Gaál 7277Herbstausstellungen in der Kunststation Teil 1

Hanswerner Kruse & Hannah Wölfel

Kleinsassen/Rhön (Weltexpresso) – Vor einiger Zeit begannen in der Kleinsassener Kunststation die drei diesjährigen großen Herbstausstellungen. Unter dem selbst gewählten Titel „My Secret Garden“ bespielt die ungarische Künstlerin Kata Gaál in ihrer Schau einen Saal mit großformatigen Material- und Collagebildern.

 

Manchmal steht ihre Welt buchstäblich auf dem Kopf. Dunkle heruntergekommene Industriekomplexe. Graue unwirtliche Stadtlandschaften. Düstere Mauern mit Graffiti. Gegen diese urbane Tristesse setzt die Künstlerin kräftige, unwirkliche Farben – und sich selbst. Denn die häufig auftauchende blonde Frau auf vielen Werken könnte sie selbst sein. Doch die etwa Vierzigjährige kreiert keine narzisstischen Selbstdarstellungen, sondern ihre einsamen oder lebhaften Aktionen vermitteln Bewegung – am Abgrund gegen den Verfall. 

Gaál 7284Unverdrossen arbeitet Gaál hier an ihrer eigenen Welt, in „meinem geheimen Garten“, den sie auf den Objekten immer wieder der rauen Realität abtrotzt. „Der Welt kann man nicht entfliehen, aber im Rückzugsort des ‚Secret Garden‘ kann man mit Distanz klarer sehen, nachsinnen und individuelle Lösungen finden“, so Kuratorin Dr. Elisabeth Heil bei der Eröffnung.

Gaáls fast dreidimensionalen Bilder bestehen aus übereinander und nebeneinander geschichteten Stoffstücken, Textilien, gerissenen Papieren, Fotoresten und Zeichnungen auf Sperrholz. Ihre collagierten Welten muten durchaus realistisch an, doch gebrochen wird dieser Realismus oft durch gestalterische Details: Körperteile fallen aus dem Rahmen. Oder Kleider der dargestellten Frauen sind mit zahlreichen Stecknadeln gespickt. Dadurch entstehen eigenartige Linien in den Objekten und deren – mögliche! – ästhetische Gefälligkeit wird „durchstochen“.


Mit ihren gesellschaftskritischen Themen bewegt sich Gaál auf riskantem künstlerischem Terrain. Denn ihre Aussagen könnten allzu vordergründig und eindeutig werden. Ihre Bilder jedoch zeigen Spannung und Zerrissenheit, schaffen Irritationen, werfen Fragen auf – geben aber keine Antworten. So gelingt der Künstlerin die Gratwanderung zwischen Kritik und Kunst. Mit ihren assoziationsprovozierenden Arbeiten überlässt sie uns Betrachtern Freiräume für Fantasien und eigene Interpretationen. Doch sie lädt uns ebenfalls ein, sie auf ihren heimlichen Rückzugs- oder Sehnsuchtsorten zu begleiten. Mit diesen Arbeiten knüpft sie – ungewollt – an auf die soeben beendete Sommerausstellung der Kunststation, „Die Welt ist schön?!“

Gaál 7293Die wesentlich kleinere, zweite Werkgruppe der Künstlerin ist in ihrer gesellschaftlichen Kritik direkter. Collagierte und gemalte Kinder werden in Budapest – wie in Computerspielen – mit hölzernen Waffen zu Kindersoldaten. Oder grell dargestellte Frauen, deren Abbildungen die Titel „Priorisation“ (engl. Prioritäten setzen) tragen, erscheinen an öden urbanen Orten: Sie vernachlässigen ihre schreienden Kinder und scheinen auf der Suche nach einem besseren Leben. Aber kann es ein richtiges Leben im falschen geben – fragte bereits der Philosoph Theodor W. Adorno. Und mit dieser Frage entlässt uns Gaál dann auch in unsere Wirklichkeit.

Fotos
© Hanswerner Kruse

Service
Weitere Infos 
"My Secret Garden" und die übrigen Herbstausstellungen noch bis zum 23. November 2025.

Öffnungszeiten:
Sommerzeit: Di. – So. und Feiertage von 13 – 18 Uhr
Winterzeit: Do. – So. und Feiertage von 13 – 17 Uhr