... und was Bremer in diesem Haus dazu beitrugen!


Klaus Jürgen Schmidt

Nienburg/Weser (Weltexpresso) – Wir sind im Jahr 2050 und blicken rund 70 Jahre zurück: Am 15. März 1979 war die Bremer Grüne Liste (BGL) gegründet worden, die im selben Jahr für die Bremische Bürgerschaft kandidierte. Am 7. Oktober war die BGL dann mit vier Abgeordneten in die Bürgerschaft eingezogen. Damit war sie die erste grüne Gruppierung in einem westdeutschen Landesparlament. Wir blicken 30 Jahre zurück, um zu erkennen, was grünes Bremer Wirken für den Erdenkreis erreicht hat. 


Gegen Ende des Jahres 2020, hatte eine Pandemie der Entleerung der Bremer Innenstadt eine Krone aufgesetzt. Kaufhäuser, sowieso schon fast pleite, schlossen für immer. Wer noch einen Laden fand, musste mit Gesichtsmaske und Abstand anstehen. Flucht in anderes deutsches oder ausländisches Gebiet verbot die dort vorherrschende Pandemie-Farbe Rot.

Wer hätte die Zeche zahlen müssen, wenn es unter diesen Umständen zur lange geplanten Umgestaltung dieser Innenstadt gekommen wäre? Der weltweit agierende Bremer Unternehmer, dem viele Gebäude im Sanierungsbereich gehörten, und der immer engste Beziehungen zu den Bremer Machtzentren gehalten hatte? ... Als im Mai 2002 der Leiter der Bremer Staatsanwaltschaft, Jan Frischmuth, in den Ruhestand verabschiedet worden war, hatte er betont: Die Ermittlungen im Umfeld des Bremer Baulöwen Kurt Zech hätten bislang schon ein Ausmaß von Bestechlichkeit in der Hansestadt zu Tage gefördert, das er selbst nach einem Berufsleben in der Justiz „nie für möglich“ gehalten habe – (zitiert im seinerzeit noch existierenden SPIEGEL-Magazin.)
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/schmiergeldaffaere-in-bremen-jede-menge-sprengstoff-a-198480.html

Wer hatte 2020 das Sagen in Bremen? Das Haus der Bürgerschaft, Sitz des Landesparlamentes, war seit Juli 2019 geschlossen. Das modernistische, 1966 errichtete Gebäude sollte für knapp 10 Millionen Euro umfassend modernisiert und renoviert werden. Das Parlament tagte in jener Zeit im Festsaal des Rathauses. An der Ecke dieses Rathauses steht noch heute die Bronze-Figur der „Bremer Stadtmusikanten“. Deren Geschichte war an dieser Stelle vor 30 Jahren erzählt worden:
https://weltexpresso.de/index.php/lust-und-leben/20108-buten-und-binnen-wagen-un-winnen
Sie endete mit dem Satz: „Die Pfeffersäcke in dieser Stadt haben nie gemerkt, dass sie sich an der Ecke von ihrem Rathaus ein Symbol hingestellt haben, das zeigt, wie man Räuber vertreiben kann.“

Diese Geschichte bei „Weltexpresso“ muss seinerzeit der/die eine oder andere Grüne in der Hansestadt veranlasst haben, in der Geschichte Bremens nach Aufmüpfigkeit zu forschen. Damals war es jedenfalls zu einem ungewöhnlichen grünen Einfall gekommen, und zum Besuch in dem oben gezeigten Haus der Hansestadt, von dem Bremer Bürger kaum wussten, wer darin residierte.

Das Gewerbehaus in Bremen ist ein repräsentatives Bauwerk aus dem frühen 17. Jahrhundert und ist noch immer Sitz der ältesten deutschen Handwerkskammer. Was sich darin seit dieser Gründung abgespielt hatte, wurde offenbar zur Vorlage für eine neue Bremer Revolution. Wir lesen nach in digital erhaltenen Dokumenten von einer Organisation, die sich vor 30 Jahren WIKIPEDIA nannte:

