Nach dem ‚Dschungelbuch`-Opus eigens zum Anlaß der Frankfurter Buchmesse entstanden


Heinz Markert


Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das Dschungelbuch nacherstehen lassen für einen künstlerischen Zweck? Das erschien als die zur ‚reinen Notwendigkeit‘ gewordene Idee des Künstlers David Claerbout.


Sie wurde als Beitrag des Gastlandauftrittes von Flandern & Die Niederlande im Vorfeld der diesjährigen Frankfurter Buchmesse vorgestellt, zu begutachten im Städelgarten, während eines Niederlassens auf Gras zwischen den Oberlichtfenstern der darunter gelegenen Sammlung der klassischen Moderne; zu Öffnungszeiten frei zugänglich.


12 Zeichner haben die Filmvorlage von Wolfgang Reitherman ‚Folie für Folie, Einstellung für Einstellung‘ nachgezeichnet und zu einem neu zu entdeckenden Werk werden lassen. Jenes wohlbekannte ‚Dschungelbuch‘, eine Animation aus dem Jahr 1967, wurde ganz auf das Prinzip Lineatur zurückgeführt, zeigt sich als rein zeichnerisch animiertes Werk, ohne jegliche schmückende Beitat.


Künstlerinnen und Künstler sind grundsätzlich darauf angelegt, überkommene Sichtweisen zu durchbrechen und andere, neuartige hervorzurufen. Sie stehen gegen den Gewöhnungseffekt der Wahrnehmung. Das ist vom Ursprung her ihr ureigenes Geschäft. Von Werk zu Werk ergibt sich sukzessiv das gerade zur Notwendigkeit Gewordene als Konsequenz.


Der Film kann Stunde für Stunde (in der normativen Länge des Stundentakts; einem angestammten Motiv des Künstlers) geschaut werden. Es lohnt sich, ihn zweimal zu sehen oder auch öfter. Er hat eine meditative und sammelnde Qualität, weil alles Entbehrliche und oftmals Überladene durch die zeichnerische Machart unterblieb.


Für Kinder bringt er den Vorzug, nicht abgelenkt zu werden vom Essenziellen, was Verhalten, Mimik und Gebärden der Tiere angeht. Soundtrack und Szenenführung wurden ökonomisiert, aufs Wesentliche zurückgeführt. Martin Engler, der Leiter der Sammlung Gegenwartskunst am Städel und Kurator der Ausstellung, sprach in diesem Zusammenhang von „Entschleunigung, Entleerung“ und von einem “Von jeder Narration befreit“ und folgerichtig fiel auch der Satz: „Kinder brauchen keine Farbe“.


Die Animation entbehrt der fabrikationsmäßigen Illusion bzw. Fiktion der Filmwelt der Erwachsenen. Die hybride Vermenschlichung wurde zurückgenommen, aber auch nicht völlig ausgelöscht. Die umgesetzte Filmidee erscheint im landläufigen Sinn als kommerziell unverwertbar, obgleich die Ökonomie irgendwann doch wohl auch hier zuschlägt auf einem Kunstmarkt, der ein Anlagemarkt ist, fast wie jeder andere auch und auch wenn kompetente Kenner sich als Förderer betätigten. Kunst ist immer auch von dieser Welt. Das aufgebaute Kunstwerk wird im Bestand des Städel Museum bleiben.


Die Einführung zum Filmstart erklärt näher den Titel der Arbeit: ‚Die reine Notwendigkeit‘. Im englischen Originalsoundtrack ‚singt Balu der Bär nicht wie auf Deutsch „Probier´s mal mit Gemütlichkeit“, sondern von den „bare necessities of life“‘. Das weist auf Realismus hin, von dem man annahm, dass er der damaligen bundesdeutschen Gemütsverfassung weniger entsprach. Die adaptierende Arbeit entbehrt nicht der Höhen und Tiefen des Lebens in der Wildnis. Melancholie durchdringt sie als Wirkung von Langsamkeit und Bedacht.


Die Suggestivität dieser Arbeit wird mit Sicherheit bedingen, dass die Animation zu einem anziehenden Hingucker wird, der besonders auch jüngere Betrachter*innen für die Länge einer Stunde Gucken und Glück bannen dürfte.
Das aufwendige Projekt der Neu-Animation wurde von der dänischen Regierung und den Städelfreunden finanziert. Es zu vollenden brauchte dreieinhalb Jahre. Der geschaffene Auftritt bleibt dem Städel Museum durch Ankauf erhalten. Der Künstler wird im Rahmen der Buchmesse Termine erhalten, die Gelegenheit bieten, ihn zu befragen.

 

Foto: (c) Verfasser


Info:
‚Im Städelgarten: David Claerbout „Die Reine Notwendigkeit“, 28. September bis 23.Oktober 2016‘ · Städel Museum, Städel Garten.
Der durch das Städel Museum koproduzierte Film wird während der Laufzeit der Ausstellung auf einer sechs mal vier Meter messenden LED-Wand gezeigt und konnte mit großzügiger Unterstützung von Dr. Mathias Boehringer für die Städelsche Sammlung erworben werden.
„Im Städel Garten“
‚Die Reihe „Im Städel Garten“ ist eine von der Städel Gartengesellschaft unterstützte Initiative, mit der das Städel Museum seine frei zugängliche Gartenfläche für wechselnde Installationen, Performances und Veranstaltungen zur Gegenwartskunst öffnet‘.