Für solche schönen, sanften, gläubigen Madonnen wiederum war der Venezianer Bellini bekannt, an den die Haller-Madonna erinnert. In der Tat hat Dürer 1506 an seinen Freund Willibald Pirckheimer nach Nürnberg Bellini als „pest in gemoll“ bezeichnet, also als den Besten in der Malerei. Auch von Bellini weiß man, wie sehr er – wie die anderen venezianischen Künstler auch – Dürer nicht nur geschätzt, sondern dessen geniale Züge erkannt hatte.

 

Die wechselweise Beeinflussung, dieses Hin und Her im künstlerischen Prozeß, wo nicht der Plagiatsvorwurf im Mittelpunkt stand, sondern die Vervollkommnung einer Idee – hier der der Muttergottes, die das Kind im Arm, schon um sein Schicksal weißt - ist eine der Kernaussagen dieser Ausstellung, die hier am Beispiel Dürers sowohl das Woher wie auch das Wohin klären hilft. Ein schönes Bild und dennoch zuckten wir etwas, daß es als Werbeträger dient, weil Dürer zwar die religiöse Kunst bediente, die bis dato ja die entscheidende ökonomische Grundlage für Künstler war, aber wir mit Dürer doch noch stärker den dem Bürgertum und seinen Wissenschaften zugewandten Renaissancemann verbanden und herausgestellt sehen wollten.

 

Nun gut. Die wirklich schöne Madonna bleibt als Beispiel für den FRÜHEN DÜRER legitim und die Ausstellung widmet sich ab da dem forschenden jungen Künstler, der sich in allen Disziplinen um Präzision und Kunstfertigkeit bemüht und auch darum, was er herstellen muß, um seine Arbeit bestmöglich zu ‚verkaufen’, sprich, als eigenes ‚Produkt’ wahrgenommen zu werden. Wir haben exakt den Schnitt in der Kunstgeschichte vor uns, wo Künstler nicht mehr als Handwerker eingestuft, deren Wert ihrer Arbeit von der Zeit, die die Kunstfertigkeit benötigte und den teuren Materialien – Ultramarin und Gold! - bestimmt war, sondern ihren Wert von der Einzigartigkeit und Qualität erhielt.

 

Zu welcher Meisterschaft Dürer als DRAMATIKER schon in seiner Frühphase gelangte, wird dann an vielen Beispielen deutlich. Sein ‚jüngstes’ Werk in dieser Ausstellung von 1504 DIE ANBETUNG DER KÖNIGE aus Florenz macht vor, was im Gegensatz zur meditativen Malerei des Spätmittellers die neue Zeit will: erzählen nämlich, hier die Heilige Geschichte erzählen. Schauen Sie die Assistenzfiguren an, die im Bild nur die Aufgabe des Blickfangs und des bildstrategischen Handelns haben, dagegen keine inhaltliche Notwendigkeit besitzen. Wie dieser hier auf der Rechten ins seine Tasche langt, da muß man sich fragen,was er da sucht und ob er es finden wird, vieles umrahmt die Haupthandlung, die umso gewichtiger wird, je mehr Leben darum herum stattfindet. Das Gemälde, eigentlich zur Andacht bestimmt, wird zur Bilderzählung.

 

Wesentlich Neues ist von den Aquarellen zu vermelden! Galten sie bisher als eine der Spezialitäten des Albrecht Dürer als genuin deutschen Künstler mit Blick auf das Detail und die Naturschönheiten einerseits und als frühvollendete Reiseillustrationen – weshalb es so schien, als ob Dürer sie für das ihn bewundernde und reiselustige 19. Jahrhundert schon damals gemacht habe -, so führt das besagte Auf-die Füße-Stellen dieser Ausstellung zu einer anderen Funktionsbeschreibung dieser Aquarelle, was erst einmal überraschend wirkt, bei genauem Hinsehen jedoch viel für sich hat.

 

Die ausgestellten Blätter haben – abgesehen davon, daß einige tatsächlich unvollendet sind – sehr unterschiedlich differenziert dargestellt Blattanteile. Da sind Teile im Bild noch durch die Lupe in höchster Präzision ausgeführt, andere nur leichthin skizziert. Das wiederholt sich. Die detailliert wiedergegebenen Teilstücke dieser Blätter seien die Vorlagen gewesen für in den Gemälden dann auch tatsächlich auftauchende Bäume oder Rasenstücke. Fortsetzung folgt.

