„Bewegte Frauen - Migrationsgeschichten von 1945 bis heute“
Hanswerner Kruse
Schlüchtern (weltexpresso) - Ab heute präsentiert das Bergwinkel-Museum in einer Biografie-Ausstellung „Bewegte Frauen“ (so der Titel) aus dem Main-Kinzig-Kreis. Auf großen Planen werden 24 jüngere und ältere Frauen aus dem Landkreis jeweils mit einem Foto und Auszügen aus ihrer Lebensgeschichte vorgestellt. Allen ist gemeinsam, dass sie Migrantinnen sind: Einst Vertriebene aus Ostpreußen oder dem Sudetenland, Geflüchtete aus Afghanistan, Nigeria oder Algerien und freiwillig Hiergebliebene aus demokratischen Ländern. Die Biografietafeln bilden keine geschlossene Ausstellung, sondern sind im ganzen Museum verteilt: Sie stehen zwischen den Gemälden Dorle Obländers, historischen Dokumenten, Erinnerungen an vertriebene jüdische Mitbürger und Antiquitäten. Diese Kuratierung der Museumsleiterin Birgit Schwarzer symbolisiert die Situation aller vorgestellten Migrantinnen: Sie leben erst einige Jahre oder seit Jahrzehnten unter uns, sind in ihrer zweiten Heimat integriert - aber bewahren sich auch ein Stück ihrer Kultur. „Meine Wurzeln, meine Tradition, meine Lebensfreude und die Musik“, erklärt Daisy aus Kuba.
Viele der Frauen hatten Schwierigkeiten hier Fuß zu fassen, vermissten die Strände und Wärme, haben manchmal noch Heimweh oder es fehlen ihnen ihre Familien. Aber alle schlugen sich tapfer durch, lernten schnell Deutsch und genießen hier Sicherheit und Frieden. Sie schätzen die deutschen Tugenden wie Offenheit, soziale Verantwortung und Pünktlichkeit. Darum möchte Francis aus Gabun mit ihrer Biografie Vorbild für andere Geflüchtete sein, Manal aus Syrien will Deutschland und all ihren Helfern etwas zurückgeben. Viele der Frauen sind Dolmetscherinnen und Integrationshelferinnen geworden. „Ich bin ein glücklicher Mensch“, meint Roya aus Afghanistan, die in der Kreisverwaltung arbeitet.
Die 99-Jährige Irmgard, die nach dem 2. Weltkrieg aus dem Sudentenland flüchtete, erinnert sich: „Als sie (die Einheimischen) merkten, dass wir was können und wir die Gesellschaft mit unserem Können und unserem Wissen bereichern, entstanden tiefe Freundschaften.“ Ähnliches gilt auch für die Frauen, die heutzutage flüchten mussten. Manche erlebten grauenhafte Verbrechen wie Raub, Vergewaltigungen und Mord. Der 88-Jährigen Evi ging es auf ihrer Flucht aus Ostpreußen nicht anders: „Die Angst hat mich ein Leben lang verfolgt.“
Kreisbeigeordnete Susanne Simmler lädt zu dieser Ausstellung ein: „Bewegen sie sich auf die Reise und lassen sie sich bewegen.“ Man kann nicht alle Tafeln lesen, deshalb gibt es kostenlos das vom Kreis erstellte Buch mit den spannenden Erzählungen aller Frauen und ergänzenden Texten. Darin wird deutlich, dass Migration und Flucht nicht erst seit 2015 Thema sind, als Bundeskanzlerin Merkel erklärte: „Wir schaffen das.“ Die Autorinnen des Büros für interkulturelle Angelegenheiten machen deutlich, Migration sei so alt wie die Menschheit.
Sonderausstellung „Bewegte Frauen - Migrationsgeschichten von 1945 bis heute“
im Bergwinkelmuseum Schlüchtern bis 15. November 2020.
Öffnungszeiten
Freitag/Samstag 15 - 19 Uhr, Sonntag 14 - 19 Uhr
Buchauszug:
„Ich bin ein glücklicher Mensch“
Foto: Aufbau der Ausstellung (c) Hanswerner Kruse