Serie: Erkenntnisse in der großen Dürerausstellung im Nürnberger Germanischen Nationalmuseum, Teil 2/4
Claudia Schulmerich
Nürnberg (Weltexpresso) - Galt bisher Michael Wolgemut, in dessen Werkstatt der junge Albrecht - die Lehre als Goldschmied hatte er schon bei seinem europaweit bekannten Vater nach fünf Jahren 1486 abgeschlossen – Ende 1486 als Malerlehrling eintrat, als Initiator seiner Malweise, so erfährt man hier, daß Wolgemut selbst die Werkstatt einst von Hans Pleydenwurff übernommen hatte.
Betrachtet man nämlich dann Pleydenwurffs KREUZABNAHME CHRISTI aus dem Jahr 1462, also neun Jahre vor Albrechts Dürers Geburt, weiß man Vielerlei gleichzeitig. Bei diesem Bild blicken wir auf ein wirkliches Vorbild für Dürer und dieser Pleydenwurff hat seine frühen Niederländer, die Dürer dann auf seiner Gesellenwanderschaft in die Niederlande im Detail studiert und von ihnen lernt, genau gekannt: die Verwandtschaft im Bildpersonal mit den Kreuzabnahmen von Rogier van der Weyden ist nicht zu übersehen, so ähnlich sehen sich Johannes und selbst die Mutter Maria. Übermittelt wurde dies vom verehrten Lehrer Wolgemut, bei dem Dürers Lehre bis Ende 1489 dauerte.
Wir sind auf dem Weg durch die Ausstellung immer wieder in Gefahr, uns den hervorragenden Werken allein zu überlassen. Wichtig bleibt aber, welche neuen Erkenntnisse die sechseinhalbjährige Forschungsarbeit zu einzelnen Bildern erbrachte. So mußte das bisherige Opus 1 zur Nummer 2 befördert werden. Bisher galt nämlich das Bildnis seiner Mutter Barbara um 1490 als Abschluß seiner Lehre und als erstes selbständiges Gemälde. Der geisteswissenschaftliche Forschungsansatz arbeitet mit allen Mitteln moderner Gemäldetechnologie und hat dadurch das Bildnis des Vaters, ebenfalls um 1490, als das frühere Werk identifizieren können und müssen!
Denn unter dem heute leicht olivgrünen Hintergrund des Vaterbildnisses – herrlich gemalt und aus den Uffizien gekommen, und erstmals wieder mit seiner Frau, die im Nürnberger Museum verblieb, vereint - , sind der traditionelle Fensterausblick der Niederländer und der Italiener mittels Infrarot gut zu erkennen, was uns heute darüber aufklärt, daß sich der Künstler noch im Überlegungsprozeß seiner Bildfindung befand und die schon ausgeführten Vorlagen im Hintergrund lieber homogen mit Grünem übermalte, während das Pendant: die Mutter gleich mit diesem Grün hinterfangen wurde. Das erklärt auch, warum die einanderzugewandten Eltern die ‚falsche’ Ordnung haben. Die Mutter links und der Vater rechts. Die linke Person ist aber die Wichtigere, also rechts vom Bilde aus, wo dann immer der Mann Platz fand. Wahrscheinlich ist, daß das Vaterbildnis als Solo angelegt war, dann aber zusammen mit der Mutter als Diptychon zum Elternkonterfei wurde.
Man kann dazu einwenden, das sei für einen Museumsbesucher doch nicht so wichtig. Das Bild allein spräche für sich. Das stimmt jedoch nicht, denn diese Ausstellung verhilft uns Museumsbesuchern durch solche Erkenntnisse und Weitergaben zu einem forschenden Blick, der in das Bild hineinfragt und mit Hilfe der wissenschaftlichen Erkenntnisse unseren eigenen Blick schärfen hilft. Was diese Ausstellung wirklich will, uns diesen Albrecht Dürer aus den Augen seiner Zeitgenossen vorzustellen, setzt dennoch sehr viel mehr Kenntnisse voraus, die vor allem der gesellschaftlichen und künstlerischen Umbruchsituation der Renaissance und der Situation seiner Heimatstadt Nürnberg gilt. Aber auch hierin leistet diese Kunstausstellung Erstaunliches. Fortsetzung folgt.