 

 

Bis 2. September 2012

 www.gnm.de/der-fruehe-duerer 

Katalog: DER FRÜHE DÜRER, hrsg. von Daniel Hess und Thomas Eser, Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2012. Ein Katalog, der genauso sinnvoll gegliedert ist wie die Ausstellung und zudem noch – bei aller Kompaktheit der 603 Seiten – lesefreundlich ist, weil das Schriftbild gut lesbar und differenziert mal die Abbildungen als Illustration nutzen, mal die Katalognummern das Bild durch größeren Abdruck herausheben und den entsprechenden Text mit den Bilddaten und Provenienz sowie Literatur nur klein am Rand abdrucken.

Beides entspricht den unterschiedlichen Erfordernissen von Essays – insgesamt achtzehn – und dem Katalogteil, der den vier Sektionen der Ausstellung folgt: DAS ICH UND SEINE NEUEN MEDIEN, ABMACHEN UND NEUMACHEN,‘GWALTIGE KUNST‘. DÜRER ALS DRAMATIKER, WAS IST KUNST?  Dies Buch ist also einerseits ein getreulicher Führer durch die Ausstellung und bringt die Ideen, die die Hängung beeinflußten, auch im Wort zur Sprache. Andererseits ist es so anschaulich gestaltet, daß auch derjenige, der nicht nach Nürnberg kommt, einen Eindruck von dem bekommt, worum es den Ausstellungsmachern ging. Die Essays zudem sind mit vielen Zwischenüberschriften und eben dokumentiertem Bildmaterial nicht auf wissenschaftliche Länge, sondern pointierte und verständliche Vermittlung gerichtet. 

Besonders erwähnt werden muß der Anhang, in dem Thomas Eser „Materialien für eine Dürer-Matrix von 1471 bis 1505“ liefert, wo vertikal die Daten stehen und horizontal das Ereignis, die Quelle, Belege und Literatur sowie Evidenz eingetragen sind: Als Beispiel: links ist eingetragen: „21.5.1471, etwa 10 Uhr vormittags“, dann folgt horizontal „Geburt und Geburtsdatum, Taufpate“, sodann werden die Quellen angegeben, die ältesten historischen Belege aufgeführt, die entsprechende Literatur angeführt und zur Evidenz vermerkt: „Sicher.“

Letzteres heißt dann bei anderen Ereignissen „sehr spekulativ“, „Plausibel, aber nicht gesichert“, „unklar“…Uns hat diese Matrix auf den Seite 536 bis 552 so elektrisiert, daß wir sie regelrecht studierten, darüber aber dann die Bilder vergaßen. 

Ähnlich ging es uns dann mit DÜRERS NACHBARSCHAFT, die Sebastian Gulden kommentiert. Aus dem „Prospekt der Reichsstadt Nürnberg“ von Hieronymus Braun, Nürnberg 1608 hat Gulden die Burgstraße, aber auch weitere Straßenzüge mit den erkennbaren Häusern mit Nummern versehen und diese Nummern genau hinsichtlich ihrer Bewohner dokumentiert. Sie glauben gar nicht, wer alles im Nürnberg der damaligen Zeit an wichtigen Leuten wohnte. Ein ebenfalls spannendes Dokument. Rundherum ein gelungener Katalog zu einer gelungenen Ausstellung, die noch lange nachwirken wird. 

Info:

Mit freundlicher Unterstützung des Maritim Hotel Nürnberg. Nur ein paar Schritte vom Hauptbahnhof entfernt, liegt das Maritim Hotel geradewegs auf dem Weg zum Museum, das also auch in wenigen Minuten erreicht wird. Ein praktisches Argument. Das Maritim verblüffte uns dann ob seines Eingebundenseins in die Nürnberger Stadtgesellschaft, wo es eine Größe für Feiern und Tagen, für Veranstaltungen und Treffen ist. Als Hotel hat es alle modernen Annehmlichkeiten, eine hervorragende Speisekarte, bzw. Buffet, und ist rundherum zu empfehlen.

Maritim Hotel Nürnberg
Frauentorgraben11
90443 Nürnberg
Tel: 0911-2363-0
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