IMG 301160. Biennale in Venedig (6) 


Hanswerner Kruse / Hannah Wölfel

Venedig (Weltexpresso) - Eine Hommage an die in der Fremde gestorbene Giraffe Lenka. Riesige volkstümliche, bespielbare Figuren, die nach Venedig geschafft wurden. Redendes Obst... Wir bleiben in den Giardini und besprechen weiterhin einige Länderpavillons, die uns gefallen haben oder besonders originell sind.

 

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Der Pavillon der Tschechischen Republik empfängt uns der riesige, quasi symbolisch zerteilte Körper einer Giraffe. Was hier etwas blutrünstig und brutal klingt, ist natürlich nur die freundliche, vergrößerte Nacherschaffung der Giraffe Lenka (1953 - 1956), die als junge Kreatur in den Prager Zoo kam und dort nach nur zwei Jahren starb. Ihre weichen, riesig vergrößerten Körperteile sind wie Tunnel, die man begehen und in ihnen sitzen kann.



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Im Inneren der gepolsterten Höhlen kann man der menschlichen Beziehung zu Tieren nachfühlen. Aus den Wänden im Hintergrund werden von Kindern fantasierte Geschichten erzählt. Die Situation im Inneren der Giraffe ist entspannend und beruhigend - aber auch makaber und gruselig. 






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Die Belgier haben in Europa sieben Prozessionsriesen eingesammelt und über die Alpen - wie einst Hannibal seine Elefanten - transportiert. Aber sie werden in Venedig nicht ausgestellt oder zum Leben erweckt, sondern auf einem hohen Stahlgerüst angeordnet. Das Publikum kann sie von unten betrachten und sich vorstellen, in die kolossalen Figuren hineinzuschlüpfen.

„Petticoat Government“ heißt das Projekt, das noch im Fluss ist: Auf Paletten liegen große Bündel mit Zeitungen, die das Werk beschreiben und kommentieren. Ein Mitarbeiter faltet die Zeitungen, eine Mitarbeiterin kopiert die Kataloge. In einem Video agieren die Figuren: Frauenrechtlerin Babette aus Tourcoing in Aktion, die Gemüseriesin Nuje Patat oder den orangefarbenen Affen Mettecoe, der sich für Orang-Utans in Borneo engagiert (Foto ganz oben).




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Die Installationskünstlerin Yuko Mohri aus Japan, hat in ihrem Pavillon ein eigenartiges Gebilde aus Schüsseln, Eimern, Schläuchen, Regenschirmen und anderen Alltagsgegenständen geschaffen, die vom Dach hineinfließendes Wasser auffangen und weiterleiten. Dazu beeinflussen Früchte durch ihr Vertrocknen das elektrische Licht und erzeugen seltsame Geräusche: Sie „reden“ quasi mit den Besuchern... „Dekomposition“, also Auflösung, heißt der Titel dieser vieldeutigen Arbeit. 



IMG 3076Der Israelische Pavillon ist weiterhin geschlossen, weil Ruth Patir, die ihn bespielende Künstlerin, ihre Werke erst zeigen will, wenn die Hamas alle israelischen Geiseln frei lässt. Italienische Soldaten bewachen das Objekt, viele Leute sehen von außen die Videos der Künstlerin in den Schaufenstern. Anders als bei der documenta fifteen in Kassel, findet hier kein geduldeter Antisemitismus statt. Nur verschämt kleben auf wenigen palästinafreundlichen Objekten kleine Aufkleber: „Boykottiert den israelischen Pavillon!“ Eine dümmliche Aufforderung, denn der ist ja geschlossen. Und natürlich haben sich die Veranstalter durch einen Boykottaufruf gegen Israel, verfasst von Tausenden drittklassigen Kunstschaffenden, nicht beeinflussen oder erpressen lassen.

Es gibt immer wieder interessante Länderbeiträge, aber manche wirken einfach nur langweilig oder uninteressant: Im Koreanischen Pavillon reckt irgendwo versteckt eine Skulptur ihre Finger in die Luft. Großbritannien hat einen hohen poetischen Anspruch, aber die zahllosen Videobildschirme mit aktuellen Nachrichtenbildern wirken einfach nur nervig. Serbien demonstriert uns in seinem schmuddeligen Beitrag, dass sich der Eintritt nach Europa wohl nicht lohnt, weil alles von Coca-Cola, Lidl und anderen Konzernen bestimmt wird. 

IMG 3314Der gefeierte, von außen zugeschüttete Deutsche Pavillon, kann nur durch den Hintereingang betreten werden und verweist auf das Schicksal der ersten „Gastarbeiter“. Das wirkt bereits sehr eindrucksvoll.

Doch das zweistöckige Haus im Haus, in dem Ersan Mondtag die staubigen, gesundheitsschädlichen Arbeits- und Lebensbedingungen seines Vaters exemplarisch geißelt, wird nicht wie zur Eröffnung belebt. Kein Video zeigt die Performances von Schauspielern, die selten an Wochenenden live wiederholt werden.


Das ist genauso ärgerlich wie die hochgelobten Aktionen Anne Imhoffs vor fünf Jahren, die auch nur an den Weekends zu erleben waren.


Aber es gibt ja auch noch die Länderbeiträge in den Arsenalen und die zentrale Schau „Fremde überall“ mit über 300 Ausstellenden, von denen wir demnächst erzählen werden. 

Übrigens scheint den Antisemiten entgangen zu sein, dass die zweite Bespielerin des deutschen Pavillons, Yael Bartana, eine jüdische Multimediakünstlerin ist. So kann sie ihren Beitrag im Deutschen Pavillon entspannt ohne hasserfüllte Störungen präsentieren-

Wird fortgesetzt

Fotos
Hanswerner Kruse & Hannah Wölfel

Ausgiebige Fototouren und weitere Informationen 

Bisherige Berichte zur 60. Biennale im Weltexpresso