Serie: Drei Jubiläumsausstellungen: 150 Jahre Gustav Klimt in Wien, Teil 2
Claudia Schulmerich
Wien (Weltexpresso) – Die femme fatale hat also Vorbilder, die hier bei Klimt im Belvedere vor allem JUDITH und SALOME heißen. Uns ist übrigens schon im ersten Raum aufgefallen, daß die Ausstellung etwas „Secessionistisches“ an sich hat, damit meinen wir, daß Form und Gestaltung der Texte an den Wänden an die damaligen Klimt-Ausstellungen gemahnen, was uns gut gefällt, weil es auch den Blick darauf richtet, welche ornamentale Kunst es war, der Gustav Klimt zur Siegespalme verhalf.
So in etwa das Gegenteil von naiv, denn – und das sieht man dann auch an den Fotografien von Klimt – er war sich jede Sekunde seiner Gesten, seines Auftritts, seiner Wirkung bewußt. Das ist nicht abschätzig gemeint, sondern soll den Stilwillen, das kunstvoll Gewollte herausstreichen, daß seinen Werken einverwoben ist – und seinem Leben, bzw. seiner Darstellung auch.
So ist folgerichtig DER KUSS überinszeniert. Am Ende des großen länglichen Raumes, der dunkel gehalten ist, schimmert einem schon von weitem das Gold-Gelb entgegen und andächtig stehen die Besucher davor und wollen teilhaben an dieser Aura von Liebe und Geborgenheit, das dieses Bild einfach ausstrahlt. Wir sind überhaupt nicht dagegen, zumal schon in Kinderzeiten dieses Bild als Druck unser Zimmer schmückte, wir es deshalb auf unsere Weise, wo immer wir das Bild wiedersehen, als unser Eigentum betrachten. Es also gerne haben. Aber eben nicht anbeten. Und da wir grundsätzlich gegen gewisse Überhöhungen in der wirklichen Welt sind, sind uns die andächtigen Mienen der Betrachter dann doch etwas unheimlich.
Gegenüber hängt das sich umarmende Liebespaar vom Beethovenfries – der Mann mit dem nackten Hintern uns zugekehrte, die Frau nur als Linie wahrnehmbar - und das ist in diesem Raum insgesamt schon eine geballte Ladung Liebesenergie. Aber Klimt konnte auch ganz anders: DIE LANDSCHAFTEN vereinen berühmte Gemälde wie BLÜHENDER MOHN oder ALLEE ZUM SCHLOSS KAMMER und die vielen Apfelbäume, Naturbilder, die Klimt meist am Attersee malte, wo er jeden Sommer in Emilie Flöges Familienanwesen weilte und schon um sechs Uhr morgens sich auf den Weg machte.
Wir mußten uns sehr zurückhalten, nicht auch Egon Schiele zu preisen. Aber das ist nun mal Klimts Jubiläum.( Darum zumindest die Abbildung eines hier gezeigten Schiele-Werkes, wo ein Vergleichsbeispiel von Klimt in der Ausstellung hängt.) Dennoch sind wir tief dankbar, wie stark insbesondere die Verbundenheit und die künstlerische Übereinstimmung von Klimt und Schiele hier in dieser Ausstellung zum Tragen kommen. Dem Belvedere ist eine Klimt-Schau gelungen, die insbesondere für Wien-Besucher auf einen Schlag die Köpfe der Szene um 1900 anhand der Vita und des Werks von Gustav Klimt auf so prunkvolle Weise und derart übersichtlich zeigt, wie es die damaligen Protagonisten sicher gerne gesehen hätten. Und wir gerne sehen.
Bis 6. Januar 2013
Katalog:
Gustav Klimt 150 Jahre, hrsg. Von Agnes Husslein-Arco und Alfred Weidinger, 2012, Belvedere, Wien (Prestel Verlag). Der 360 Seiten starke Katalog ist so opulent wie die Ausstellung selbst. Ganz nach Klimt hat man ihn wie die Ausstellung eben auch inszeniert. Schon den Titel schmücken in Gold der Schriftzug des Malers und sein Jubiläum und daß in Vergrößerung die Gesichter vom KUSS inmitten des gold-gelb wogenden Umfeldes prangen, gefallen hätte das dem Gustav Klimt. Keine Frage. Und uns auch. Da sieht man übrigens in dieser Vergrößerung auch sehr gut, dies weiche, sehr symbolistisch gemalte Antlitz der Frau, hingegeben und doch auch in der Hingabe bewußt, daß wir zuschauen. Interessant auch das Fingerspiel, auf das man sonst nicht so achtet. Seine knochig und so ein bißchen in Richtung Egon Schiele und ihre die seinen umfassend. Zärtlich, berührend und gerade die Balance haltend zum Kitsch.
Direktorin Agnes Husslein stellt die von Anfang an bestehende Verbindung von Maler und der Modernen Galerie heraus, denn als 3. Bild kam schon 1908 durch Ankauf das heute DER KUSS genannte LIEBESPAAR in Besitz des Museums, das heute in aller Welt als Synonym für WIEN UM 1900 und für KLIMT gelten kann. Schmerzlich, die Weggänge in Folge von Restituierungen, von denen man sich gut vorstellen könnte, daß sie bei einem anderen geschichtlichen Verlauf als Leihgaben weiterhin im Belvedere hingen. Auf jeden Fall sehr eindrucksvoll, daß sich bis heute 101 Kunstwerke von Gustav Klimt im Belvedere befanden.
Das wird in einem der folgenden sieben Essays näher beleuchtet, die allesamt von der Klimt-Rezeption angefangen den Weg seiner Bilder im Belvedere beschreiben. Sinnvoll sind dann in den thematischen Einheiten neben vielem zusätzlichen Bildmaterial auch die in der Ausstellung hängenden Werke ganzseitig und mit großer orangefarbener Numerierung klar geschieden, so daß auch der, der nur rasch nach einem Bild der Ausstellung sucht, schnell fündig wird. Eine Gesamtliste der Werke der Ausstellung findet sich dann ab Seite 321 zusammenfassend.
Für eine Information sind wir dem Katalog äußerst dankbar. Auf Seite 12 können wir vom klimtkritischen Karl Kraus lesen: „Er hatte die Bilder …bei Klimt bestellt, als dieser noch in der braven Art der…und sich höchstens ein paar Makart’sche Extravaganzen gestattete. In der Zwischenzeit war aber dem Maler der Khnopff aufgegangen, und jetzt ist er, damit die Geschichte nicht ohne Pointe bleibt, ein Pointillist…“. Unwillkürlich denkt man, was hätte heute Kraus’sche Sprachkraft für ein Potential.
Es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm, das Sie bitte der Webseite entnehmen. www.belvedere.at