Aus dem Kundenservice der WELT zu Corona vom Vortag, 5
WELT Corona-Update
Hamburg (Weltexpresso) - Die beruhigende Nachricht zum Ende der Woche: Die Entwicklung der Corona-Infektionen in Deutschland geht insgesamt in die richtige Richtung. Das Robert-Koch-Institut (RKI) registrierte 12.908 Corona-Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden und 855 Todesfälle. Vor genau einer Woche hatte das RKI noch 14.022 Neuinfektionen und 839 Todesfälle verzeichnet.
Zugleich bremste Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aber vor dem Corona-Gipfel in der kommenden Woche die Hoffnungen auf mögliche Öffnungen: „Wir haben in anderen europäischen Ländern gesehen, wie schnell die Zahlen nach Öffnungen wieder nach oben schnellen.“ Eine überstürzte Lockerung sei nicht die Lösung. Aber: „Wenn wir öffnen, dann zuerst die Kitas und die Schulen.“ Spahn sagte, er wisse, wie groß der Druck auf Familien sei: „Viele Familien mit Kindern sind am Limit. Diese Jahrhundertpandemie bleibt für uns alle eine Zumutung. Sie ist ein Charakter- und Stresstest für unsere Gesellschaft. Auch ich bin diese Pandemie leid.“
„Was uns beim RKI Sorgen macht, sind die Auswirkungen der Varianten des Virus“, fügte RKI-Präsident Lothar Wieler hinzu. Das Virus sei gefährlicher geworden. Vor allem die Variante B.1.1.7, die zuerst in Großbritannien nachgewiesen wurde, habe sich in Deutschland verbreitet. In 13 Bundesländern seien Mutationen nachgewiesen worden, die für etwas weniger als sechs Prozent der Infektionen in Deutschland verantwortlich seien. „Die Varianten haben dem Virus einen Boost gegeben.“ Dass es zu der B.1.1.7-Variante aber auch eine etwas erfreulichere Nachricht gibt, lesen Sie weiter unten im „Lichtblick."
Die Sieben-Tage-Inzidenz lag laut RKI am Freitagmorgen bei 79,9. Vier Bundesländer überschritten noch einen Inzidenzwert von 100. Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und das Saarland. Die Grenzregion zu Tschechien bleibt ein Brennpunkt der Corona-Pandemie in Deutschland.
DAS GESPRÄCH DER WOCHE
Quelle: Deutscher Kitaverband | Konzept-E
Waltraud Weegmann (im Foto) ist die Vorsitzende des Deutschen Kitaverbandes. Im Interview mit WELT erklärt sie, warum Kitas wieder öffnen sollten – und unter welchen Bedingungen das funktionieren könnte.
WELT: Frau Weegmann, Sie fordern, dass Kita-Personal bei der Corona-Impfung nun priorisiert werden sollte. Warum?
Weegmann: Erzieherinnen und Erzieher können bei ihrer Arbeit die Hygiene-Regelungen nicht einhalten. Zu Kindern kann man keinen Abstand halten. Man muss Kinder auf den Arm nehmen, sie füttern, wickeln und trösten. Kinder brauchen für die Kommunikation die Mimik der Erwachsenen – das heißt, dass Erzieherinnen und Erzieher nicht immer eine Maske tragen können. Die Corona-Impfung würde die Arbeit für Fachkräfte deshalb um einiges sicherer machen. Die Mitarbeiter wären vor einer Ansteckung geschützt und Kitas könnten langfristig geöffnet bleiben. Bisher ist es oft so, dass wir die Kita schließen müssen, sobald ein Corona-Fall auftaucht. Das ist für alle Eltern und Kinder eine zusätzliche Unsicherheit.
WELT: Reichen mehr Schnelltests oder FFP2-Masken nicht aus?
Weegmann: Wir brauchen einen Strauß an Möglichkeiten. Wir werden das Impfen nicht von heute auf morgen schaffen, auch wenn wir uns das wünschen. Wir benötigen gute Zwischenlösungen. Ich denke, dass wir die Teststrategie überdenken sollten. Wir müssten Schnelltests in den Kitas haben, sodass sich die Mitarbeiter sofort bei den ersten Corona-Anzeichen oder Ansteckungen im Umfeld testen können. So könnte man die Infektionsketten relativ schnell unterbrechen. FFP2-Masken sind natürlich für den Kontakt der Erwachsenen untereinander einem einfachen Mund-Nasen-Schutz vorzuziehen.
WELT: Welche Gewichtung sollte Kita-Öffnungen in der Debatte um Lockerungen zukommen?
Weegmann: Eine hohe Gewichtung! Kinder brauchen für ihre Entwicklung Freiraum und Bewegungsraum. In vielen Wohnungen gibt es diesen Raum nicht und die Kinder können auch nicht alleine nach draußen. Kinder sind davon abhängig, dass ihnen die Kitas das bieten. Sie brauchen ihre Freunde und die sozialen Strukturen in der Kita. Wenn Eltern mit ihren Kindern zuhause im Homeoffice sind, arbeiten sie. Sie können sich nicht die ganze Zeit mit den Kindern beschäftigen und sie auch nicht adäquat betreuen. Deswegen muss es unsere Priorität sein, die Kitas für die Kinder zu öffnen.
WELT: Die Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hat nun eine Kita-Ampel vorgeschlagen, also ein Drei-Stufen-System, nachdem Kitas geöffnet und geschlossen werden sollen. Was halten Sie von der Idee?
