Aus dem Kundenservice der WELT zu Corona vom Vortag, 3
WELT Corona-Update
Hamburg (Weltexpresso) - Mit einer zentralen Gedenkfeier nach Ostern will Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an die zahlreichen Menschenleben erinnern, die die Corona-Pandemie in den vergangenen Monaten gefordert hat. Denn gerade wurde ein trauriger Rekord erreicht: Mehr als 50.000 Menschen sind hierzulande an oder mit dem Coronavirus gestorben.
Nun die etwas freudigere Nachricht: Der Lockdown, der erst in dieser Woche bis zum 14. Februar verlängert wurde, scheint langsam zu wirken. „Die Zahlen entwickeln sich in die richtige Richtung, aber sie sind noch auf einem zu hohen Niveau“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Vormittag in Berlin. Damit bezieht er sich auf die neuesten Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI): Am Freitag meldete die Behörde 17.862 neue Corona-Fälle innerhalb von 24 Stunden – rund 4500 Ansteckungen weniger als am vorigen Freitag. Aber: 859 Menschen starben zugleich im selben Zeitraum.
Die Sieben-Tage-Inzidenz lag laut RKI am Freitagmorgen bei 115,3 – mit weiterhin großen Unterschieden zwischen den Bundesländern: Die höchsten Inzidenzen verzeichneten Thüringen mit 218,4 und Brandenburg mit 194,4. Den niedrigsten Wert hatte Bremen mit 80,9.
DAS GESPRÄCH DER WOCHE mit Julia Scharnhorst
Eine neue Verordnung verpflichtet seit dieser Woche zum Arbeiten im Homeoffice. Julia Scharnhorst (im Foto) ist Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin – und berät Unternehmen zur psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz. Sie weiß, auf was man im Homeoffice achten muss.
WELT: Frau Scharnhorst, welche Auswirkungen hat es, wenn unser Zuhause zum Büro wird?
Scharnhorst: Aus Studien zum Homeoffice, die allerdings vor der Pandemie durchgeführt wurden, wissen wir, dass Wutausbrüche oder Erschöpfung öfter auftreten als im Büro. Beim Homeoffice im Lockdown kann es auch zu psychosomatischen Stresssymptomen kommen. Das kann bei Schlafproblemen anfangen und bis hin zu Kreislauf- oder Magen-Darm-Problemen gehen. Ich beobachte auch, dass viele sich emotional unter Druck gesetzt fühlen, auch von sich selbst, weil sie unsicher sind, was ein geeignetes Arbeitspensum ist. Es gibt aber auch Menschen, die sich besser fühlen, weil sie nun ohne Arbeitswege und Dienstreisen mehr Zeit haben. Andere schaffen mehr Arbeit weg, wenn die Kollegen einen nicht unterbrechen. Viele Arbeitnehmer genießen nun eine gewisse Autonomie, wodurch eine höhere Arbeitszufriedenheit entsteht.
WELT: Welche Rolle spielt die Unsicherheit mit dem Hin und Her an Maßnahmen und niemand weiß, ob es beim Lockdown bis Mitte Februar bleibt?
Scharnhorst: Das versetzt uns in Stress. Wir sind nicht gerne in unsicheren Situationen. Der Mensch ist ein Routine-Wesen und fühlt sich in bekannten Strukturen am wohlsten. Wenn jetzt der Lockdown auf scheinbar wenige Wochen ausgelegt ist, gehe ich nicht davon aus, dass Arbeitgeber andere Arbeitsbedingungen schaffen. Ich denke, dass viele im Homeoffice mit Behelfsmöglichkeiten arbeiten müssen, also zum Beispiel mit dem eigenen Laptop oder Handy. Uns fehlt im Moment Verlässlichkeit und die kann uns auch keiner geben. Das liegt in der Natur der Sache, gerade jetzt, wo das Coronavirus auch noch mutiert. Für viele Menschen ist das eine Stressbelastung. Für manche geht es zudem ans Existenzielle, zum Beispiel als Selbstständiger oder Arbeitnehmer in Kurzarbeit ist. Da kommen dann noch Existenzängste hinzu.
WELT: Welche ernsthaften Erkrankungen können auftreten, wenn Menschen längere Zeit im Lockdown und in damit verbundener Isolation leben?
Scharnhorst: Das kann von psychosomatischen Erkrankungen wie Schlafstörungen bis zu Angstausbrüchen oder Depressionen gehen. Wir wissen aus Untersuchungen von Isolation und Quarantäne, dass es sogar zu posttraumatischen Belastungssyndromen kommen kann, die teilweise über Jahre auftreten. Wir können noch gar nicht absehen, wie sich das alles mittel- und langfristig entwickeln wird.
