Mörfelden bietet Kunst in einem Park auch für den kleinen Spaziergang
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Aber dennoch: Kunst bleibt Kunst. Der Gang ist nichts für das Konzept des 'So nebenbei mal absolviert'. Er eignet sich aber vorzüglich für den kleinen Ausstieg aus dem 'Transit', in dem wie uns befinden, gegebenenfalls am Sonntagnachmittag und er ist gut - und entspannt - mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zu erreichen. Ob heiß oder kalt und regnerisch der Tag sich anläßt, es bleibt sich gleich.
Gezeigt werden in Mörfelden, im Süden Frankfurts, Skulptur und Objektkunst von 12 bildenden Künstlerinnen und Künstlern, fünf Wochen lang. Es bleiben noch 14 Tage (bis 6. September 11.00 Uhr/Finissage).
Zwar war für die Teilnahme kein Thema oder Kriterium gestellt, doch kam es, abgesehen von Stahl und Bronze, Holz, Keramik und Stein, doch auch zur figurierenden Anwendung ungewöhnlicherer Materialien wie Bambus, Beton, Nylonstrumpfhosen und Schnittlauch.
Werke können in einer Besprechung, die zum Selbst-Sehen und Selbst-Erfahren anregen möchte, mit den wenigen, vielleicht auch nicht immer ganz zuständigen Worten keine unzweifelhaft treffende Umschreibung erfahren. Mehr sind es überraschende Auslegungen, auf die es ankommt: ganz andere Verkörperungen, Durchbrechungen des 'normal' Erwartbaren, anders-wissenschaftliche Umsetzungen und Übertragungen, eben die spannend 'kunstseitigen' Interpretationen des Ideellen und Konzeptionellen, das Repräsentieren von allgemeinen menschlichen und natürlichen Zuständen, auch in Mythengestalten. Hinzu kommt die Wahl des Materials und die Art seiner Bearbeitung.
Mit einigen wenigen stellvertretenden Titelangaben wäre schon Andeutung möglich, etwa mit:: Schreiten, Pendulum II, Moving Columns, Protis I+II, Abtauchen, Dampfgetriebenes U-Boot „freie Bahn“, Philemon und Baucis II usw.
Die Erwartungen, auch was das umgeschaffen Stoffliche betrifft, bricht am meisten und übersteigt das ausgestellte Werk von Emilia Neumann mit den beiden 'Protisten'. Kunst wäre nicht Kunst, wenn sie nicht auch in Natur zurückvermitteln, bedingter Weise in sie zurückverlegen und wieder aus ihr entstehen lassen würde, wobei die Kunst die willentliche Hand der Künstlerin verabreicht bekommt, als Akt des Eingriffs und der Setzung von Bedingung, Nachbearbeitung eingeschlossen. Dann entsteht eine Natur zweiten bzw. höheren Grades.
Die Protisten bestehen aus weißem Stahlbeton, der mit lichtechten Pigmenten gleichsam oszilliert. Durch Polieren des jeweiligen 'Prototyps' wurde Hochglanzfläche erzeugt. Aber auch das teilweise Hineinsehen in die Innenstruktur des Protisten gehört zum besonderen Typ dieser prächtigen Gebilde. Die Pressemappe legt dar: 'Die Grundform ist eiförmig angelehnt und von weitem als dieses erfassbar, steht man jedoch davor, verliert man sich in einem Meer aus Details und Farbe'.
Entscheidend also, dass die Natur beim Schaffen und Entstehen irgendwie mitgewirkt hat und das Endergebnis nicht ganz oder nicht sehr kalkulierbar war. Auch das über den Stein mit den Augen fühlen ist nachher nicht im voraus kalkulierbar. 'Nach Neumann braucht der Mensch heute erfahrbare Sinnesebenen, um sich in der gebotenen Vielfalt nicht zu verlieren'.
Die immer auch für Überraschung sorgenden Themenbehandlungen der anderen Werke ermöglichen hier und da auch ein gezieltes An- und Zugreifen, ein bestimmtes Bewegen der Werke, z.B. mit den beiden Objekten von Jürgen Heinz. Diese Möglichkeit gehört hier mit zum Erkunden und Erfahren. Doch Vorsicht, filigrane Arbeiten wie 'Gelassenheit II' sagen einem doch sogleich: Noli me tangere! Und wenn doch, dann nur mit dem ganz spitzen Finger.
Andererseits: das dampfgetriebene U-Boot aus Stamm (und weiterem) kann besetzbar gemacht werden und ist wohl auch so gedacht. Wer aber zum Kunstwerk tritt, hält sich eher zurück mit taktilem Zugriff, aus Achtung. Der Rundgang durch die Parknatur mit sehr integrierter Kunst deutet auch an, dass Kunst und Natur wie auch Mensch und Zivilisation versöhnbar sein könnten. Also alle miteinander. Aber das dauert noch. Kunst findet sich hier am Ort auch zwischen Bäume gespannt. Dieses Werk braucht eigentlich ein zweites Hinsehen nach zeitlichem Abstand. Kunst in Natur ist der Vorgriff auf einen milderen Dämon, der Zeit anders definiert, um ein wenig mit Nietzsche hinzuzukommen..
Vertreten sind: Beate Debus mit „Schreiten, 2014“ und „Gegenläufiger Tanz, 2014“, Reinhard Grütz mit „Fraktale Säule II/7“ und ICOSAEDER CrNi 125“, Guido Häfner mit „Archetypischer Kopf I“, Jürgen Heinz mit „Moving Columns, Moving Sculpture, 2014“ und „Pendelum II, 2013“, Ingrid Hornef mit „Mikado“, Yoonsun Kim mit „Gelassenheit II, 2015 und „ohneTitel, 2015“, Edeltraut Klement mit „Du hast in Dir den Himmel und die Erde“, 2014/15“, Emilia Neumann mit „Protist I + II, 2015), Monika Ortmann mit „Welcome to the Magic Ballroom, Installation, 2015“, Thomas Putze mit „Dampfgetriebenes U-Boot „freie Bahn“, Karl Manfred Rennertz mit „Philemon und Baucis II, 2013“, A.Vietz mit „Fliegerschatten in Blüthe, 2014“, IB-Behindertenhilfe FFM (Atelier Eastend) mit „Frühling“, „Kaskaden Brunnen“, „Bunte Welt“, „Vielfalt des Lebens“, Marion Dörre mit „Abtauchen“.
Info:
18. Skulpturenpark, 2.8. bis 6.9.2015, Parkanlage am Bürgerhaus Mörfelden, Blumenstraße/Ecke Parkstraße
Anreise: am entspanntesten mit der S7 bis Mörfelden. Von der westlichen Ausstiegsseite ausgehend: den Weg entlang des Bahndamms laufen. Die erste, nahe gelegene Unterführung links liegen lassen. Dann Weg entlang des Bahndamms weitergehen (ca.8 Minuten). Daraufhin die zur Linken liegende Unterführung durchgehen und in den gleich am Ausgang gelegenen Kreisel eindrehen. Die Straße halblinks weiterlaufen. Bald nach dem Kreisel taucht zur Rechten schon das Banner auf, das zum Skulpturenpark weist.
Foto: (c) Heinz Markert