Weegmann: Ich kann dieses Ampelsystem nicht richtig nachvollziehen und bezweifle, dass es in der Praxis funktionieren kann. Wir schlagen vor, dass ein Rahmen geschaffen wird, sodass beim Auftreten eines Corona-Falles sofort die gesamte Kita mit Schnelltests getestet wird. Um ganz sicherzugehen, müsste dies an den nächsten drei Tagen wiederholt werden. Denn wenn jemand infiziert ist, hat diese Person vermutlich jemand anderes in der Kita angesteckt und es kommt darauf an, eine weitere Ansteckung so schnell wie möglich zu unterbinden. Was also eher helfen würde, ist eine gute und einfache Teststrategie möglichst vor Ort. Aber das ist nicht das, was hinter der Ampel steckt.
WELT: Eine AOK-Studie zeigt: Überdurchschnittlich viele Erzieher infizieren sich mit Corona. Hat die Regierung den Schutz von Erziehern vernachlässigt?
Weegmann: Das kann ich so nicht sagen. Erzieherinnen und Erzieher wurden recht früh festen und vor allem gleichbleibenden Kinder-Gruppen, sogenannten Kohorten, zugeordnet. Das ist eine große Sicherheit. In meinem Trägerkreis in Baden-Württemberg hatten wir wenige Infektionen von Mitarbeitern und diejenigen, die es hatten, haben sich häufig nicht in den Kitas angesteckt. Bei der AOK-Studie handelt es sich um eine nicht repräsentative statistische Auswertung von Krankschreibungen. In vielen Kitas ist es so, dass Mitarbeitern empfohlen wird, zur Sicherheit schon bei den kleinsten Anzeichen von Schnupfen oder Halsweh zuhause zu bleiben. Das ist auch richtig so, aber das heißt nicht, dass diese Personen alle Corona haben.
DER GERSEMANN DER WOCHE
Die Zahl der aktiven Corona-Fälle in Deutschland liegt aktuell bei 195.232 – und damit erstmals seit dem 4. November wieder unter 200.000. Gegenüber dem an Heiligabend erreichten Höchststand von 377.266 ergibt sich ein kräftiges Minus von 48 Prozent. Damit gibt es auch weit weniger Menschen als noch vor Wochen, die ansteckend sind. Dass die sinkende Zahl an gemeldeten aktiven Fällen ausgeglichen wird durch eine etwaige steigende Dunkelziffer, ist unwahrscheinlich. Darauf jedenfalls deutet unter anderem die sinkende Positivrate bei PCR-Tests hin.
DER BLICK AUF DIE ANDEREN
Während in Deutschland noch diskutiert wird, ob und vor allem wie der Lockdown gelockert wird, hat die Regierung in Österreich diese Entscheidung bereits gefällt: Ab Montag dürfen die Geschäfte wieder öffnen – die erste Lockerung nach sechs Wochen hartem Lockdown. Aber: „Das Tragen von FFP2-Masken ist Pflicht“, erklärte Kanzler Sebastian Kurz (im Foto). Und: Insgesamt dürfen nur wenige Kunden zeitgleich in einem Geschäft sein. Schulen gehen zum Präsenzunterricht über, wobei je nach Klassengröße Wechselunterricht stattfindet. Auch können Gottesdienste – mit Maske und Sicherheitsabstand – wieder abgehalten werden und ein Friseur-Besuch ist wieder möglich. Hierfür wird allerdings ein negativer Corona-Test benötigt, der nicht älter als 48 Stunden sein darf. Kurz sprach am Freitag auf Instagram von „strengen Strafen bei Verstößen gegen die Maßnahmen."
Unter anderem damit kein „Einkaufs- und Friseur-Tourismus" aus den Grenzregionen entsteht, zum Beispiel aus Bayern, wollen die Österreicher ihre Grenzen stärker kontrollieren. CSU-Chef Markus Söder warnte die Bayern bereits vor unnötigen Grenzpendeleien – und bezeichnete die Öffnungen im Nachbarland als „schlechtesten Weg", da sie verfrüht seien. Viele Friseure sind unterdessen schon ausgebucht: Auch der Friseur von Kanzler Kurz hat in den nächsten Wochen keinen Termin mehr frei, berichtet das Nachrichtenportal oe24.at. Für das Hotel- und Gastronomiegewerbe gibt es vorerst keine Lockerungen.
In Österreich gehen die Infektionszahlen derzeit langsam zurück. Sorgen bereitet allerdings eine neue Virus-Mutation: In der Region Tirol ist eine Variante des Coronavirus aufgetreten, die es scheinbar bisher nur dort gibt. Virologen wollen die Region daher abriegeln und auch die Skilifte sperren – Tirol aber wiegelt ab. Warum ein „Ischgl 2.0" droht, das erfahren Sie auf welt.de.
DER LICHTBLICK
Quelle: AP Photo/Frank Augstein
Der AstraZeneca-Impfstoff ist auch gegen die zuerst in Großbritannien entdeckte Coronavirus-Variante B.1.1.7 wirksam. Das teilte die Universität Oxford mit, die das Vakzin entwickelt hat. Der Schutz vor einer „symptomatischen Infektion" sei ähnlich hoch wie bei der bislang bekannten Virusvariante, hieß es in einer Mitteilung. Dabei bezieht sich die Uni auf eine vorläufige Studie. Da der AstraZeneca-Impfstoff in Deutschland nur für unter 65-Jährige empfohlen ist, kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag an, dass er die Impfverordnung ändern werde. Personen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren sollen bereits ab Februar mit dem AstraZeneca-Vakzin geimpft werden können: „Das ermöglicht uns eine Verdopplung der Impfungen im Februar“, so Spahn.
Bleiben Sie gesund!