WELT: Welche Maßnahmen helfen, um die soziale Distanz oder Isolation zu überwinden?
Scharnhorst: Bei Firmen, die ich betreue, erlebe ich sehr schöne Dinge, die neu eingesetzt werden. Zum Beispiel verabredet sich da ein Team zu einer bestimmten Uhrzeit in der Mittagszeit und geht gemeinsam – aber doch getrennt – spazieren. Jeder geht seine eigene Strecke und weiß, dass die anderen Kollegen gerade auch unterwegs sind. Dann senden sich alle Bilder, von dort wo sie sind oder von ihrer Route, die sie gewandert sind. Ich kenne auch Mitarbeiter, die sich über ein Videoprogramm für ein oder zwei Stunden zusammenschalten. Sie reden dann gar nicht die ganze Zeit miteinander, aber haben wie sonst auch ein Gegenüber am Schreibtisch. Das kann helfen, einer Vereinsamung entgegenzuwirken. Man kann die digitalen Medien gut nutzen, um doch möglichst dicht beieinander zu sein.
WELT: Hat die Pandemie in Bezug auf das Arbeiten im Homeoffice bisher auch etwas Positives bewirkt?
Scharnhorst: Die Pandemie an sich ist natürlich nicht positiv. Beim Thema Homeoffice ist aber positiv zu bewerten, dass wir jetzt viel besser lernen, wie wir mit digitalen Medien umgehen müssen. Ich glaube auch, dass in manchen Firmen die Freiräume, die man nun erarbeitet hat, dauerhaft bleiben werden. Also dass man anhand von Zielen arbeitet und weniger, weil einem der Chef über die Schulter schaut oder man eine bestimmte Stundenzahl im Büro absitzen muss. Ich glaube, dass man aus dem Arbeiten im Homeoffice auch mehr Arbeitszufriedenheit herausholen kann.
DER GERSEMANN DER WOCHE
Die Sieben-Tage-Inzidenz ist nun schon seit elf Tagen in Folge rückläufig, auf einmal erscheint das 50er-Inzidenz-Ziel, über das seit dieser Woche wieder so viel geredet wird, nicht mehr in unerreichbarer Ferne. Wenn es nochmal zwei Wochen lang so weiterginge, könnten wir tatsächlich bei 50 Fällen je 100.000 Einwohner und Woche sein.
DER BLICK AUF DIE ANDEREN
Quelle: Yoan Valat/EPA POOL/AP/dpa
Ab Sonntag müssen EU-Bürger bei der Einreise nach Frankreich einen negativen PCR-Test vorweisen. Bei diesen PCR-Tests handelt es sich um detaillierte Labortests, deren Ergebnisse bei der Einreise nicht älter als 72 Stunden sein dürfen. Bislang mussten Reisende aus EU-Staaten zwar auch einen negativen Test vorlegen – das konnten jedoch auch einfachere und billigere Antigentests sein. Für Menschen aus Ländern außerhalb der EU, also zum Beispiel aus Großbritannien, galt die PCR-Regel bereits.
Die Lage in Frankreich ist angespannt: Am Donnerstag meldete das französische Gesundheitsministerium 26.784 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden. Die 7-Tage-Inzidenz lag bei 374. An vielen Orten, wie zum Beispiel in Geschäften, gilt eine strenge Maskenpflicht – wobei diese in großen Städten wie Paris, Marseille oder Straßburg sogar im gesamten Stadtgebiet greift. Erst vor einer Woche wurde die Ausgangssperre ausgeweitet: Sie beginnt inzwischen um 18 Uhr (anstatt um 20 Uhr) und gilt bis 6 Uhr morgens. Dennoch: Den Lockdown weiter verschärfen will die französische Regierung bisher nicht.
Durch die Voraussetzung des negativen PCR-Tests wird deutlich, dass Frankreich einen Grund für die hohen Infektionszahlen im Reiseverkehr sieht. Die Einreisebedingungen werden zwar verschärft, doch auf dem digitalen EU-Gipfel in dieser Woche einigten sich die Mitgliedstaaten – darunter auch Frankreich – darauf, dass die EU-Binnengrenzen offen bleiben. Vorerst.
EU-Ratspräsident Charles Michel bestätigte zudem, dass die 27 EU-Staaten an einem gemeinsamen Impfpass arbeiten. Für den werben besonders Urlaubsländer wie Malta, Griechenland und Spanien.
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