Doug Aitkens Film- und Soundarbeiten: Kunst als Therapie/Entlastung von Mechanei

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Arbeits- und Vorgehensweise der aktuellen Kunst richtet sich – wie könnte es anders sein – gegen die eingeschliffene Art der Wahrnehmungen und Vollzüge, die an den Alltagsprozessen und deren immergleicher Aufeinanderfolge und Wiederholung haften.

 

Die Mittel, die im kritisch eingestellten Prozess der Kunst gegen die eingespielte Wirklichkeit eingesetzt werden, ähneln bei oberflächlicher Betrachtung denjenigen, die darauf warteten, angegangen zu werden im Zeichen der Stillstellung und Beendigung der Mechanik des Immergleichen und Immerdesselben, auch wenn es 'wie neu!' und Heil und Errettung versprechend daherkommt. Vorbild einer Kunst, die sich gegen das blinde Getriebe richtet, ist die Maschinenstürmerei, die sich selbst des umgelenkten, umorganisierten Maschinenbetriebs bedient.

 

Wie wohltuend, dass bei sommerlichen Temperaturen die Museumsräume sich leicht unterkühlt anfühlen; das entspricht dem kühlen Gegenvollzug gegen das sich im Weltsystem andauernd Bewegende und Regende, das doch nur ein von äußeren Verhältnissen und Interessen Bewegtes ist - aber so keck daherkommt, dass es wie eine Symphonie oder ein Lied dahinfließen kann; gleichwohl ist es dazu verdammt, dereinst abgebrochen oder wenigstens einmal kurz und schmerzlich unterbrochen zu werden durch eine Art der Besinnung, durch ein Stoßgebet – denn es läuft leer.

 

Symptomatisch für den Prozess des unablässigen Unterwegsseins ohne zielgerichtetes, bewusstes Ankommen und ohne die Möglichkeit des Beisichseinkönnens, um sich selbst zu verständigen, sind Verkehrsknotenpunkte und Übergangsräume der Parkhäuser, Hotels und Verkehrsanlagen mit Anschlussmöglichkeiten an die vernetzte Erde, die Hyperverkehrskugel; aber es sind auch die vereinzelnden, hoch arbeitsteiligen Handgriffe an Produktionsstrecken in fast menschenleeren Fabriken, wobei die Fabrik auch direkt in die Haut der Erde gerichtet sein kann (mit Bergwerk und Abbau, wie am Schluss des Rundgangs zu finden).

 

Vereinzelung und Entfremdung in der Fabrik, eine Verkehrs- Umsteige- und Hoteleriemaschinerie ist Thema für Doug Aitken mit technisch hochwertigen, sorgsam entwickelten Installationen und Bewegtheiten - topographisch, kinematographisch, visuell, auditiv, horizontal wie vertikal -, die alle Sinne besetzen und fordern, aber doch zugleich Distanzierung, Abstand, gar Abwendung provozieren. Er setzt seine Maschinerie gegen die der Kunstferne. Man scheut sich hier, das näher in Bezug auf die Gegenständlichkeiten und Lebhaftigkeiten zu erläutern, die zum Einsatz kommen, denn das würde den Zauber der Situation und des Augenblicks untergraben und den Rundgang zum möglicherweise abgespulten Programm herabstufen.

 

Der Ausstellungsgang beginnt in der außen gelegenen Rotunde mit der Arbeit Sonic Fountain II. Sie erscheint wie ein Moment des geologischen Erdanfangs. Die erste Arbeit im Innern ist die Mehrkanal-Videoinstallation Song 1, ein innen begehbares Rundum-Großkaleidoskop.Diese Arbeit 'richtet den Blick auf das nächtliche Treiben in einer US-amerikanischen Großstadt...bestehend aus Arbeit, endlosen Autofahrten und der Suche nach menschlichem Kontakt...'. Die zweite große Videoinstallation ist Black Mirror. In deren spiegelnder Herrichtung 'thematisiert Aitken das nomadische Reisen einer jungen Frau, die gefangen ist in einem Kreislauf...der modernen Zivilisation...'. Die Arbeit versinnbildlicht einen Prozess, der ad infinitum gerichtet ist. Die Arbeit migration (empire) mit drei großen hintereinander aufgestellten 'Billboardscreens', 'beschreibt den Zustand, überall, aber letztlich nirgendwo zu sein, indem er die Handlung in Motel-Zimmer außerhalb der Metropolen verlegt'. Diese Arbeit ist gleichsam ikonographisch die verblüffendste, weil sie die gelungenste Fusion von Meinendem (Kunst) und Gemeintem (der Wirklichkeit dahinter) darstellt. Menschen wurden ausgelassen, haben ihren Platzhalter. Am Ende steht das Werk diamond sea, die erste Mehrkanal-Videoinstallation des Künstlers aus dem Jahr 1997. Die unberührte Natur der Hochglanzaufnahmen wirkt hier nur noch als Abziehbild, die Bilder verfallender Altanlagen der Diamanten-Minen in der Namib zeigen tosend eine aufgerippte Erdoberfläche. Zu finden sind in einem weiteren Bereich auch eine Auswahl an Skulpturen des Künstlers für das abgespannte, ruhendere Auge.

 

Die Film- und Soundarbeiten sind alle begehbar. Sie sind landschaftlich konzipiert.

 

Info:

Doug Aitken · Schirn Kunsthalle Frankfurt, Römerberg, 069/2998820 Di 10-19 Uhr, Mi/Do 10-22 Uhr, Fr-So 10-19 Uhr, 9. Juli – 27. September 2015