biennale 301460. Biennale in Venedig (4) - Unser erster Tag

Hanswerner Kruse / Hannah Wölfel

Venedig (Weltexpresso) - Endlich stehen wir vor dem grellbemalten Ausstellunghaus der 60. Biennale, besuchten vorher einige Pavillons, sammeln erste Eindrücke. 

Das Wetter ist angenehm warm, unser Airbnb-Quartier ist nur fünf Minuten vom Eingang zu den Giardini entfernt.

Die gestrige Anreise mit vielen Verspätungen war schwierig, dann zeigte Google nur schludrig unser Ziel. Doch als wir etwas hilflos und müde wurden, trafen wir auf eine Kneipe mit einem wilden Fest. Junge Leute trommelten wie besessen, der Weißwein war lecker, wir konnten uns auf das hier und jetzt einlassen. Später fanden wir dann irgendwann die ziemlich schlampige Unterkunft.

Die ersten drei, vier Länderpavillons in den Giardini sind interessant, obwohl auch sie das umstrittene zentrale Ausstellungsthema „Foreigners Everywhere“ der Biennale aufgegriffen haben. Es geht nicht um „Kunst an sich“, sondern um Migration, Ausgrenzung, Behinderung, lokale Kunst. Aber nicht auf eine larmoyante oder anklagende Art, sondern im Vordergrund steht die ästhetische Auseinandersetzung mit diesen gesellschaftlich relevanten Themen.

biennale 2998Collagierte Landschaften mit darauf geschriebenen Geschichten. Ausgestorbene Pflanzen, nach denen sich menschliche Hände ausstrecken. In einem „Migranten-Garten“, verweisen lebensgroße Figuren auf antikolonialistische Frauen der Historie. Der spanische Pavillon inszeniert, weitgehend bewusst, recht museal die Pinacoteca Migrante, um die Geschichte der Migration exemplarisch künstlerisch darzustellen. 

biennale 3026Ihr Gebäude stellen die Niederländer einer Initiative aus dem Kongo zur Verfügung, die das einst von internationalen Konzernen geklaute Land für die Menschen und ihre Landwirtschaft zurückkauft. Finanziert wird das Projekt durch den Verkauf von 3-D-Drucken riesiger althergebrachter afrikanischer Objekte. Diese düsteren Skulpturen aus einheimischem Lehm sind spannend und wirken erstaunlich modern. Insgesamt hält sich in dem Pavillon die mächtige antikolonialistische Kritik und die traditionelle, mit modernen Mitteln erstellte Kunst die Waage.

Auffallend, dass die hochelaborierten Texte, etwa im KUNSTFORUM die politischen, gesellschaftskritischen, ja antikolonialistischen Aussagen so stark in den Vordergrund stellen. Dabei spielt die Unbestimmtheit, der unwägbare Rest dieser Kunstwerke und Projekte kaum eine Rolle. Doch es berühren uns Betrachter gerade diese Unschärfen, wir schätzen die Installationen diverser künstlerischer Mittel, um die Spannung zwischen politischer Aussage und ästhetischer Gestaltung für uns Besucher im Gleichgewicht zu halten.


biennale 3069Das ist auch im kleinen finnischen Pavillon so, hier werden keine larmoyanten Wehklagen für behinderte Menschen vorgetragen. Sondern die selbst behinderten Künstlerinnen gehen humorvoll und ironisch mit dem Thema um. In einem Video – unter einer medizinlastigen Skulptur – bewerfen behinderte Menschen die Ärzte mit Torten, Hunde lecken deren Kittel ab. Tortenwürfe waren die Quelle der modernen Comedy (sagte neulich Bodo Bach bei seinem Auftritt in Fulda).


Also unsere ersten Eindrücke in einigen Pavillons der Länder waren durchaus positiv. 

Noch mal zur Erinnerung: In den Arsenalen und den Giardini gibt es die Länderpavillons, die seit vielen Jahren ausgewählte Kunstschaffende aus den jeweiligen Nationen vorstellen. wird, ebenfalls an beiden Orten, die große zentrale Biennale-Ausstellung organisiert, die in diesem Jahr vom Brasilianer Adriano Pedrosa kuratiert wurde. Darüber werden wir noch berichten.

Wird fortgesetzt

Fotos:
Hanswerner Kruse / Hannah Wölfel