T Bonobo Fuetterung Copyright Zoo FrankfurtFrankfurter Zoo: Wie die Wiedereingliederung in die Gruppe der Artgenossen gelingen kann und warum sie so wichtig ist

Katharina Klein

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zwei Bonobo-Jungtiere mussten im Zoo Frankfurt in den letzten Monaten von den Tierpflegerinnen und Pflegern aufgezogen werden. Ein Jungtier konnte mittlerweile wieder in die Bonobo-Gruppe integriert werden, beim anderen steht das noch aus. Es ist herzzerreißend, wenn man sieht, wie toll die Pfleger und Pflegerinnen die Mütter ersetzen. 

Die beiden im Dezember 2017 und April 2018 geborenen Bonobo-Jungtiere Xhosa und Yango wurden von ihren Müttern nicht angenommen. In Abstimmung mit dem Zuchtbuchkoordinator wurde beschlossen, die Jungtiere zunächst aus der Gruppe zu nehmen und durch das Team der Tierpfleger aufzuziehen. Eine Entscheidung, die sehr gut überlegt sein will, denn Zoos lehnen sogenannte Handaufzuchten bei den meisten Tierarten ab. Der Grund: Durch den Menschen aufgezogene Wildtiere kennen viele arttypische Verhaltensweisen nicht und haben in ihrem späteren Leben häufig Probleme, in einer Gruppe zu Recht zu kommen oder ihre eigenen Jungen aufzuziehen. In manchen Fällen ist es nicht möglich, handaufgezogene Tiere in die Gruppen ihrer Artgenossen zu integrieren oder sie zu verpaaren.

Handaufzuchten sind vor allem bei vielen Säugetierarten problematisch. „Bei manchen hochbedrohten Tierarten wie den Bonobos muss man allerdings die Risiken und Nachteile für das Tier gegen den Nutzen für die Art abwägen. Es kann gute Gründe geben, sich für die Aufzucht durch den Menschen zu entscheiden. Dabei ist es allerdings wichtig, die Jungtiere so schnell wie möglich wieder in die Ursprungsgruppe zu integrieren“, erklärt Zoodirektor Miguel Casares.

Der Zoo Frankfurt steht bei so wichtigen Tiermanagement-Entscheidungen nicht nur in engem Kontakt mit dem Zuchtbuch, sondern auch der EAZA (European Association of Zoos and Aquaria) und dem VDZ (Verband der Zoologischen Gärten). Bei den beiden Bonobo-Jungtieren wurde hier gemeinschaftlich die Entscheidung getroffen, die Aufzucht zu wagen. „Der Frankfurter Zoo hat in der Menschenaffen-Haltung einen exzellenten Ruf“, erläutert Casares. „Und unsere Menschenaffen-Pfleger – Revierleiter Carsten Knott und sein Team – haben viel Erfahrung mit der Wiedereingliederung von Bonobo-Jungtieren. In keinem anderen Zoo der Welt gibt es dieses langjährige Know-how. 2004 gelang es in Frankfurt, weltweit zum ersten Mal, ein Jungtier bereits im Alter von drei Monaten in die Gruppe zu integrieren“, so der Zoodirektor.

Insgesamt wurden in Frankfurt bereits fünf Bonobo-Jungtiere über den Weg der kooperativen Aufzucht erfolgreich in die Gruppe wiedereingegliedert. Dabei sind die Jungtiere nur in den ersten Monaten vollständig in der Obhut der Pfleger und auch in dieser Zeit bleibt der Kontakt zu den Artgenossen immer bestehen. Menschenaffen haben eine Stillzeit von etwa drei Jahren und werden lange von ihren Müttern betreut. Ohne den Kontakt zu Artgenossen in diesen frühen Jahren kann keine artspezifische Erziehung erfolgen. Es ist daher wichtig, dass Pfleger und Menschenaffen sich in Kooperation um nicht angenommene Jungtiere kümmern. Die Erziehung wird dabei von den Artgenossen übernommen und die Versorgung durch den Menschen beschränkt sich auf das absolut notwendige Maß.

Xhosa wurde am 21. Dezember 2017 geboren, seine Mutter Kamiti hat ihn sechs Tage lang gestillt, alles sah zunächst gut aus. Aber dann wurde der Kleine immer schwächer. Das Zoo-Team entschied, das Jungtier zu untersuchen. Es wurde 14 Tage lang aufgepäppelt und dann seiner Mutter zurückgegeben, denn Kamiti ist als gute Mutter bekannt. Aber diesmal nahm sie ihr Baby nicht wieder an und Xhosa wurde mit der Flasche aufgezogen. „Flaschenkinder können erst wieder zurück in die Gruppe, wenn sie durchschlafen und das ist mit etwa drei Monaten der Fall“, erläutert Knott. Die Mutter oder Ziehmutter muss das Jungtier zum Trinken an das Gitter bringen, hier erhält es vom Pfleger-Team die Flasche. Täglich trainierten Knott und sein Team mit den Bonobos. Vor allem die Weibchen erhielten Belohnungen, wenn sie sich länger am Gitter aufhielten. Das Jungtier wurde immer in engem Kontakt mit den Artgenossen gehalten.

Am 13. April war es soweit, Xhosa schlief durch und ein weiterer Integrationsversuch wurde unternommen, allerdings diesmal leider mit schlechtem Ausgang. Das Jungtier wurde angegriffen und musste verletzt wieder aus der Gruppe genommen werden. „Damit konnten wir nicht rechnen“, sagt Casares. „In der Vergangenheit ist so etwas noch nie geschehen, aber es zeigt uns, dass wir die Tiere nie hundertprozentig einschätzen können und eine Wiedereingliederung immer auch Risiken birgt.“ Nachdem sich das Jungtier vollständig erholt hatte, wurde letzte Woche ein weiterer Integrationsversuch unternommen. Diesmal gelang es, wenn auch anders als erwartet, denn keines der Weibchen, auch nicht die Mutter, nahm das Jungtier auf. Der sechsjährige Sambo allerdings interessierte sich überraschend für Xhosa, trägt ihn seither bei sich und bringt ihn zum Trinken ans Gitter. Auch Sambo wurde seinerzeit mit der Flasche aufgezogen.

Yango wurde am 17. April geboren. Seine Mutter Zomi kümmerte sich zwar um ihn, ließ ihn aber nicht trinken, sodass der Kleine zwei Tage nach der Geburt stark unterkühlt aus der Gruppe genommen werden musste. Noch ist Yango für eine Reintegration in eine Bonobo-Gruppe zu jung. Gemeinsam mit dem Zuchtbuch und dem VDZ werden derzeit verschieden Optionen für das weitere Vorgehen geprüft. Es ist keineswegs ausgeschlossen, Yango wieder in die Frankfurter Gruppe einzuführen. Eine Alternative ist, ihn in einen anderen Zoo abzugeben wo er mit einer geeigneten Ziehmutter zusammengebracht wird.

„Zwei Handaufzuchten in so kurzer Zeit sind für uns eine Herkulesaufgabe“, erklärt Casares und bedankt sich herzlich bei seinem Team für das große Engagement. Zugleich ist er froh darüber, dass Handaufzuchten bei den Menschenaffen die Ausnahme sind. „In der Regel sind Bonobo-Weibchen hervorragende Mütter. So zieht auch Bashira ihr ebenfalls im Dezember 2017 geborenes Jungtier selbständig und problemlos auf.“

Foto:
Der Bonobo Xhosa wird am Netz gefüttert©