Serie: Pergamon. Panorama der antiken Metropole im Pergamonmuseum in Berlin, Teil 3
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Doch die Reihenfolge ist sinnvoll, sich erst im Pergamon-Panorama einzufühlen in die Welt vor über 2000 Jahren und sich dann den größtenteils noch nie gezeigten 450 Exponaten auf rund 4 500 Quadratmetern zu stellen. Man bekommt einfach ein anderes Gefühl für Größe, für Monumentalität, insbesondere für die Götter der Griechen, die der der Pergamesen sind.
Warum noch nie gezeigt, obwohl seit den Berliner Ausgrabungen Fundstücke, die dem Museum gehören? Das liegt schlicht daran, daß der Pergamon-Altar von solcher Wucht, von solcher Einzigartigkeit und für uns auch – hellenistischer – Schönheit ist, die ja etwas Barockes hat!, daß diesem Ausstellungsstück, für das ja das Museum gebaut wurde, alle Aufmerksamkeit galt. Sowohl die der Besucher, aber auch die der Museumsleute, denn die Arbeiten am Altar sind ja noch nicht ab geschlossen, daß kann auch derjenige sehen, der am Schluß der Ausstellung dort ankommt und wieder einmal neue Zuordnungen erkennt, nämlich wie der Fries heute angeordnet wird an seinen verschiedenen Seiten. Auch dazu hat übrigens Yadegar Asisi einen Vorschlag gemacht. Seine Vervollständigung ist als kleinerer Fries auf Augenhöhe aufgebaut, so daß man vergleichen kann, wie man den Fries, der oben mächtig und mit Lücken hängt, in seinem Sinne ergänzen könnte. Ein Spiel mit der Möglichkeit.
Noch aber sind wir am Anfang und es sollte nur erklärt werden, warum erst jetzt als Forschungsvorhaben „Berliner Skulpturennetzwerk Kontextualisierung und Übersetzung antiker Plastik“ dazu, diese Ausstellung möglich wurde, wobei das Forschungsprojekt zukünftig alle griechischen, etruskischen und römischen Skulpturen im Bestand der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin sowie aller Abgüsse auf diese Weise – also mit Informationstechnologie und Computervisualisierung erschlossen werden sollen.
Man betritt in der Ausstellung erst einmal eine Art Werkstatt/Archiv/Aufbewahrungskammer, wo in Kisten verwahrt Fundstücke herumstehen, manche sind ausgepackt, andere noch verschlossen, wir sind also mitten im Zentrum von Erforschen und Restaurierungen, in zuvor vorgenommenen Grabungen und der Fundverteilung. In einer großen Vitrine in der Mitte kann man dann die Dokumente einsehen, wie das war, als die Deutschen in der Türkei zu Gange war, die zudem an den Fundstücken einer anderen Kultur damals wenig Interesse hatte, auch wenn es auf eigenem Boden geschah. Das alles hat heute in der türkischen Welt sowieso, aber auch der arabischen und ägyptischen einen anderen Stellenwert und eines der nachdrücklichsten Eindrücke in dieser Ausstellung voll der bearbeiteten Steine und Riesensteine ist einfach, wie diese nach Berlin gekommen sind und ob sie hier wirklich zu Hause sind.
Daran wollen wir nicht rühren, sondern die Ausstellung überblicken, deren Umfang verhindert, daß man regulär über sie und ihre Einzelstücke in einem Artikel zu Rande käme. Die Ausstellungsgestaltung hat zu zehn thematischen Stationen geführt, denen dann die am besten passenden Objekte zugeordnet wurden. Ein sinnvolles Verfahren. So erleben wir als Station 1 ENTDECKUNG EINER METROPOLE: Geschichte der Ausgrabungen unter der Leitung der Berliner Museen. Station 2 führt uns vor VOM WERDEN DER STADT: Geschichte Pergamons von prähistorischer Zeit bis ins 4. Jahrhundert vor Christus. In der 3. Station geht es um LEBEN IN DER STADT: Pergamon als griechische Polis.
Die vierte bringt SIEGREICHE HERRSCHER: Die Dynastie der Attaliden, Station 5 dann STADT DER TOTEN: Gräber und Bestattungen in Pergamon, BERG DER GÖTTER gilt als 6. Station den Gräbern und Bestattungen in Pergamon. Station 7 AUFERSTANDEN AUS RUINEN erzählt in Artefakten die Rezeptionsgeschichte, Station 8 gilt alleine dem HEILIGTUM DER ATHENA; DER GROSSE ALTAR dann ist als achtes Weltwunder die 9. Station und die 10. zum Schluß UNTER RÖMISCHER HERRSCHAFT: Das Trajaneum und der römische Kaiserkult in Pergamon. Warum übrigens diese Zehnereinteilung keine Entsprechung im Katalog fand, wo acht Stationen ausgewiesen sind, hat uns irritiert und manche Suche erschwert. Fortsetzung folgt.
Bis 30. September 2012
Begleitbuch zur Ausstellung:
Pergamon. Panorama der antiken Metropole, hrsg. Von Ralf Grüßinger, Volker Kästner und Andreas Scholl, Michael Imhof Verlag 2011. Ein Ziegelstein dieses Begleitbuch. Aber das darf man bei einer solch imposanten Angelegenheit wie Pergamon auch erwarten, wo ja alleine der in Berlin befindliche Pergamonaltar das menschliche Begreifen übersteigt, wie nämlich all die Steine und Steinplatten den Weg aus Vorderasien nach Berlin gefunden haben. Diesmal aber geht es um die Region aus der er herstammt und wo der Altar selbst am Ende der Ausstellung den krönenden Schlußpunkt setzt. Dieser Katalog ist einer für das ganze Leben, denn er enthält Grundsätzliches zu Geschichte, Kultur und Religion von Pergamon und geht auf alle regionalen Besonderheiten ein, Entdeckungs- und Grabungsgeschichte, Topographie und Architektur, Herrscher und Hof, Kulte und Heiligtümer, Pergamon als Polis – im Unterschied zur Metropolregion, Skulptur und Handwerk. Insbesondere die abschließende Rezeptionsgeschichte der Funde, die ab Seit 378 einsetzt, ist spannend und erhellend zudem.
Der Katalogteil folgt ab Seite 422 und führt dreispaltig im Bild (farbig!) die Ausstellungsexponate der einzelnen Ausstellungsteile vor und gibt neben den bibliographischen Angaben- bei Fundstücken sind dies Ort, Zeitpunkt, Herstellungsangaben, Material sowie heutiger Aufbewahrungsort - auch Hinweise zur Auffindung oder der Funktion, ihren Gebrauch und das Besondere des Gegenstandes. Wenn es sich dabei beispielsweise um die „Statue eines bärtigen Gottes, ‚Zeus Ammon‘ handelt, dann gehen auch vier Spalten drauf. So kommen für den ersten Teil 26 Exponate zusammen, für den zweiten 39, den dritten 158, den vierten 18, den fünften 64, den sechsten 68, den siebten 13, den achten 13, den neunten 16, den zehnten 12 in Wort und Bild erlebbare Ausstellungsstücke.
Abgesehen davon, daß Sie zu Hause dann froh sind, sich so die gesehen Stücke noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, und beispielsweise vergleichen zu können mit anderen Stücken in anderen Teilen der Ausstellung, ist einfach die Gesamtheit des Bandes das Wunderbare, weshalb man aus guten Gründen von einem Buch fürs Leben sprechen kann.
Panorama-Bild und Textband der asisi GmbH, 2011. Würdigung folgt.