Hendrick Goltzius und die manieristische Druckgrafik in Holland im Frankfurt Städel

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Vergänglich ist der Ruhm der Welt. Zu seiner Zeit (1582-1617) war Hendrick Goltzius als Künstler und Meister des Kupferstichs in ganz Europa bekannt, was heute nur noch für die Kunsthistoriker gilt, was aber bis zum 14. September Kurator Martin Sonnabend allen Besuchern der Ausstellung sichtbar macht.

 

Anschaulich schildert er, was die Stiche und Zeichnungen dann zeigen, wie eine - nach den anerkannten klassischen Proportionen der Renaissance - schon in der Hochrenaissance aufgeblähte Körperlichkeit Raum greift, wie diese Körper im Muskelspiel anschwellen, den figurenbetonten Manierismus erzeugen, von daher auch vorwiegend kraftstrotzende Männer abbildet und sogar „die Wolken Muskeln haben“, wie Museumsleiter Max Hollein hinzufügt – mit vollem Recht, wenn man sich dann das Blatt anschaut, eines der rund hundert Exponate, die alle ohne Ausnahme aus dem eigenen Bestand der Graphischen Sammlung des Städel stammen.

 

Wie das?, wäre die nächste Frage. Denn der Manierismus, heute als äußerst kunstvolle Form bewundert, das galt in Schüben frühestens seit 1900. Die Sammlungsbestände der manieristischen holländischen Druckgrafik rühren aber aus den Anfängen, als der spätere Mäzen und Namensgeber Städel schon ab 1770 diese Sammlung zusammentrug, im Verbund mit Druckgrafik von Lucas van Leyden und Albrecht Dürer. Letzterer hat dies Medium, das seine Frau tatkräftig auf den Märkten und Messen, auch der Frankfurter Messe, verkaufte, zu einem Kunstprodukt gemacht, das sich auch Herr Jedermann als Druck in die guten Stube hängen konnte.

 

Diese Möglichkeit war für die öffentliche Reputation wichtig, denn ein Gemälde kann nur einem gehören, die Druckgrafik dagegen machte durch mehrere Auflagen den Künstler weithin in Europa bekannt. Für Hendrick Goltzius auf jeden Fall gilt dies und hat eine der Grundlagen in seiner Ausbildung zum Kupferstecher. Während beispielsweise ein Marcantonio Raimondi, der die Reproduktion von Kunstwerken, beispielsweise Rafael, erst populär gemacht hatte, sich auf die Wiedergabe beschränkte, war Goltzius sein eigener Zeichner und Stecher, wie Dürer, der dazu auch noch sein eigenen Verleger wird.

 

Goltzius lernt bei Dirck Volkertszoon Coornhert, der zu seiner Zeit als Gelehrter eine europabekannte Figur ist. Sein Porträt empfängt uns im Ausstellungssaal, gewichtig und groß und noch in der alten Manier der großen Köpfe und Männer. Interessant dieses Blatt zu vergleichen mit dem von Jan Muller, wichtigster Schüler von Goltzius, der seinen Lehrer 1617-20 porträtiert. Über Karel van Mander, der mit seinem Schilder-Boeck für die Niederlande die kunsttheoretische und kunstarchivarische Funktion ausübt, die Vasari für die italienische, vor allem die Florentiner Malerei hat, wird Goltzius mit Bartholomäus Spranger (1546-1611) bekannt, der ab 1580 Hofmaler Kaiser Rudolf II. in Prag war. Spranger nun wiederum war durch seine Italienaufenthalte bekannt mit der neuesten 'manier'' der italienischen Kunst: dem Manierismus. Was Spranger malte, übertrug Goltzius in das druckgrafische Medium: inhaltlich waren das meist Allegorien, antike Figuren oder erotische Mythologie und biblische Geschichte.

 

Formal gelang es Goltzius mit dem Stichel die Linie zur Meisterschaft zu bringen und eine Eleganz (höfischer Stil), aber auch eine Plastizität zu gewinnen, die man für heutige Besucher vielleicht mit der technologischen Entwicklung vom Film zum 3 D Film charakterisieren könnte. Die sichtbaren Adern pulsieren, der Muskel schwillt an und ab, der Körper wird als Energiebündel präsentiert, der jederzeit explodieren könnte, auf jeden Fall die herkömmlichen Schwerkräfte leugnet. Das zeigen beispielsweise diese „Vier Stürzende“, vier muskelbepackte Männer, die so in der Luft liegen und Arme und Beine strecken, wie man seit der Antike denn Ikarus sah, was man aber - mit dem Fußballblick von heute – so bezeichnen möchte: sie üben oder vollstrecken den Fallrückzieher. Das Beispiel ist gar nicht schlecht. Denn Goltzius wäre der erste gewesen, der das reflektierende Auge des Betrachters geschätzt hätte. Ihm ging es gerade darum, daß unser Auge hinter die Fassade blickt und die Art und Weise der Prozedur mitsieht.

 

Insofern sind insbesondere mitdenkende Blicke gefordert, denn die Raffiniertheit der Komposition ergibt sich bei jedem Druck neu. Nur die Mittel sind verallgemeinerbar, aber bei jedem neuen Thema variiert. Darum gehört diese Ausstellung zu denen, die viel schwieriger darzustellen, als zu besichtigen ist. Dort wird man sehen, daß um 1590 etwas passiert. Goltzius fährt nach Italien. Dort sieht er im Original die Heroen seiner Zeit. Denen zeigt er es nun gewissermaßen und macht seinen eigenen Wettbewerb: er arbeitet nicht mehr zugespitzt manieristisch, sondern kann jeden der großen Künstler mit seinen eigenen Waffen schlagen, ob sie nun Dürer, Michelangelo, Raffael oder Pontormo heißen.

Foto: hier stürzt Phaeton

 

bis 14. September

 

P.S. Leider wieder kein Katalog. Dabei ist die Ausstellung von einer Qualität, die man gerne festgehalten hätte. Denn die früheren Kataloge der Graphischen Sammlung sind bis heute Ausweise der dortigen Arbeit und wichtige Dokumente zu den ausgestellten Künstlern.

 

www.staedelmuseum.de