Hannah Wölfel
Kleinsassen/Rhön (Weltexpresso) - Im Studio der Kunststation hat Künstlerin Anne Kalb bereits ihre Ausstellung aufgebaut. Ein unglaubliches Sammelsurium ästhetischer Kleinkunst wartet jetzt auf die Besucher und Besucherinnen, die Vernissage ist am kommenden Sonntag. Dann kann man mit der kreativen Fuldaerin „Auf die Kunst und das Leben“, so der Titel, anstoßen.
Betritt man den Salon wähnt man sich im gemütlich-chaotischen Wohnzimmer der Künstlerin. Mittendrin hat sie ihren Arbeitsplatz aufgebaut, denn sie wird die meiste Zeit hier anwesend sein. Umgeben ist sie von zahllosen kleinen Bildern, Collagen, Tonmasken, Miniskulpturen und sonstigen fantastischen Dingen an Wänden, auf Tischen und in Regalen. Dazwischen hängt ein Teppich aus ihrer Wohnung, versehen mit einer Teekanne und anderen Alltagsgegenständen.
Kleine farbenfrohe Bierdeckel fallen
ins Auge und man muss einfach lachen: Da grüßt aus Fulda eine blonde Daisy Duck. Eine stilisierte Sonne lacht einen an. Längliche Untersetzer sind mit düsteren oder fröhlichen Figuren bemalt.
Diese Werke sind keine Kneipenkritzeleien, sondern bewusst gestaltete Deckel-Kunst. Zunächst werden die Pappscheiben weiß grundiert, dann beklebt und übermalt Kalb ihre kleinen „Leinwände“ oder zeichnet poetische, provozierende oder fein gestrichelte abstrakte Motive darauf. Auf etwas größeren Bildern betrachten gemalte Löwen eine Frau Holle im gepunkteten Kleid. Stilvoll gerahmt steckt eine Gabel in einem Plastikschwein. Von der Wand glotzt ein Roboter aus Elektro-Teilen.
Überhaupt Teile - Kalb hat eine Unmenge Skulpturen aus Kleinteilen zusammengebaut: Absonderliche Tiere, verrückte Wesen oder seltsame Männchen aus Fundstücken erwachen im Studio zum Leben
„Ich hebe was auf“, erzählt sie, „finde hier oder dort noch was und nehme es mit. Dann renne ich durch die Wohnung, weil ich weiß, irgendwo ist noch irgendetwas, das dazu passt.“ Kalbs Miniaturen und Bildnisse wirken mutig infantil und unendlich fantasievoll. Sie präsentiert rustikale oder zarte Kleinkunst, die freche Anschläge auf den teuren und abgehobenen Kunstbetrieb verübt. Die verfremdeten Bierfilze kann man direkt für fünf Euro bei der Künstlerin mitnehmen. Über den Preis der anderen Arbeiten, die man erst zum Ende der Ausstellung erhält, darf man mit ihr verhandeln.
Ihre Werke kann man Art Brut zuzuordnen, der ungestümen, wilden, antiakademischen Gestaltung durch Outsider. Doch die - auch sozialpolitisch engagierte - Künstlerin ist keine naive Außenseiterin, sondern sie weiß genau was sie macht. Denn mehr als ein Jahrzehnt lang restaurierte sie Kirchen und sanierte alte Gebäude, sie ist Gesellin für Malen und Lackieren, Technikerin für Bausanierung. Sie ist viel gereist, hat viel gesehen und führte ein bewegtes Leben, erfuhr aber auch reichlich Leid und Unheil. Doch der Humor ist ihr nicht abhandengekommen, ihre frühen Arbeiten galten manchen als düster. Aber heute kann und darf man über ihre Objekte lachen, die keineswegs gefällig sind, sondern auch herausfordern oder Rätsel aufgeben.
Wer ihre Werke nicht für „schön“ hält, sollte sich daran erinnern, was die Surrealisten vor 100 Jahren proklamierten: „Sie sind schön wie die zufällige Begegnung eines Regenschirmes mit einer Nähmaschine auf dem Seziertisch“ (Lautréamont).
Foto:
Hanswerner Kruse
Service:
„Auf die Kunst und das Leben“ Vernissage in der Kunststation Kleinsassen/Rhön am 7. Mai um 15 Uhr
Geöffnet bis 9. Juni, dienstags bis sonntags und an Feiertagen von 13 – 18 Uhr
Die übrigen Frühlingsausstellungen sind noch bis zum 4. Juni geöffnet.