Kunst.




Fotos:
©Redaktion
Die Zeichnung ist von Amalie Seckbach, hat aber nichts mit KZs zu tun, obwohl die Korrespondenz des Ausdrucks und der Masse heute erschrecken läßt. Aber diese Zeichnung von 1935 und Bleistift auf Chinapapier ist ihm Gegenteil eine Hommage an den belgischen Künstler James Ensor (1860 Ostenende-1949 Ostende), der dem Thema der Masse der Menschen in der Neuzeit als erster den bildnerischen Ausdruck gab, den literarischen fügte Elias Canetti mit MASSE UND MACHT 1960 hinzu. Amalie Seckbach hatte Ensor in Ostende besucht,  wie sie sich überhaupt derart selbstbewußt  durch die Welt bewegt, daß. man staunt - und sich freut. Und dies als künstlerische Autodidaktin. Ensor hatte ihre Skulpturen bewundert und vorgeschlagen, eine gemeinsame Ausstellung zu organisieren. Das und noch mehr wird dann in den Einzelporträts der vier Künstlerinnen Eingang finden wie auch die Darstellung einer eigens für diese Ausstellung gefertigten Installation der zeitgenössischen Künstlerin Elianna Renner. 

Info:
Katalog: Eva Sabrina Atlan, Mirjam Wenzel (Hrsg.): „Zurück ins Licht. Vier Künstlerinnen – Ihre Werke . Ihre Wege“, Kerber Verlag 2022 (196 S.), ISBN 978 3 7356 0856 7