Etwas muffelig stehen zwei blaue Langnasen-Zwerge aus Beton am Fuß der Treppe. Auf einem Gemälde oben am Treppenknick stürmt ein Paar in die Ausstellung im zweiten Stock, eine Frauenbüste, ebenfalls aus Beton, weist ihnen mit spitzer langer Nase den Weg. Die eiligen Kunstfreunde bemerken gar nicht das seltsame Bild an der Wand hinter ihnen, auf dem eine Frau ein Krokodil im Arm wiegt. Was mag da wohl passieren, wenn die Echse gleich die Augen öffnet?
Ganz zentral hängt oben im kleinen Raum das großformatige Bild „Melancholia“. Erstaunt und melancholisch betrachtet Frau Europa ihre 28 Kinder, die sich streiten, prügeln oder Straßen bauen. Drumherum sind typische Dorle-Bilder drapiert, wichtig aussehende Männer mit Schnecken im Haar oder Tigerenten, die sie hinter sich herziehen. Frauen wiegen diese bedeutsamen Männer oder auch schon mal eine rosa Sau in ihren Armen. Es ist unglaublich, dass man das Treppenhaus und den winzigen Raum so gut gestalten kann, wie die Kuratoren Werner Obländer und Hannah Wölfel. Die Werkauswahl ist klein, zeigt aber hoch verdichtet den sarkastischen und doch liebevollen Geist der künstlerischen Arbeit der Malerin und Bildhauerin. Einige der ausgestellten Arbeiten kann man auch zu sehr günstigen Preisen kaufen.
Doch bevor die gut einhundert Besucher, Weggefährten und Freunde Dorle Obländers nach und nach in kleinen Grüppchen die Ausstellung ansehen konnten, wurde im Freien gefeiert. Am warmen Sommerabend zur Eröffnung sang Eckhard Siebers traurig-hoffnungsvolle Lieder („Alles verändert sich, aber die Liebe, der Schmerz bleiben...“). Bürgermeister Falko Fritzsch erzählte sichtbar bewegt und persönlich von seiner letzten Begegnung mit der Künstlerin. Dann verkündete er die, nun ja, freudige Sensation, dass die Stadt Schlüchtern mit Hilfe von Sponsoren den Hymnen-Zyklus Obländers kaufen und dauerhaft im zweiten Stock des Museums ausstellen wolle. Vor zwei Jahren hat die Künstlerin die häufig kriegerischen, aber auch andere merkwürdigen Aussagen aller europäischen Nationalhymnen ironisch in einer Bilderserie aufs Korn genommen.
Später erzählte der Mann der Verstorbenen, Werner Obländer, wie manche Bilder zustande kamen und interpretierte aus seiner Sicht, was das eigentlich Komische daran sei. Etwa saßen Dorle und er beim zweiten Frühstück, lasen die Bild-Zeitung und seine Frau sei oft vom selbstgefälligen Gesichtsausdruck mancher Würdenträger begeistert gewesen. Diese hilflosen Gestalten aber porträtierte sie nicht - sondern deren verzweifeltes oder lächerliches Ringen um Seriosität und Glaubwürdigkeit. Das fand sich dann in ihren gemalten „Typen“ wieder. Fritzsch und Obländer betonten jedoch beide, die Malerin sei kritisch und beißend spöttisch in ihren Bildern gewesen, aber niemals verletzend oder denunzierend.
Obländer machte auch darauf aufmerksam, dass die Gemälde für ihn neuerdings eine zeitliche Dimension hätten: „Oft scheinen sich Dorles Figuren gar nicht ihrer Wirkung und ihrer Situation bewusst zu sein. Wir als Betrachter wissen oft mehr über sie.“ Als Beobachter frage man sich, was war vorher und wie geht das nun weiter? Was passiert, wenn das bereits erwähnte Krokodil in den Armen der Frau erwacht oder das scheinbar glückliche Paar merkt, dass es auf einer riesigen schlafenden Echse wohnt?
„Das bleibt - Komische Typen und seltsame Vögel“, wie diese Ausstellung heißt. Die Schau bietet uns Betrachtern die Möglichkeit, immer wieder neue Fantasien zu Dorles Werken zu entwickeln, aber auch von ihrem Blick auf die verrückte Welt zu lernen: Milde zu sein statt sich aufzuregen, kritisch zu lachen statt alles so fürchterlich ernst zu nehmen!
Foto: (c) Hanswerner Kruse
Info: „...das bleibt! Komische Typen - schräge Vögel. Bilder und Figuren von Dorle Obländer“ im Bergwinkel-Museum Schlüchtern bis zum 6. November 2016. Geöffnet Dienstag - Sonntag 14 - 18 Uhr
