Ermöglicht hat die Neuerwerbung derFördererkreis des Germanischen Nationalmuseums
Felicitas Schubert
Nürnberg (Weltexpresso) - Das ist schon eine kleine Sensation, weil Werke im Umfeld von z.B. Riemenschneider zu den Inkunabeln der Kunstgeschichte gehören, die ein Museum oder ein Privatmann nicht aus den Händen gibt,wenn er sie hat. Verkäufe einerseits, Neuerwebungen andererseits sind äußerst sellten und der Schwerpunkt liegt dann immer auf dem Erwerb, über den Verkäufer wird meist geschwiegen. Tilman Riemenschneider (um 1460 – 1531) gilt als der bedeutendste Bildschnitzer des Spätmittelalters.
Mit seiner Werkstatt belieferte er das gesamte fränkische Gebiet mit einer Vielzahl an Figuren und Altären, sein Ruhm strahlte weit über die Region hinaus. Der Fördererkreis des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg konnte nun eine Skulptur erwerben, die der Riemenschneider-Werkstatt zugeschrieben wird. Es handelt sich um einen „Auferstandenen Christus“ oder auch „Himmelfahrtschristus“ aus der Zeit um 1505/10.
Die Holzskulptur zeigt Christus als Auferstandenen auf einer Wolkenplinthe, die rechte Hand zum Segen erhoben. Mit der linken umfasste er ursprünglich eine Siegesfahne und raffte mit ihr zugleich seinen Mantel. Auffallend ist die Gestaltung der Füße, die von der Plinthe abzuheben scheinen. Sie geben Hinweis auf die ursprüngliche Funktion: Sehr wahrscheinlich handelt es sich um ein „handelndes Bildwerk“, das zum szenischen Nachspielen des biblischen Berichts von der Himmelfahrt Christi eingesetzt wurde. Dazu passt die Wolkenplinthe, die Riemenschneider ausschließlich für Bildwerke verwendete, die hängend präsentiert wurden. Alte, in Reihe gesetzte Nagellöcher auf der Figurenrückseite verweisen außerdem auf eine Hängevorrichtung, vermutlich mit einem Bandeisen, an dem der Christus entweder frei oder eingefasst von einer Mandorla befestigt war.
Vergleichbare Arbeiten von Tilman Riemenschneider oder seinem Umfeld befinden sich im Museum am Dom in Würzburg. Stilistische Merkmale lassen vermuten, dass die dortigen Figuren zeitlich nach dem für das Germanische Nationalmuseum neu erworbenen Himmelfahrtschristus entstanden. Die dank der Förderer mögliche Neuerwerbung darf damit als die früheste und qualitätvollste bislang bekannte Realisierung dieses Bildthemas aus der Riemenschneider-Werkstatt gelten.
Im Laufe der nächsten Monate wird die Skulptur im museumseigenen Institut für Kunsttechnik und Konservierung (IKK) untersucht, gereinigt und restauriert, um erstmals in der im Frühjahr 2025 wiedereröffnenden neukonzipierten Dauerausstellung zur Kunst des Spätmittelalters gezeigt zu werden. Zusätzlich zum Ankauf übernimmt der Fördererkreis auch die Finanzierung der Restaurierungsmaßnahmen.
Neben dem Himmelfahrtschristus besitzt das Germanische Nationalmuseum sieben weitere Skulpturen von Tilman Riemenschneider oder seiner Werkstatt. „Der Himmelfahrtschristus schließt eine Lücke in unserem Bestand“, freut sich Generaldirektor Prof. Dr. Daniel Hess. „Als „handelndes Bildwerk“ verdeutlicht die Figur einen für die spätmittelalterliche Liturgiepraxis wesentlichen Aspekt und ergänzt den für die Neuaufstellung vorgesehenen Themenbereich des „Bewegten Bildes“ auf das Beste.“ Es ist geplant, das Bildwerk in der neuen Dauerausstellung hängend zu präsentieren, um die ursprüngliche Zweckbestimmung als Himmelfahrtsfigur für Besucher*innen nachvollziehbar zu machen.
Fotos:
Auferstandener Christus (Himmelfahrtschristus) aus der Werkstatt Tilmann Riemenschneiders, um 1505/10
© GNM, Wibke Ottweiler