afghanembassy.org.trEine Hausfrau schüttet ihr Herz aus

Adele Hübner-Neuwerk

Insel Neuwerk (Weltexpresso) – Verehrte Redaktion, jetzt muss ich doch mein Herz bei Ihnen ausschütten, weil ich den ganzen Unsinn,  der mir zugetragen wird, nicht länger für mich behalten kann. Da kam doch kürzlich einer mit einer Zeitung zu mir, in der ein Fallschirmjäger der Bundeswehr behauptete, der Afghanistan-Krieg  sei „unsere aller Krieg“ gewesen. Das ist doch nun wirklich ein bißschen weit hergeholt, selbst wenn man  an die Steuern denkt, mit denen jeder von uns zum Krieg beigetragen hat.

Unser aller Krieg ist das nie und nimmer gewesen. Bei Umfragen war immer eine Mehrheit  gegen die Auslandseinsätze. Da kann man im Nachhinein doch  nicht so tun, als müssten wir uns alle miteinander die Afghanistanpleite ans Bein binden 
WFahrscheinlich wird ja der Abzug im September zusammen mit den Amerikanern als große Jubelfeier inszeniert werden, wie das beim Militär so üblich ist. Dabei gibt der stramme Fallschirmjäger zu, dass sich Deutschland in ein militärisches Abenteuer gestürzt habe, als es im Überschwang der Gefühle gemeinsam mit den Amerikanern in den Krieg gegen den Terror zog. Vornweg Minister Peter Struck von der SPD, der das Ganze  als eine Art eine Wohltätigkeitsveranstaltung  hinstellte.

Jetzt schreibt der Bundeswehrsoldat, dass er in Afghanistan keine Brunnen gebohrt, sondern schwer gekämpft habe. Rund hunderttausend junge Männer und Frauen aus Deutschland hätten inzwischen dort ihren Kopf hinhalten müssen, ohne dass man Notiz davon genommen hätte. Jetzt fragte er verzweifelt: „Wofür haben wir eigentlich gekämpft?“  Dass heute in Afghanistan so viel Schlafmohn für den internationalen Drogenmarkt angebaut wird wie nie zuvor, kann wohl nicht Sinn der Sache gewesen sein. Trotzdem hält er alles für richtig. „Könnten wir in den Spiegel schauen, wären wir 2001 nicht solidarisch gewesen?“

Nicht alle haben so dahergeredet. Als es noch Zeit war, auszusteigen aus dem militärischen Abenteuer, hatten Kritiker in Deutschland einen schweren Stand.. „ Nichts ist gut in Afghanistan“, sagte 2010 die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, in ihrer Neujahrspredigt  im Berliner Dom. All diese Strategien hätten uns lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten nun einmal Waffen benutzen, und eben auch Zivilisten getötet würden.

Eine Berliner Zeitung warf Margot Käßmann später selbstgerechten Pazifismus vor und verglich die Militäreinsätze im Ausland mit dem Kampf der Alliierten gegen Nazideutschland „Wer hätte Hitler gestoppt, wenn die Alliierten nicht in der Normandie gelandet wären, fragte die Zeitung. „Gäbe es einen Staat Israel, wenn dieser sich im Juni 1967 nicht gegen eroberungswütige arabische Nachbarn zur Wehr gesetzt hätte.“ Auf diese Weise wurde versucht,  alle mundtot machen, die nichts davon halten, die Probleme der Welt mit Waffengewalt lösen zu wollen.

Bevor ich es vergesse, verehrte Redaktion:  Der erste Artikel stand am 7. Mai 2021 in der Süddeutschen Zeitung, die Kritik an Margot Käßmann im Tagesspiegel vom 12. 8. 2014.

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