60. Biennale in Venedig (7)
Hanswerner Kruse / Hannah Wölfel
Venedig (Weltexpresso) - Im südafrikanischen Pavillon riecht es gut, im albanischen gibt es gemalte Pornos. Die Türkei präsentiert technisch-urbane Objekte, darüber hängen festliche Kronleuchter aus Stacheldraht. Luxemburg präsentiert eigenartige, senkrecht stehende Fahrzeuge.
Aber nicht alle Länderpavillons, von denen 24 auch in den Arsenalen vertreten sind, wirken auf uns so langweilig oder uninteressant wie die genannten.
Ein riesiges Labyrinth blattartiger Skulpturen füllt eine ganze Halle, die Ränder der Objekte sind geschwärzt und wirken wie verbrannt. Die Oberflächen sind bemalt oder beschriftet: „let me be“, fordert eine gekritzelte Frau oder „we are daring you again“, lautet eine andere Aufschrift.
Dazu ertönt ein kämpferischer „Battle Song“. Einer der eindrucksvollsten Beiträge dieser Biennale ist - wieder einmal - im saudi-arabischen Pavillon zu sehen, der in diesem Jahr von Manal Al Dowoyan gestaltet wurde.
Die mutige Künstlerin gehört zu den bekanntesten und kritischsten Künstlerinnen des Königreiches, das sich offensichtlich im Wandel befindet. Mit über tausend arabischen Frauen führte sie Workshops durch, in dem die Teilnehmerinnen mit Aussagen aus arabischen und internationalen Zeitungen über ihre vermeintliche Opferrolle konfrontiert wurden. Doch die Kraft und der Mut dieser Frauen ist in der Installation fühlbar, ohne dass man das aufwühlende Gesamtkunstwerk vollständig entschlüsseln oder intellektuell verstehen muss.
Dieser „unwägbare Rest“ der Kunstwerke, von dem einst Theodor W. Adorno sprach, findet sich auch in den Pavillons der Philippinen, des Senegals oder des Libanons.
Im philippinischen Saal mit seiner Theateratmosphäre, stehen riesige steinartige Gebilde, aus denen jeweils ein Blasinstrument ragt. Aus diesen lebenden Felsen ertönen Klänge, Waldgeräusche, Flüstern, vage Stimmen... Die Installation soll uns mit auf eine „imaginäre Reise“ nehmen, wünscht sich der Künstler Mark Salvatus, sie sei „eine Probe, ein Wunsch, der darauf wartet, Wirklichkeit zu werden.“
Im Pavillon von Senegal ist ein großes zerbrochenes Boot gestrandet. Im Hintergrund sind viele realistische, aber sehr verblasste Gemälde zu erkennen, in denen es um Migration, Sklaverei, Obdachlosigkeit oder staatliche Gewalt geht. Doch die Menschen auf den Stoffbildern sind kaum zu erkennen, fast gesichtslos. Sind es vage Erinnerungen, die Leute aus dem geräumten Boot hier hinterlassen haben? Oder liegen diese Unbilden noch vor ihnen? Auf jeden Fall wirken die zwei letzten Bilder mit buntem Markttreiben und einem Pärchen hoffnungsvoll. Kein postkoloniales Wehklagen ist zu spüren, wie häufig in den vorwurfsvoll überladenen Objekten weißer Kunstschaffender.
Das gilt auch für die großartige und fantastische Multi-Media-Installation der Künstlerin Mounira Al Solh im Beitrag des Libanons. Auch hier empfängt uns das Skelett eines großen Bootes, jedoch mit einem Pferdekopf. Auf die Segelleinwand werden Videos der Künstlerin projiziert. Von der Decke hängen ihre großen surrealen, halbrealistische Bilder. Auf einem kauert eine nackte Frau neben einen, auf dem Rücken liegenden Stier.
Die Künstlerin bezieht sich in ihrer Arbeit auf den Mythos um Europa: Der ja erzählt, wie Zeus sich in einen Stier verwandelt, die phönizische Prinzessin Europa entführt und sie nach Kreta bringt. Sie dreht das Geschehen einfach um und erzählt es aus weiblicher Perspektive „Ein Tanz mit dem Mythos“ (Titel). Auf einem Bild trägt Europa den Stier auf ihrem Rücken. Dazu symbolisieren ein Dutzend Masken jeweils einen Monat des Jahres. Mounira Al Solh wolle kein Drama erzählen, betont sie in einem Interview, sondern eine Hoffnung aufzeigen.
Wir könnten noch weitere interessante Pavillons besprechen, die durchaus unterschiedlich wahrgenommen werden. Aber in den nächsten Tagen widmen wir uns hier der zentralen Ausstellung.
Wird fortgesetzt!
Fotos:
© Hanswerner Kruse / Hannah Wölfel
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Bisherige Veröffentlichungen zur 60. Biennale im Weltexpresso