Bis 2. September 2012
www.gnm.de/der-fruehe-duerer
Katalog: DER FRÜHE DÜRER, hrsg. von Daniel Hess und Thomas Eser, Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2012. Ein Katalog, der genauso sinnvoll gegliedert ist wie die Ausstellung und zudem noch – bei aller Kompaktheit der 603 Seiten – lesefreundlich ist, weil das Schriftbild gut lesbar und differenziert mal die Abbildungen als Illustration nutzen, mal die Katalognummern das Bild durch größeren Abdruck herausheben und den entsprechenden Text mit den Bilddaten und Provenienz sowie Literatur nur klein am Rand abdrucken.
Beides entspricht den unterschiedlichen Erfordernissen von Essays – insgesamt achtzehn – und dem Katalogteil, der den vier Sektionen der Ausstellung folgt: DAS ICH UND SEINE NEUEN MEDIEN, ABMACHEN UND NEUMACHEN,‘GWALTIGE KUNST‘. DÜRER ALS DRAMATIKER, WAS IST KUNST? Dies Buch ist also einerseits ein getreulicher Führer durch die Ausstellung und bringt die Ideen, die die Hängung beeinflußten, auch im Wort zur Sprache. Andererseits ist es so anschaulich gestaltet, daß auch derjenige, der nicht nach Nürnberg kommt, einen Eindruck von dem bekommt, worum es den Ausstellungsmachern ging. Die Essays zudem sind mit vielen Zwischenüberschriften und eben dokumentiertem Bildmaterial nicht auf wissenschaftliche Länge, sondern pointierte und verständliche Vermittlung gerichtet.
Besonders erwähnt werden muß der Anhang, in dem Thomas Eser „Materialien für eine Dürer-Matrix von 1471 bis 1505“ liefert, wo vertikal die Daten stehen und horizontal das Ereignis, die Quelle, Belege und Literatur sowie Evidenz eingetragen sind: Als Beispiel: links ist eingetragen: „21.5.1471, etwa 10 Uhr vormittags“, dann folgt horizontal „Geburt und Geburtsdatum, Taufpate“, sodann werden die Quellen angegeben, die ältesten historischen Belege aufgeführt, die entsprechende Literatur angeführt und zur Evidenz vermerkt: „Sicher.“
Letzteres heißt dann bei anderen Ereignissen „sehr spekulativ“, „Plausibel, aber nicht gesichert“, „unklar“…Uns hat diese Matrix auf den Seite 536 bis 552 so elektrisiert, daß wir sie regelrecht studierten, darüber aber dann die Bilder vergaßen.
Ähnlich ging es uns dann mit DÜRERS NACHBARSCHAFT, die Sebastian Gulden kommentiert. Aus dem „Prospekt der Reichsstadt Nürnberg“ von Hieronymus Braun, Nürnberg 1608 hat Gulden die Burgstraße, aber auch weitere Straßenzüge mit den erkennbaren Häusern mit Nummern versehen und diese Nummern genau hinsichtlich ihrer Bewohner dokumentiert. Sie glauben gar nicht, wer alles im Nürnberg der damaligen Zeit an wichtigen Leuten wohnte. Ein ebenfalls spannendes Dokument. Rundherum ein gelungener Katalog zu einer gelungenen Ausstellung, die noch lange nachwirken wird.
Info:
Mit freundlicher Unterstützung des Maritim Hotel Nürnberg. Nur ein paar Schritte vom Hauptbahnhof entfernt, liegt das Maritim Hotel geradewegs auf dem Weg zum Museum, das also auch in wenigen Minuten erreicht wird. Ein praktisches Argument. Das Maritim verblüffte uns dann ob seines Eingebundenseins in die Nürnberger Stadtgesellschaft, wo es eine Größe für Feiern und Tagen, für Veranstaltungen und Treffen ist. Als Hotel hat es alle modernen Annehmlichkeiten, eine hervorragende Speisekarte, bzw. Buffet, und ist rundherum zu empfehlen.
Maritim Hotel Nürnberg
Frauentorgraben11
90443 Nürnberg
Tel: 0911-2363-0
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