Programmvorschau 2017 für das Münchener Haus

Felicitas Schubert

 

München (Weltexpresso) - Obwohl die Ausstellungen überall immer mehr werden, wird unsere Berichterstattung darüber immer geringer. Es war früher einfacher, in einer Rundreise die wesentlichen Ausstellungen jedes Quartals vorzustellen. Diesmal gehen wir den anderen Weg, denn zum Jahresende informieren die Museen über das kommende Jahr. Voilà!



Harun Farocki: Gegen-Musik
3. März - 28. Mai 2017

Diese Ausstellung sehen wir uns ganz sicher an, denn wir hatten Harun Farocki (1944 - 2014) so oft bei Austellungsaufbauten miterlebt, wo er überwach und kettenrauchend Orientierungsfigur war. Er war überhaupt Leitfigur in einer Szene von Filmemachern und Intellektuellen, die sich in Europa Ende der 60er-Jahre im Zuge brisanter politischer Debatten entwickelt hatte. In dieser turbulenten Zeit wurde nicht nur das Produktionsmodell des Filmemachers/Autorenfilmers definiert, sondern auch die Frage nach dem analytischen Rahmen des Kinos mit Blick auf gesellschaftspolitische Ereignisse aufgeworfen. In seiner langen, einflussreichen Karriere schuf Farocki über 90 Werke, darunter Spielfilme und Filmessays, Fernseh- und Dokumentarfilme; außerdem Installationen, Texte, Ausstellungen und in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern entstandene Projekte. Farockis Œuvre stellt eine Archäologie der Wirtschaftspolitik von Medien und Bildern dar, die Effizienz und Gültigkeit des bewegten Bildes als Mittel der Dokumentation und Analyse in Frage stellt und dem Blick des Zuschauers Disziplinierung abverlangt.

"Harun Farocki: Gegen-Musik" im Haus der Kunst greift auf Farockis umfangreiches, von humanistischem, anarchistischem und ästhetischem Kampfgeist geprägtes Gesamtwerk zurück. Als erste große Münchener Ausstellung seit seinem Tod im Jahr 2014 geht sie Farockis fortlaufender Analyse der sich verändernden Modi von Lohnarbeit, Produktion und Konsum nach. Die Unzufriedenheit mit internationalen Arbeitsbedingungen und die massenhafte Vertreibung von Arbeitern unter dem Deckmantel der Globalisierung verleihen Farockis präzisen Überlegungen über das Wesen menschlichen und gesellschaftlichen Handels neue Aktualität und Dynamik.

Die Ausstellung wird vom Haus der Kunst in Zusammenarbeit mit der Sammlung Goetz organisiert.

 

FMP: The Living Music
10. März - 20. August 2017

Auch hier muß man hinzufügen, daß die Helden von gestern wieder Musikhelden von heute werden. Beispielsweise wir Manuel Göttsching durch Auftritte im Ausland derart hervorgehoben, daß sicher auch seine deutschen Landsleute folgen. Bei dieser Ausstellung geht es um  Free Music Production (FMP), ein Plattenlabel und eine Plattform für die Produktion improvisierter Musik, das 1968 in Westberlin gegründet wurde. Ihr radikales und expansives Engagement für zeitgenössische improvisierte Musik und Avantgarde-Jazz war von Anfang an global ausgerichtet. FMP überschritt kulturelle und musikalische Grenzen und lud Musiker und Komponisten ein, auch jenseits ihrer renommierten Einspielungen eine große Spannbreite von Aufführungsmöglichkeiten zu erkunden, von Konzerten und Festivals (Total Music Meeting) bis zu interdisziplinären Workshops (Workshop Freie Musik) und Ausstellungen. Zur Zeit der Mauer, als sich Westberlin als Symbol künstlerischer Freiheit des Westens positionierte, engagierten sich hunderte von international tätigen Musikern, Komponisten und Künstlern bei FMP. Mit über 500 veröffentlichten Einspielungen, zahllosen Konzerten, über hundert Festivals und einem Archiv aus Filmen, Fotos, Plakaten und anderen grafischen Arbeiten steht FMP für eine ungebrochene künstlerische Radikalität, die überkommene Normen kollektiven Kunstschaffens in Frage stellt.

Die Ausstellung wird vom Haus der Kunst veranstaltet und von Markus Müller kuratiert.

"FMP: The Living Music" ist in Kooperation mit dem Goethe-Institut entstanden und wird von der Kulturstiftung des Bundes gefördert.

 

Thomas Struth: Figure
28. April - 17. September 2017

Diese Ausstellung des renommierten deutschen Fotografen Thomas Struth (geb. 1954) bietet einen umfassenden Überblick über sein genrebildendes Gesamtwerk. Vier Jahrzehnte und jede Phase seiner Laufbahn sind abgedeckt; im Mittelpunkt stehen seine gesellschaftlichen Interessen, als eigentliche Triebkräfte seiner international einflussreichen künstlerischen Entwicklung. Mit über 120 Arbeiten ist diese Ausstellung seine bislang größte Retrospektive. Sie vereint zuvor noch nie gezeigte frühe Arbeiten mit gesammelten Ressourcen aus Struths Archiv. So werden die weitreichenden und langjährigen Ideen hinter den verschiedenen Arbeiten deutlich, und der Prozess der künstlerischen Umsetzung bis zum fertigen Bild.

Die Ausstellung verbindet diese frühen Ideen mit bekannten Gruppen von Arbeiten wie "Straßen", "Unbewusste Orte", "Portraits", "Museumsbilder", "Paradise" und "Audiences", die wiederum mit Arbeiten wie "Nachtprojekt" in Dialog treten, der Diaprojektion, die 1987 für Skulptur Projekte Münster entstanden ist, mit den Videoporträts und anderen Videoprojektionen, der jüngsten Fotoserie aus "Nature & Politics" sowie ortspezifischen Arbeiten wie dem "Löwenzahnzimmer", Fotografien von Landschaften und Blumen für die Krankenzimmer der Klinik Lindberg im schweizerischen Winterthur. Dieses Wechselspiel verschiedener Werke zeigt Struths Talent, Analyse und Bilderfindung in facettenreichen Arbeiten und Techniken zusammenzubringen, was zu grenzübergreifenden und eindrucksvollen fotografischen Bildern führt.

Die Ausstellung wird vom Haus der Kunst organisiert und von Thomas Weski kuratiert.

 

Foto: Der schon kranke Harun Farocki (c) alchetron.com


Fortsetzung folgt.