Schirn Presse Plastic World Ausstellungsansicht 06Die Ausstellung "Plastic World" in der Schirn

Hanswerner Kruse

Frankfurt (Weltexpresso) - Noch einmal machen wir auf die Schau aufmerksam. Bekanntlich ist die Schirn eine langgezogene Halle, die man in der Mitte betritt und sich nun entscheiden muss, ob man links oder rechts herum gehen will. Empfangen wird man zunächst von fröhlichen Objekten aus diversen Plastiksorten, wie den aufblasbaren „Nanas“ von Niki de Saint Phalle oder der hyperrealistischen Nackten, „Woman Leaning“, von John de Andrea.

Nur noch drei Wochen lang sind in der Ausstellung etwa 100 Arbeiten zeitgenössischer Kunstschaffender zum Thema „Plastic World“ zu erleben. Links herum, an einem Ende der Schau kann man die riesige traumartige Installation begehen, ein „Luft-Aquarium“, in dem gigantische Fabel-Meerestiere aus durchsichtigem Plastik unaufhörlich aufgeblasen werden. Zwei mächtige rote Seeanemonen-Sterne aus festerem rotem Kunststoff lassen zeitlupenhaft ihre Zacken hängen, erstarren und richten sie wieder auf (Foto oben). Die Künstlichkeit des Environments von Otto Piene orientiert sich an der Natur und entführt die Besucher in eine magische Unterwasserwelt, in der man - durchaus trocken - noch lange bleiben und meditieren möchte.

Plastic 1915

Am anderen Ende des Saales fasziniert Berta Fischers ausgedehnte skulpturale Farbwolke „Garmion“, die aus kleinen farbenfrohen Plättchen zusammengesetzt ist. Das Werk hängt an zarten Fäden von der Decke, wirkt federleicht und wirft wunderbare Schatten (Foto links). Auch am Schluss der Ausstellung verführt es zum Bleiben und Rumschlendern. Immer wieder entstehen beim Gehen um das schwebende Gebilde neue Aussichten und zarte Anmutungen: Ein wunderbares Erlebnis, das einem die Problematik des Materials vergessen lässt. „Verführerische Plastik“ heißt passenderweise dieser letzte Teil der Schau, in der sich weitere bezaubernde Arbeiten befinden.

„Plastic World“ bewegt sich in einem Spannungsfeld: Die Begeisterung der Pop-Artisten durch synthetische Materialien in den 1960er-Jahren ist ebenso zu spüren, wie die Lust späterer Kunstschaffender am Experiment mit plastischen Substanzen oder - bereits recht früh - ihr kritischer Umgang mit Plastikmüll. Auch viele Künstlerinnen fanden Gefallen an dem Werkstoff. 

Doch die Ausstellung betont nicht in erster Linie politisch-kritische Aspekte, sondern widmet sich der ästhetischen Nutzung und Erforschung von Plastik in der Bildenden Kunst. Im Mittelpunkt der Schau steht deshalb die künstlerische Gestaltung der Objekte in ihrem historischen Zusammenhang. Dabei sind in der kuratorischen Arbeit auch die negativen Aspekte von Kunststoff berücksichtigt - jedoch gleichzeitig werden Ästhetik und Faszination des Materials erlebbar. Diese Ambivalenz auszuhalten, ist wohl eine wichtige Botschaft der hervorragenden Frankfurter Inszenierung:

Daher die notwendige Triggerwarnung:
Plastikkritiker könnten von manchen Werken begeistert sein.



Foto:
„An Air Aquarium“ © Schirn Kunsthalle, Norbert Miguletz
„Garmion“ ©Hanswerner Kruse

Service 

„Plastic World“ mit Führungen noch bis zum 1. Oktober 2023 in der Frankfurter Schirn.
Ausführliche Rezension im Weltexpresso