"Der Weg in die Moderne", 4. Februar bis 1. Mai 2017 im Bucerius-Kunstforum Hamburg
Felicitas Schubert
Hamburg (Weltexpresso) - Das paßt ja gut, denn Schwerpunktbildung tut gut, vor allem, wenn es um eine Malerin geht, die man zwar kennt, aber deren künstlerische Dimensionen und auch der Lebensweg doch ziemlich verborgen blieb. Letzteres wird ein Film über Paula Modersohn-Becker ändern, der am 15. Dezember in den deutschen Kinos anläuft und eine gute Vorbereitung auf die Ausstellung ab 4. Februar sein kann.
Das Bucerius Kunst Forum präsentiert nämlich mit Paula Modersohn-Becker. Der Weg in die Moderne vom 4. Februar bis 1. Mai 2017 eine konzentrierte Neubetrachtung des Werks der deutschen Künstlerin. Die Einzelausstellung veranschaulicht anhand von rund 80 Werken die singuläre Bedeutung ihres kurzen künstlerischen Schaffens in einer Zeit zwischen zwei grundverschiedenen Künstlergenerationen: den Spätimpressionisten und den Expressionisten. Die Schau ermöglicht durch gezielt gewählte – teils auch weniger bekannte – Gemälde und Zeichnungen einen neuen Blick auf das herausragende Werk von Paula Modersohn-Becker. Die Präsentation motivischer Wiederholungen verdeutlicht die Entwicklung ihrer eigenen Bildmittel und Methodik im Verlauf ihres kurzen künstlerischen Schaffens. Während Modersohn-Beckers eigenwilliger und avantgardistischer Stil zu ihren Lebzeiten als irritierend oder befremdlich empfunden wurde, gilt er heute als revolutionär und zukunftsweisend. Die Ausstellung zeigt die Künstlerin erstmals als Wegbereiterin der Moderne und widmet ihr den Auftakt der Trilogie der Moderne im Bucerius Kunst Forum in den Jahren 2017 und 2018.
Die von Prof. Dr. Uwe M. Schneede kuratierte Ausstellung entsteht in Kooperation mit der Paula-Modersohn-Becker-Stiftung, Bremen, wo wir übrigens schon öfter Ausstellungen von ihr sehen durften. .
So wie Paula Modersohn-Becker (1876–1907) künstlerisch zwischen zwei Generationen arbeitete, lebte sie geistig und topographisch in zwei ebenso grundverschiedenen Welten. Beeindruckt von den stimmungsvollen Bildern der Künstlerkolonie Worpswede, siedelte sie nach Abschluss ihres Berliner Malstudiums 1898 in das abgeschiedene Dorf in der Nähe von Bremen über. Unter dem Eindruck des Worpsweder Naturlyrismus entstanden ihre ersten Landschaftsbilder. Anstatt jedoch wie ihre Künstlerkollegen einen Landschaftsausschnitt möglichst naturgetreu zu malen, dachte Modersohn-Becker zunächst lange über die Komposition des Bildes nach. Erst nachdem Ausschnitt, Form und Farbe festgelegt waren, ging sie an die Staffelei. In Deutschland fand sie für ihre unkonventionelle und zukunftsweisende Malerei keine Strukturen: Künstler wie Kirchner, Beckmann, Klee, Marc oder Kandinsky waren noch nicht bei ihrem eigenständigen, revolutionären Werk angelangt, außerdem fehlten wirksame Förderer, Händler oder Sammler.
Vorbilder und künstlerische Freiheit fand Paula Modersohn-Becker in Paris, wo sie in mehreren Studienaufenthalten ihre eigene Malweise entwickelte und schärfte. Beeindruckt war sie hier von den damals modernsten, teilweise noch unbekannten Malern, darunter Cézanne und Matisse, die sie damals schon als zukunftsweisend erkannte. Besondere und fremde Bildmittel sowie noch nicht zuvor gesehene Farb- und Formkonstellationen gaben ihr Anregung. Unter dem Eindruck ihrer zahlreichen Atelier-, Galerie- und Museumsbesuche betrieb sie ihre eigene Forschung und entwickelte auf experimentellem Weg eine spezifische Bildsprache und damit eigene Ikonographie.
Die Ausstellung Paula Modersohn-Becker. Der Weg in die Moderne im Bucerius Kunst Forum macht deutlich, wie die Künstlerin alltägliche Motive aus ihrer Umgebung in Worpswede nutzte, um diese, von Klischees befreit, ihrem eigenen Modernitätsbegriff unterzuordnen. Ihren oftmals wiederkehrenden Motiven, darunter Kinder und Frauen, Selbstbildnisse, Stillleben und Landschaften, entzog sie alles Heimatliche, alle schmückenden Details und alles Genrehafte, um eine vereinfachte, allgemeingültige Formensprache zu finden. Charakteristisch hierfür sind beispielsweise die Portraits von Kindern, denen sie durch Herausnahme aus dem Alltag, jenseits ihrer Individualität und ihrer äußeren Erscheinung, eine besondere Erhabenheit verlieh. Zur Entfremdung des Vertrauten schematisierte Modersohn-Becker Gesichtszüge bis ins Maskenhafte. Die Ausstellung präsentiert hierfür beispielhaft ein Selbstportrait der Künstlerin, das diese durch einen Abklatsch mit Zeitungspapier vervielfältigte und weiterbearbeitete, bevor sie es ein weiteres Mal auf die Rückseite eines Briefs kopierte. Von den Gesichtszügen blieben hier nur halbtransparente Masken, ihrer individuellen Gesichtszüge weitestgehend beraubt und distanziert von ihrem detailreichen Ursprung. Die drei erstmals gemeinsam gezeigten Werke führen die besondere methodische Arbeitsweise der Künstlerin vor Augen und geben gleichzeitig einen Hinweis auf Paula Modersohn-Beckers Hinwendung zur Abstraktion in ihren letzten Werken.
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Info:
Der Katalog zur Ausstellung, hrsg. von Franz Wilhelm Kaiser und Kathrin Baumstark, mit Beiträgen von Kathrin Baumstark, Simone Ewald, Karin Schick, Frank Schmidt, Uwe M. Schneede und Rainer Stamm, erscheint im Hirmer Verlag, München (193 Seiten mit farbigen Abbildungen aller ausgestellten Werke, 29 € im Bucerius Kunst Forum).