Die übrigen Seelen dagegen, beim Wiegen als zu schwer befunden, die wurden von einem weiblichen Untier gefressen. Bis dahin aber gab das Totenbuch die Regeln vor, wie man das Ewige Leben erlangen könne. All das ist nun mittels Leihgaben aus Florenz im Refektorium des Karmeliterklosters, in dem das Archäologische Museum zu Hause ist, nachzuerleben und neben dieser durch 80 Originale hochwertigen Ausstellung ist ein Blick an die Wand mit den herrlichen Fresken des Jörg Ratgeb auch eine spätmittelalterliche Freude.
Museumsdirektor Egon Wamers beantwortete die Frage, die sich tatsächlich stellt, warum diese Schau im Archäologischen Museum stattfinde, das vor Jahren noch Museum der Vor- und Frühgeschichte hieß, offensiv: Grabungen und Grabfunde seien das Verbindende, weshalb Alt Ägypten als Mutterkultur der europäischen Kulturen von heute her befragt werden müsse: „Das ganze Leben war ausgeprägt auf den Tod. Ein toddurchwirktes Leben.“
Für die Ausstellung bedeutet das eine Gliederung der Abfolge von der Idee des Weiterlebens nach dem Tode, die bestimmte Verfahren der Konservierung des menschlichen Leibes erforderte wie Entnahme von mindestens vier Organen, aufbewahrt in eigenen Behältern, den Kanopen, der Mumifizierung, für die es verschiedene Praktiken gab, der Aufbewahrung der Mumien in Sarkophagen und schließlich der Grabausstattung, die zum einen das spezielle Rüstzeug auf dem Weg vom Tod ins ewige Leben beinhaltet wie auch Grabbeigaben aus dem Alltag sind.
Die Seele braucht auf ihrer Wanderung im Jenseits dieses Rüstzeug, wie das Totenbuch, das in 90 Kapiteln die Reise beschreibt, Amulette, die sie gegen Gefahren schützen, eine Statue mit dem Namen des Toten, damit, wenn seinem irdischen Körper etwas passiere, die Seele in diese einfahren könne, andere Statuen, sogenannte Uschebti, die für die Ernährung im Totenreich sorgen, dann aber auch Gegenstände des Alltags wie Spiegel, Kamm und Sandalen. Selbst die Koholgefäße sind vorhanden, worin die schwarze Augenschminke aufbewahrt wurde, die die ägyptischen Augen a la Kleopatra so dick und schön schwarz ummalen, was ursprünglich ein Schutz war gegen Sonne, Wind und Sand.
Diese zwei hier, eins aus Alabaster und eins aus Holz, sind beide aus dem Neuen Reich (1550 – 1070 v.Chr.), der 18. Dynastie, die von 1550 bis 1291 v.Chr. die uns bekanntesten Personen wie Hatschepsut, Echnaton und Tutanchamun umfaßte. Sieht man die kostbaren Grabbeigaben und den Aufwand der Mumifizierung und seiner Aufbewahrung, fragt man sich, was eigentlich die arme Bevölkerung, die Masse der Leute, im Tode erwartete. Tatsächlich war auch ihnen das ewige Leben grundsätzlich möglich. Ihr Körper wurde dehydriert, indem er einfach in dem heißen Wüstensand verscharrt wurde. Die toten Körper der Reichen und Mächtigen dagegen waren zwar in ihren aufwendigen Gräbern besser geschützt, der Aufwand diente aber nicht der Machtdemonstration, sondern den religiösen Vorstellungen vom besseren Leben nach dem Tod, wenn dieser erfolgreich durchschritten ist.
Es ist schon sinnvoll, sich erst einmal die Bedeutung der ausgestellten Gegenstände klar zu machen, bevor die eigene Schaulust angesichts der ägyptischen Originale voll befriedigt wird. Die Masken, Mumie oder Sarkophag, schauen durch einen hindurch, aber da langen schon die beiden Augen-Intarsien aus Bronze, Bein und schwarzem Stein, um in sich zu gehen, ob man selbst den seelischen Prüfungen gewachsen wäre. Das stuckierte und bemalte Holz von Sarkophagen, ursprünglich nur Behältnis und dann zunehmen in anthropomorpher Gestalt, kommt nicht nur unserem Schönheitsempfinden entgegen, sondern wirkt neben den warmen Erdtönen in einem majestätischen Blau. Den Ring mit der leuchtend blauen Skarabäuseinlage möchte man gleich anziehen und die Halsketten aus Karneol und Fayence sind wie von heute.
Die Kalksteinstatuette „Konkubine des Toten“ führt einen dann allerdings zum zentralen Punkt des gesamten Totenkults. Es war magisches Denken, mit dessen Hilfe sich die Lebenden des Todes und ihres Weiterlebens im Tod versicherten. Denn die Figürchen und auch diese Statuette waren genauso wie die gemalten Früchte an der Wand im Tode fähig, sich in lebendige Materie zu verwandeln, wurden also aus der Abbildung heraus lebendig. Auf magische Weise also wurde Totes verlebendigt, gemalte Weintrauben zu Früchten und Wein. Bedenkt man dies, weiß man um so mehr, was wir mit unseren modernen Verfahren des Ausgrabes, Entnehmens und Restaurierens von Gräbern, Mumien und Grabbeigaben grundsätzlich tun: die Totenruhe stören.
Bis 26. Februar 2012
Katalog: Reise in die Unsterblichkeit. Ägyptische Mumien und das ewige Leben, Archäologisches Museum Frankfurt 2011. Die Einführung gibt Maria Christina Guidotti, Direktorin des Ägyptischen Museum Florenz, die nicht nur über den Totenkult Alt Ägyptens berichtet, sondern auch, aus welchen Gründen gerade Florenz die zweitbedeutendste ägyptische Sammlung Italiens aufweist, - tatsächlich haben die Medicis als Erste gesammelt und Rosellini aus Pisa brachte zusammen mit dem berühmten, die Hieroglyphen entziffernden Franzosen Champollion im 19. Jahrhundert die Stücke nach Europa - , die sich nun auf den Weg nach Mitteleuropa und sogar nach Finnland macht.
Der Katalog gibt nicht nur die herausragenden Stücke in besonders guter fotografischer Qualität wieder, sondern ist ein echtes Nachschlagwerk für diejenigen, die (fast) alles über Tod und Ewiges Leben in Ägypten wissen wollen, einschließlich der Mumifizierungstechniken, der Grabbeigaben und vor allem einem Zeitregister der Dynastien.
Kinderkatalog: Reise ins Alte Ägypten. Auf dem Nil in die Zeit der Pharaonen, von Kim Hofmann, Archäologisches Museum 2011. Eine gute Idee, die Ausstellung zu nutzen, um nicht nur den Totenkult, sondern mit der Reise auf dem Nil das Alte Ägypten in den Fragehorizont von Kindern zu hieven, einschließlich der Zeit der Entdeckungen der Hieroglyphen. Kindgerecht und ästhetisch sehr gelungen.
www.archaeologisches-museum.frankfurt.de