Serie: „Die Salier. Macht im Wandel“ im Historisches Museum der Pfalz Speyer (Teil 1/2)
von Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Tolle Idee, dieser Anfang der Ausstellung, mit der man mitten drin ist in der Geschichte des Jahres 1111. Keine Schnapszahl! Fernsehsprecher Claus Kleber bringt auf großem Bildschirm die sensationellen Tagesnachrichten vom 12. Februar, also von vor 900 Jahren: Der 25jährige zukünftige Kaiser Heinrich V. hatte soeben alle Bischöfe gefangengenommen. Schlimmer noch, er hat den Papst, der ihn in Rom krönen sollte, in den Kerker geworfen. Es werden die öffentlichen Tumulte gezeigt und erklärt, was der Investiturstreit ist und welche Folgen er hat.
Eigentlich könnte man hier am Bildschirm stehen bleiben und sich in Ruhe die Ausgangsvoraussetzungen gegenwärtigen: Heinrich V., der letzte Salier, hatte vom Vater, Heinrich IV., den er vom Thron gestoßen hatte, den mittelalterlichen fünfzigjährigen Urkonflikt zwischen der Kirche in Rom und dem Papst und der kaiserlichen Macht durch die deutschen Könige geerbt, in dem es darum ging, wie die Weltordnung in Gottes und der Menschen Sinne auf Erden beschaffen sein soll. Aber intern war alles geregelt worden. Der Papst Paschalis II. versprach, alle konfiszierten Königsregalien aus dem Besitz der Kirchenfürsten, die fürderhin nicht mehr weltliche Macht, sondern nur kirchliche besäßen, zurückzuerstatten, wenn der deutsche König Heinrich nicht mehr in seinem Reich die Bischöfe einsetze, sondern dies dem Papst überließe, der ihn dafür in Rom auch zum Kaiser krönen werde.
Das war die Absicht und Absprache zwischen Kaiser und Papst. Aber die sich ihrer Pfründe beraubt sehenden Kirchenfürsten, empörten sich so lautstark und andauernd, daß der Papst sein Wort nicht halten konnte, die Kaiserkrönung versagte, weshalb also Heinrich ihn und die aufrührerischen Kardinäle und Kirchenobersten in den Kerker warf. Ungeheuerlich, dies im Fernsehen mitzuerleben. Damals allerdings ging die Informationspolitik nicht so schnell, dafür aber war die Wirkung auf die Menschen eine viel tiefere. Ihre festgefügte Welt war aus den Angeln gehoben. Tatsächlich herrschte Krieg zwischen Kirche und Reich und am 11. April 1111 hatte sich der Kaiser durchgesetzt und wurde von Paschalis II., der auf die Investitur verzichten mußte, gekrönt. Dennoch kein weitrechender Sieg des Kaisers und heute haben wir keinen Kaiser mehr. Dafür einen Papst.
Was diese Ausstellung so sinnlich faßbar beginnt, hat dennoch mit all dem zu kämpfen, was Ausstellungen über historische Sachverhalte so schwierig macht: die Anschauung. Denn statt von einer geschichtlicher Ausstellung über die gerade mal 111 Jahre als deutsche Könige und 98 Jahre alt Kaiser herrschenden Salier zu sprechen, wie es der Titel „Macht im Wandel“ dokumentiert, wollen wir bei aller mediendidaktisch hervorragend vorgenommenen Aufarbeitung von Historie lieber von einer im besten Sinne kulturhistorische Glanzleistung berichten, die dem Historischen Museum der Pfalz Speyer wieder einmal gelungen ist.
Sie finden die herrlichsten Exponate, kunstgeschichtliche Delikatessen: das vergoldete Vortragekreuz aus Hesselbach, die Grabkronen Konrads II., der Kaiserin Gisela und Heinrich IV., den Reichsapfel Heinrich III., eine Kreuzigung Christi aus Elfenbein, das sogenannte Heinrichskreuz mit Edelsteinen übersät, ziselierte Altarleuchter, Thronlehnen aus Goslar, das Evangelistar für Heinrich III. und vor allem die Chronik des Ekkehard von Aura, Pergament mit Federzeichnungen um 1130, unschätzbar als histiographisches Dokument und Kunstschatz gleichermaßen wie auch die in Stein gemeißelten Kapitelle und Grabsteine als Ausdruck des Miteinanders von Kirche und Reich. Insgesamt sind dies 435 Originale aus 70 europäischen Museen und Sammlungen, die über die vielen Räume im Rundgang zu besichtigen sind, wozu ausführliche Wandtexte und Beschriftungen Erklärungen liefern. Fortsetzung folgt.
Bis 30. Oktober 2011
Je ein Katalog- und Essayband: Die Salier. Macht im Wandel, hrsg. vom Historischen Museum der Pfalz Speyer, Edition Minerva 2011. Das ist einfach so bei den großen Superausstellungen, daß das Gewicht des Katalogs in Kilogramm das wiedergeben soll, was an Gewichtigkeit in der Ausstellung steckt. Schlecht ist das nicht, denn so wird das über Jahre erforschte und angesammelte Wissen über die Ausstellung hinaus aufbewahrt und Ansatzpunkt für ein nächstes Mal, für eine nächste Ausstellung über die Salier. Wie sehr sich es lohnt, mit diesem deutschen Herrschergeschlecht sich zu beschäftigen, zeigt eben der Katalog- und der Essayband, der – wie es gute Ausstellungsmacher heute hinbekommen – beiderlei zufriedenstellen kann: den Fachmann, der sich weiterbildet, aber auch den Laien, der die Ausstellungsexponate hier im geschichtlichen Zusammenhang noch einmal erfährt.
Katalog: Des Kaisers letzte Kleider. Neue Forschungen zu den organischen Funden aus den Herrschergräbern im Dom zu Speyer, hrsg. vom Historischen Museum der Pfalz Speyer, Edition Minerva 2011.Eine kulturgeschichtliche Glanzleistung sind Ausstellung und Katalog, die uns vertraut machen, wie man mit heutigen Methoden die textilen Techniken des Mittelalters erforschen kann, daraus die Kleidung des 11. bis 13. Jahrhunderts rekonstruiert, dann etwas zu den Textilien als Herrschaftsinstrument sagen kann, ihre Auffindung und Restaurierung sowie alle Ausstellungsgegenstände in Bild mit ausführlichen Erklärungen bietet.
Beachten Sie das umfangreiche Begleitprogramm