ll minskKommentar in der neuesten Ausgabe der Deutschen Olympischen Sportbunds(DOSB) -Presse

Christian Sachs

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die zweiten Europaspiele in Minsk/Belarus haben positiv überrascht und dem Projekt der Etablierung kontinentaler Spiele in Europa neue Energie verliehen. Mit der Fokussierung auf optimale Rahmenbedingungen für die rund 4000 Sportler*innen, einer exzellenten Organisation und der großen Gastfreundlichkeit der Belarussen sind viele Vorurteile und Stereotype – insbesondere auf Seiten der Westeuropäer – abgebaut worden.

Und es ist zu hoffen, dass auch die Menschen in Belarus aus dem Gefühl, ein Mitglied der europäischen Familie zu sein, Kraft und Selbstbewusstsein für den schwierigen Alltag ziehen, wenn der Sportzirkus längst weitergezogen ist. Gleichzeitig bleibt noch sehr viel zu tun. Denn trotz der schönen Tage von Minsk ist und bleibt vieles „faul im Staate Lukashenko“. Die Zivilgesellschaft wird an der Partizipation am gesellschaftlichen und politischen Leben gehindert, Menschenrechte und Pressefreiheit bleiben weit hinter europäischen Standards zurück. Und wenn die zarten Versuche eines Moratoriums bei der Todesstrafe mit einer Exekution kurz vor der Eröffnungsfeier der Spiele konterkariert werden, zeigt sich die Kaltblütigkeit des Regimes in schlimmster Form. Umso wichtiger und eindringlicher war es für uns, vor Ort mit Menschen zu sprechen, die sich in der Zivilgesellschaft und als Aktivisten für Menschenrechte engagieren.

Es ging darum zuzuhören und unsere Gesprächspartner – im Rahmen unserer Möglichkeiten – im Kampf um Reformen, Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit zu bestärken. Besonders beeindruckend war dabei der uns vermittelte Optimismus, dass gesellschaftliche Transformation möglich ist. Es ist wertvoll, dass die Deutsche Sportjugend einen nachhaltigen Kontakt zur belarussischen Jugendorganisation RADA unterhält. Weiterentwicklung ist aber auch das Stichwort für die sportliche Zukunft der Europaspiele. Basketball 3x3 zeigte seine hohe Attraktivität und wird erstmals als olympische Sportart in Tokio die Fans begeistern. Da müssen wir in Deutschland schnell den Rückstand auf die Konkurrenz aufholen. Auch das anfangs belächelte Teamformat der Leichtathletik konnte trotz mäßigem Niveau auf Grund seines spannenden Formats überzeugen.

Die Besten der Besten in Europa auf diese Weise gegeneinander antreten zu lassen, könnte der Leichtathletik neue At-traktivität verleihen. Klare Gewinner, auch aus deutscher Sicht, war das Tischtennis, das durch die Chance der direkten persönlichen Qualifikation für Tokio die besten Spielerinnen und Spieler des Kontinents nach Minsk gelockt hatte und Spitzensport auf Weltklasseniveau bot. Die Einbindung der Besten des Kontinents durch direkte Olympiaqualifikationen sowie die Integration von attraktiven Teamsportarten als Anker für Teamspirit und mediales Interesse muss nun die Zielstellung des Europäischen Olympischen Komitees (EOC) gemeinsam mit den Verbänden für die dritte Auflage der Spiele in Krakau/Polen sein. Anders ist das öffentliche Interesse an diesem Veranstaltungsformat und damit das Interesse von Sponsoren nicht zu erreichen. Die Region im Süden unseres östlichen Nachbarn hat bereits bei den World Games 2017 ihre Tauglichkeit unter Beweis gestellt und im volleyballverrückten Polen gibt es eine gute Basis für eine positive Zukunft der Europaspiele. Eine Weiterentwicklung ist gleichzeitig notwendig und erwünscht.

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Der Autor Christian Sachs ist Leiter des Hauptstadtbüros des Deutschen Sports in Berlin.
Abdruck aus 3 • Nr. 27 • 02. Juli 2019