Zur Erinnerung an den Maler, dessen Todestag sich 2015 zum 65. Mal jährte
Konrad Hüther
Erfurt (Weltexpresso) - Wer von uns vor Jahrzehnten einen Ausflug zu den Drei Gleichen bei Wandersleben unternommen hat, ist sicher auch in die Gaststätte "Freudenthal" eingekehrt. Dort hing seit vielen Jahren das zum Teil auch aus der Kinderzeit gut bekannte Gemälde "Die Rückkehr des Grafen von Gleichen aus dem Kreuzzug".
Dieses Gemälde, von seiner Entstehung in den 1940er Jahren bis kurz nach der Wende in der historischen Gaststätte "Freudenthal" angebracht, wurde nach Restaurierungsarbeiten als Leihgabe der Stadt Erfurt der Gemeinde "Drei Gleichen" übergeben. Es ist heute im Eingangsbereich des Rathauses von Wandersleben während der Öffnungszeiten für jeden Besucher zugänglich. Neben diesem beeindruckenden Gemälde befindet sich eine Tafel, die den Betrachter über das dargestellte Ereignis informiert.
"Graf Ernst von Gleichen gerät während des Kreuzzuges 1228 in türkische Gefangenschaft, wird dort als Sklave verkauft und vom Sultan zum Tode verurteilt. Die Tochter des Sultans Melechsala verliebt sich in den Grafen und flieht mit ihm über Venedig und Rom; der Graf erhält vom Papst die Genehmigung zur Ehe mit Melechsala und eilt mit ihr zu seiner Stammburg Gleichen in Thüringen. Seine dort lebende Gattin, Gräfin von Käfernburg, nimmt umgeben von ihren Frauen, der Geistlichkeit, ihren Männern und dem Landvolk das Paar liebevoll auf."
Geschaffen hat dieses Gemälde der Kunst- und Historienmaler Prof. Hans W. Schmidt (1859 – 1950), Weimar, dessen 65. Todestags man am 31. 5. 2015 gedachte.
Als Sohn einer Handwerkerfamilie geboren, kommt er als 20jähriger aus Hamburg nach Weimar und nimmt ein Studium an der 1860 gegründeten Weimarer Kunstschule auf. Hervorragende Lehrer begleiten ihn: er wird dem Großherzog Carl Alexander zur Ausführung eines dekorativen Auftrages für das großfürstliche Schloß Oranienbaum bei St. Petersburg empfohlen. Dieser Auftrag wurde zur größten Zufriedenheit der fürstlichen Gönner vollendet. 1885 wird Schmidt zum Meisterschüler befördert und 1903 zum Professor ernannt. 1925 arbeitet er an einem 37 Meter langen Wandfries für das Deutsche Museum München über die Entwicklung der Papierindustrie und ihre Bedeutung für die Kultur von ihren ersten Anfängen bis zur Gegenwart; es entsteht auch ein 28 Meter langer Wandfries für die Wandelhalle in Bad Pyrmont. In Thüringen hat er in verschiedenen Orten seine Spuren hinterlassen. So kann man sich noch heute im Hauptgebäude der Universität Jena an zwei großen Gemälden erfreuen.
Für Erfurt gestaltete er 1902 den gesamten historischen Festumzug zur Feier der 100jährigen Zugehörigkeit Erfurts zu Preußen und schuf das Gemälde "Königin Luise im Mai 1803 in Erfurt". Verständlicherweise kann man in Weimar mehrere seiner Werke bewundern: Im Stadtmuseum, in dem sein Nachlaß verwahrt wird, im Foyer des Deutschen Nationaltheaters oder im Treppenhaus des Rathauses. Zur Goethe-Ehrung anläßlich des 100. Todestages des Dichters am 22. März 1932 wurde die Weimarhalle mit sechs monumentalen Gemälden Hans W. Schmidts eingeweiht. Bis zum heutigen Tag werden aus diesem "Weimarhallen-Zyklus" einzelne Motive zur Illustration historischer Ereignisse von den Verfassern entsprechender Beiträge verwendet.
Seit seinem 150. Geburtstag, dem 6. Oktober 2009, erinnert eine Tafel über der Toreinfahrt meines Elternhauses in Weimar, Amalienstraße 17, daran, daß hier der Historienmaler Hans W. Schmidt über 58 Jahre sein Atelier hatte. Wenn man sich mit seinem reichen Schaffen befaßt, ist es kaum vorstellbar, mit welchen Anfeindungen, finanziellen Sorgen und Problemen der Künstler zu kämpfen hatte. Aus diesem Grunde möchte ich aus einem Brief zitieren, den Hans W. Schmidt am 15. März 1935, also während der Zeit des Nationalsozialismus, an meinen Vater gerichtet hat: "... ich kämpfe seit Oktober vorigen Jahres mit finanzieller Bedrängnis. Meine Stadthallenbilder-Angelegenheit mit der Weimarhallen AG ist immer noch nicht erledigt und verkaufen will sich nichts mehr lassen. ... Die Kunst und der Künstler liegen heut am Boden. Darüber täuschen alle Phrasen nicht hinweg...!"
Foto: "Die Rückkehr des Grafen von Gleichen aus dem Kreuzzug", Gemälde von Hans W. Schmidt, 1940er Jahre
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Thüringer Allgemeinen vom 2. 6. 2015. Der Erfurter Autor Konrad Hüther ist Mitglied der Gerhart-Hauptmann-Gesellschaft, e. V. Berlin und schreibt regelmäßig über diesen Dichter und Schriftsteller sowie andere literarisch und kulturhistorisch relevante Themen im Zusammenhang mit Thüringen und seiner Geschichte. Wir danken ihm für die Genehmigung zur Wiederveröffentlichung dieses Artikels. Der Text wurde geringfügig bearbeitet.