GERMAN POP in der Frankfurter Kunsthalle Schirn ab 6. NOVEMBER 2014

 

Roman Herzig

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Immer wieder sorgen die Frankfurter Kunstinstitute dafür, daß nach der Buchmesse kein Loch eintritt. Denn diesmal steht der Herbst im Zeichen des Pop. In einer großen Überblicksausstellung präsentiert die Schirn Kunsthalle Frankfurt ab dem 6. November 2014 bis zum 8. Februar 2015 erstmals ein breites Panorama der Pop Art in ihrer spezifisch deutschen Variante – ein bisher kaum beachtetes kunsthistorisches Phänomen.

 

 

Pop, der in Großbritannien und den USA seinen Anfang nimmt und sich dort rasch als gattungsübergreifende Universalkultur etabliert, erfährt in den 1960er Jahren in der noch jungen Bundesrepublik Deutschland eine originelle künstlerische Ausprägung. Die in Westdeutschland lebenden Künstlerinnen und Künstler wie Thomas Bayrle, Christa Dichgans, Karl Horst Hödicke, Konrad Klapheck, Ferdinand Kriwet, Uwe Lausen, Sigmar Polke oder Gerhard Richter setzen sich – im Gegensatz zum oft plakativen und glamourösen Vokabular ihrer angloamerikanischen Künstlerkollegen – in ihren Arbeiten mit den weniger grandiosen Banalitäten des deutschen Alltagslebens auseinander, ironisieren die kleinbürgerlichen Geschmacksideale und die beklemmende und trügerische Gemütlichkeit der 1960er Jahre.

 

Auf die Phase des Wirtschaftswunders folgt eine der politischen Aufarbeitung der damals jüngsten deutschen Vergangenheit. Prozesse der Demokratisierung finden auch in der Bildenden Kunst statt, ebenso wie die Suche nach einer neuen Identität und einer Neubestimmung des Kunstbegriffs.

 

 

Das Konzept der Ausstellung rekonstruiert die vier maßgeblichen Zentren der Pop Art in Deutschland: Düsseldorf, Berlin, München und Frankfurt am Main, woraus zu schließen ist, was am Anfang auch noch ausdrücklich benannt wurde, daß es um die alte Bundesrepublik geht, also Westdeutschland und leider keine Aussagen gemacht werden dazu, was zur gleichen Zeit oder etwas verzögert dann in der DDR passierte. Denn Kunst und Kunstentwicklungen haben es an sich, daß sie untergründig wuchern. In Westdeutschland also brachten diese Städte als Plattformen die Pop Art in ihrer Schlüsselphase als eigene großstädtische Kunstform zur Ausprägung.

 

German Pop“ vereint rund 140 Kunstwerke und Dokumentationsmaterialen von 32 Künstlerinnen und Künstlern, darunter sowohl inzwischen etablierte als auch längst vergessene und weitestgehend unbekannte Protagonisten der deutschen Pop Art. In der Ausstellung sind beeindruckende und überraschende Arbeiten zu sehen, die teils seit Jahrzehnten nicht mehr ausgestellt wurden, wie etwa die Skulpturen von Winfred Gaul, oder sogar noch nie öffentlich zugänglich waren, so u. a. einige Kunstwerke von Ludi Armbruster. Letztere ist zudem eine der wenigen Künstlerinnen, deren frühe Bilder und Grafiken aber bisher kaum in diesem Zusammenhang beachtet wurden.

 

German Pop“ versteht sich als Archäologie eines Jahrzehnts – den 1960er bis frühen 1970er Jahren –, die mit Gemälden, Objekten und Skulpturen, Filmen, Collagen und Grafiken eine Bestandsaufnahme der deutschen Pop Art leistet. Die jüngst abgeschlossenen umfangreichen Leihverhandlungen vor allem mit privaten Nachlässen und Sammlungen, aber auch mit zahlreichen bekannten Kunstinstitutionen wie dem Düsseldorfer Museum Kunstpalast, der Pinakothek der Moderne in München oder dem ZKM in Karlsruhe lassen dies möglich werden.

 

 

HINTERGRUNDINFORMATION

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German Pop“ wird gefördert durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain. Zusätzliche Unterstützung erfährt die Ausstellung von der Novomatic AG.

 

In Deutschland wird die Pop-Kultur zum Ausdrucksinstrument kultureller Differenz, die auf eine Abgrenzung zum eskapistischen Informel der Nachkriegsjahre ebenso zielt wie zum nationalsozialistischen Wertegefüge. Beginnend mit Konrad Klapheck, der als einer der ersten Künstler wieder Interesse für gegenständliche Malerei zeigt, entsteht in Düsseldorf 1963 im Geiste des Pop der „Kapitalistische Realismus“, mit Manfred Kuttner, Konrad Lueg, Sigmar Polke und Gerhard Richter. Daneben entwickelt sich die rheinische Szene mit den Künstlern HP Alvermann, Peter Brüning oder Winfred Gaul. In Westberlin stellen KP Brehmer, Karl-Horst Hödicke und Wolf Vostell in der Galerie René Block aus und begründen somit die Berliner Szene, der u. a. Christa Dichgans und Hermann Albert angehören.

 

In Frankfurt am Main interessieren sich Thomas Bayrle und Peter Roehr für die Serialität der massenreproduzierten Bilder, sie gelten heute als zwei der wegweisenden Vertreter der deutschen Pop Art. Pop ist eine Sache der Jugend und verbreitete sich zunächst in den Kunstakademien. Allumfassend in seinem Charakter beeinflusst der Pop auch bereits existierende Kunstbewegungen wie die Münchner Gruppen SPUR, WIR und GEFLECHT. Spätestens ab 1965 experimentieren in diesem Sinne Lothar Fischer, Heimrad Prem und Helmut Sturm mit Motivik und Ästhetik der Pop Art.

 

 

Jenseits einer „Coca-Kolonialisierung“ entwickeln die deutschen Künstlerinnen und Künstler eine spezifische Ausprägung der Pop-Art, die gleichsam auch einen Bruch mit der deutschen Hochkultur bedeutet: So wird die Formensprache einer Gartenlaube zu einem abstrakten Muster verarbeitet, Lockenwickler werden zu Skulpturen aus Ton und Bügelbretter zu bildwürdigen Motiven. Pop ist direkt und für jeden Betrachter unmittelbar zugänglich. Pop ist Alltag und reflektiert ihn, allem voran die kapitalistische Warenkultur und ihre Präsentationsformen. Die Werke der deutschen Pop Art kommentieren die Konsumkultur vor der eigenen Haustür.

 

 

INFO:

 

DIREKT, IRONISCH, LAUT: DIE SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT KONZIPIERT EINE UMFASSENDE UND ÜBERRASCHENDE AUSSTELLUNG ZUR DEUTSCHEN POP ART DER 1960ER JAHRE

 

Zur Ausstellung erscheint im Verlag der Buchhandlung Walther König ein umfassender Katalog (dt./engl.), herausgegeben von Martina Weinhart und Max Hollein mit Essays von Martina Weinhart, Selima Niggl, Dietmar Rübel sowie Interviews mit Thomas Bayrle und René Block.

 

ORT: SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT, Römerberg, D-60311 Frankfurt

DAUER: 6. November 2014 – 8. Februar 2015

 

INFORMATION: www.schirn.de