
Sabine Zoller
Potsdam (Weltexpresso) - Mit insgesamt 115.758 Besucherinnen und Besuchern endete am Sonntag die Retrospektive Mit offenem Blick. Der Impressionist Pissarro im Museum Barberini. Die Ausstellung bot anhand von 108 Werken aus 53 internationalen Sammlungen einen umfassenden Überblick über das Gesamtwerk Camille Pissarros, einen der Gründungsväter des Impressionismus.
Ortrud Westheider, Direktorin des Museums Barberini, zieht laut Pressemitteilung ein positives Fazit der Ausstellung: „Es freut mich sehr, dass unsere Retrospektive so viele Besucherinnen und Besucher begeistern konnte. Pissarros leise Bildsprache und seine liebevoll beobachteten Details haben eine starke Resonanz ausgelöst – vielleicht gerade, weil sich ihre Tiefe oft erst auf den zweiten Blick offenbart. Mit seiner thematischen Vielfalt und einer Haltung voller Offenheit, Idealismus, Kollegialität und Experimentierfreude hat Pissarro nicht nur als Künstler beeindruckt, sondern auch als inspirierende Figur innerhalb des Impressionismus. Dass seine Bedeutung heute mehr denn je gewürdigt wird, zeigt der große Zuspruch zur Ausstellung und an unserem Vermittlungs- und Veranstaltungsprogramm.“
Camille Pissarro im Museum Barberini
Camille Pissarro (1830–1903) gilt als Vater des Impressionismus – eine Kunstströmung, die mit schnellen Pinselstrichen den Augenblick, das Licht und die Stimmung festhielt. Das Museum Barberini in Potsdam zeigt nun in Kooperation mit dem Denver Art Museum eine große Retrospektive, die mehr als 100 Werke aus über 50 internationalen Museen und Sammlungen vereint.
Pissarro wurde auf der Karibikinsel Saint Thomas geboren. Schon als Kind zeichnete er Palmen, Hafenszenen und das Alltagsleben der Menschen – Eindrücke, die ihn prägten. Früh erlebte er gesellschaftliche Umbrüche, etwa die Abschaffung der Sklaverei 1848, was sein späteres Ideal einer gerechten, freien Welt bestärkte. Mit Mitte zwanzig ging er nach Paris, studierte Malerei und schloss Freundschaften mit Claude Monet und Paul Cézanne. Gemeinsam mit ihnen stellte er sich gegen die damals herrschende akademische Malerei. Statt historischer Szenen wählten die jungen Künstler die Natur und das Alltagsleben als Motiv – der Beginn des Impressionismus.
Pissarro war der Älteste in der Gruppe, ein Vermittler und Lehrer, der die jungen Maler zusammenhielt. Cézanne nannte ihn ehrfürchtig „den alten Pissarro – wie einen Vater, wie den lieben Gott“. Seine Gemälde zeigen meist einfache Menschen bei der Feldarbeit, auf Märkten oder in Gärten. Dabei verlieh er den Szenen Würde und Schönheit. Später malte er auch die neuen Fabriken, die geschäftigen Boulevards von Paris und die pulsierenden Hafenstädte Nordfrankreichs. Immer ging es ihm um die Verbindung von Mensch, Natur und Zeitgeist.
Auch künstlerisch blieb er neugierig. Für einige Jahre experimentierte er mit dem Neo-Impressionismus von Georges Seurat und Paul Signac, die mit leuchtenden Farbtupfern arbeiteten, bevor er zu seinem eigenen Stil zurückkehrte. Bis ins hohe Alter suchte Pissarro nach neuen Ausdrucksformen, trotz gesundheitlicher Rückschläge.
Die Ausstellung im Barberini macht deutlich, wie vielseitig Pissarro war: ein weltoffener Beobachter, ein Lehrer und Freund für viele Künstler, ein Suchender zwischen Land, Stadt und Meer. Seine Bilder spiegeln die Sehnsucht nach einer gerechteren Welt und die Faszination für den Augenblick.
Am begleitenden Vermittlungs- und Veranstaltungsprogramm der Pissarro-Schau nahmen 13.144 Gäste teil. In den 15 Ausstellungswochen fanden rund 800 Führungen und Workshops statt. Ein besonderer Fokus lag auf dem jungen Publikum: Trotz der Ausstellungslaufzeit während der Sommerferien nutzten 3.739 Kinder, Jugendliche und Familien die insgesamt 227 Formate für Schulklassen und junge Besuchergruppen. Die Pissarro gewidmete Folge des ZEIT-Kunstpodcasts Augen zu wurde mit Giovanni di Lorenzo und Florian Illies live vor Publikum im Museum aufgenommen. Eine Lesung mit dem Schauspieler Jörg Hartmann widmete sich den Briefen Pissarros, ein Gesprächskonzert in Kooperation mit der Kammerakademie Potsdam beleuchtete musikalische Entwicklungen zwischen Romantik und Moderne im Kontext von Pissarros Werk.
Zahlreiche digitale Formate ermöglichen auf der Website des Museums auch nach Ausstellungsende einen vertieften Einblick in das Werk des Künstlers. Dazu gehören die multimediale Website Barberini Prolog, die neu konzipierte 360°-Ansicht der Ausstellung in Form eines 3D-Modells sowie eine Video-Interviewreihe mit internationalen Kunsthistorikerinnen und -historikern aus Deutschland, Frankreich und USA.
Ausgangspunkt der Schau bildeten je sieben Werke aus der Sammlung Hasso Plattner des Museums Barberini und der Sammlung des Denver Art Museum, dem Kooperationspartner der Schau. Neben dem Denver Art Museum konnten 17 weitere renommierte US-Museen als Leihgeber gewonnen werden, darunter das Art Institute of Chicago, das J. Paul Getty Museum, Los Angeles, die National Gallery, Washington, sowie das Metropolitan Museum of Art, New York. Weitere internationale Leihgeber waren unter anderem das Van Gogh Museum, Amsterdam, das Musée d’Orsay, Paris, Ordrupgaard, Kopenhagen, das Szépművészeti Múzeum, Budapest, das Courtauld Institute sowie die National Gallery, London, und die Gallery of Ontario, Toronto. Nach der Monet-Ausstellung im Jahr 2020 war die Pissarro-Retrospektive die zweite Kooperation des Museums Barberini mit dem Denver Art Museum.
Foto:Impression der Ausstellung
© Sebastian Bolesch