wpo Solawi 7256Über den osthessischen Ableger der Solidarischen Landwirtschaft

Hanswerner Kruse

Schlüchtern (weltexpresso) - Die osthessische Initiative des bundesweiten Netzwerks „Solidarische Landwirtschaft“ (Solawi) erwischte einen regnerischen Pfingstsamstag, um sich in Schlüchterns Innenstadt vorzustellen. Doch die gut gelaunten Initiatoren redeten mit vielen interessierten Leuten über ökologische  Themen und nicht über das Wetter. Da durfte  das grüne Fahrrad am Stand, gleichsam als Markenzeichen, nicht fehlen.

Drei mit grünem Spargel, Champignons, Salat, Rhabarber, Kohl und weiterem Gemüse prall gefüllte Kisten waren nicht für den Verkauf gedacht. Vielmehr verwiesen sie dekorativ auf die Schlüchterner „Solawis“, die sich jeden Freitag ihre Gemüsekiste in einer Garage abholen. Jedoch eine Passantin ließ nicht locker und durfte schließlich einen Kasten für eine Spende mitnehmen. „Wir machen eigentlich keinen Direktverkauf und wir werden auch nichts in der neuen Markthalle anbieten“, erklärte ihr Heino Ackermann, der Koordinator des Projekts für die Bergwinkelstadt. „Denn Solidarische Landwirtschaft heißt bei uns, dass sich die Mitglieder der Gemeinschaft zu Beginn der Saison verpflichten, dem ökologischen Landwirt Fabian Benkner aus Neuhof den größten Teil seine Erzeugnisse abzunehmen“ (siehe Kasten).

Bio-Eier von freilaufenden Hühnern des Bauern bestellen die Beteiligten schon länger zusätzlich zu ihren Kisten. Am Straßenstand stellte die Gruppe neue Molkereiprodukte vor, denn nun können die Mitwirkenden ebenfalls Joghurt, Quark, Weichkäse und einen gereiften würzigen Käse von einer kooperierenden Käserei aus der Gegend bekommen. „Natürlich ist die Milch von Weidekühen, der Käse hat Demeter-Qualität“, weiß Ackermann, „und für nächstes Jahr wird die Aufnahme von Rindfleisch aus ökologischer Haltung vorbereitet.“

„Es geht nicht ausschließlich um gesunde Ernährung, regionale Produkte, Tierwohl und Klimaschutz“, betont der pensionierte Oberstudienrat Ackermann, „sondern uns ist ebenso der solidarische Aspekt sehr, sehr wichtig.“ Die Mitglieder tragen das Risiko von Missernten, garantieren die Abnahme der produzierten Lebensmittel und helfen dem Bauern wenn nötig bei der Arbeit. Ackermann hat auch schon mal Wildkräuter um Porreepflanzen weggehackt oder Sandsäcke vollgeschaufelt, um damit Planen zum Schutz junger Pflanzen zu beschweren. Solche Mitarbeit ist natürlich keine Pflicht, jedoch macht sie vielen „Solawis“ Spaß. Ebenso wie gemeinsame Feste, zusammen Brotbacken oder andere kooperative Aktivitäten, die allerdings in der Pandemie-Zeit zu kurz gekommen sind.

Solawi 7258Die Solidarität untereinander ist ebenfalls Programm: wenn jemand nicht so viel für seinen Anteil zahlen kann, übernimmt das die Gemeinschaft. Mittlerweile kommen ein Drittel der bald einhundert „Solawis“ aus dem Altkreis Schlüchtern. Der vereinbarte monatliche Anteil der Haushalte beträgt in diesem Jahr 80 Euro, der halbe 40 Euro. Dafür gibt es dann wöchentlich die entsprechende Ration an Gemüse, Salat und Obst.


Hintergrund:
Bundesweit existieren derzeit 362 bestehende Projekte der Solidarischen Landwirtschaft, 76 sind in der Gründungsphase. Die neue Bewegung ist vielfältig und divers, aber immer handelt es sich um die Wirtschaftsunion von Bauern mit einer Gruppe privater Haushalte. Aufgrund der geschätzten Jahreskosten der Erzeugung verpflichten sich die Beteiligten diesen Betrag an den Solawi-Betrieb zu zahlen. Dadurch wird den Erzeugenden ermöglicht, unabhängig von Marktzwängen, gute ökologisch orientierte Arbeit zu leisten. Die Haushalte erhalten dafür die gesamte Ernte sowie weitere Erzeugnisse wie Brot oder Käse - falls der Betrieb sie herstellt.
Siehe www.solidarische-landwirtschaft.org

Info:
Kontakt und Information in Schlüchtern Heino Ackermann 06661 6123

Foto:
Hanswerner Kruse