https://de.wikipedia.org/wiki/Handwerkskammer_Bremen

„Die Idee der Selbsthilfe der Kaufleute und Gewerbetreibenden durch Zusammenschluss geht bis ins Mittelalter zurück. 1451 hatten sich die Elterleute der bremischen Kaufmannschaft (Olderlüde des Koopmanns) eine Satzung gegeben. Bis 1849 gab es diese Einrichtung. Sie war die – später Collegium Seniorum bezeichnet – anerkannte und mächtige Interessensvertretung gegenüber dem Rat der Stadt. Die Bemühungen der Handwerker im frühen 19. Jahrhundert, für das aufstrebende Gewerbe eine eigene Organisation zu schaffen, trafen sich mit den Bestrebungen im Senat, das Collegium Seniorum in seinen Funktionen und in seinen überzogenen Forderungen zu begrenzen. In einem Verfassungsentwurf für Bremen von 1837 war neben dem Collegium Seniorum schon eine Kammer für Handel und Gewerbe angedacht. In der Bürgerschaft waren 115 Mitglieder vorgesehen, davon 12 Sitze für die Kammer für Handel und Gewerbe, weitere für das Collegium Seniorum, dem Gelehrtenstand, der Kirche und nur 30 Sitze für gewählte bremische Staatsbürger. Auch war neben dem Handelsgericht ein Gewerbegericht vorgesehen.

Der Verfassungsentwurf scheiterte und die Privilegien der Kaufleute blieben. Bei den wenigen Konventsversammlungen (später Bürgerschaft genannt) in Bremen wurden nur wenige und gefügige Handwerker eingeladen. Die Unzufriedenheit wuchs. 1845 emanzipierte sich das Handwerk durch die Gründung des Gewerbevereins zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft, bei welcher der redegewandte Tischlermeister Cord Wischmann – später Vizepräsident der Kammer – führend mitwirkte. Am 17. Januar 1848 gründete sich der Bremer Bürgerverein mit anfangs 204 Mitgliedern unter Vorsitz von Wischmann und bei Beteiligung vieler Handwerker. In den Zeiten der Deutschen Revolution von 1848/49 kam es zu Veränderungen. Am 7. März 1848 versammelten sich, nach vorangegangenen Krawallen, auf Initiative des Bürgervereins Tausende aufgebrachte Bürger vor dem Bremer Rathaus und ein Forderungskatalog wurde im Krameramtshaus (seinerzeit der Name für Bremens Gewerbehaus) beschlossen. Am 8. März 1848 vertrat Wischmann vor dem Senat die so genannte Sturmpetition, in der sechs neue Rechte eingefordert wurden: Wirkliche Volksvertretung, Öffentliche Konventsverhandlungen, Pressefreiheit, öffentliches Gericht und Geschworenengerichte, Trennung von Justiz und Verwaltung, Volksvertretung beim Bund. Der Senat akzeptierte und schon am 19. April 1848 wurde eine neue Bürgerschaft gewählt.“

In den frühen zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts zog in das Bremer Gewerbehaus ein Parlament ein, in dem nicht mehr Vertreter abgewirtschafteter Parteien, sondern von Bremer Arbeitern und Angestellten gewählte Betriebsräte das Sagen hatten!

Ein durch sie organisiertes Volksbegehren änderte, damals vor 30 Jahren, die Verfassung des Stadtstaates Bremen. Und sie veränderte städtisches Leben komplett: Das für 10 Millionen Euro renovierte ehemalige Bürgerschafts-Gebäude am Markt beherbergt seitdem die modernste Schule Europas für das Erlernen traditionellen Handwerks.
Seitdem sind europäische Innenstädte wieder mit Leben erfüllt. Kleine Werkstätten reihen sich an kleine Cafés und Restaurants, meistens eingerichtet in den Erdgeschossen einstiger Konsumtempel. In den Stockwerken darüber leben jene Menschen, die unten bei den Handwerkern bestellen, was sie für ihren Alltag brauchen und bringen, was repariert werden kann.

Und dann passierte vor zehn Jahren etwas Unglaubliches: China begann zu kopieren, was in Europa das neue Wirtschaften versprach. Auf Weisung Pekings wurde in der ganzen Volksrepublik und entlang seiner „Neuen Seidenstraße“ ein rotes Büchlein verbreitet, sein Autor: Ernst Friedrich Schumacher, ein britischer Ökonom deutscher Herkunft!
Sein 1973 vollendete Buch „Small is beautiful“ war da schon lange ein Bestseller. 1977 hatte sogar US-Präsident Jimmy Carter den Autor ins Weiße Haus eingeladen. Dort haben seine Ideen nichts bewirkt, wie wir jetzt, im Jahr 2050, wissen, und bei uns waren sie lange Zeit ebenfalls in Vergessenheit geraten.

Halt! Ich höre soeben, man muss das Buch nicht auf Chinesisch lesen:

„Small is Beautiful. Die Rückkehr zum menschlichen Maß“, Neu-Auflage: Mit einer Einführung von Niko Paech (Bibliothek der Nachhaltigkeit / Wiederentdeckungen für das Anthropozän). oekom, München 2019, ISBN 978-3-96238-136-3.

Foto:
alte Ansichtskarte
© Klaus Jürgen Schmidt

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