WELT Corona-Update
Hamburg (Weltexpresso) - Aus der Politik kommt zum Ende der Woche „ein fatales Alarmsignal", schreibt unser Feuilleton-Ressortleiter Andreas Rosenfelder auf welt.de. Die Regierung behält sich „das Recht auf massive Grundrechtseinschränkungen auch ohne Not vor, auf Vorrat sozusagen."
Gemeint sind die Pläne aus der Hauptstadt, dass trotz sinkender Corona-Inzidenzen der Ausnahmezustand – offiziell die „epidemische Lage nationaler Tragweite" – verlängert werden soll. So können Corona-Verordnungen quasi „auf dem schnellen Wege" eingeführt werden. Dass es auf eine Verlängerung hinausläuft, scheint in der großen Koalition klar zu sein. Unklar hingegen ist, für wie lange.
Bisher entschied der Bundestag alle drei Monate über eine Verlängerung. Die SPD brachte nun ein Zeitlimit von vier Wochen ins Spiel. „Wenn man die ,epidemische Lage' aber jetzt nicht aufhebt, dann kann man sie auch in Zukunft beliebig verlängern – im Zweifel auch in der nächsten Influenza-Saison", kommentiert Rosenfelder.
Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz lag am Freitag bei 29,7. In mehreren Bundesländern wird zum Wochenende gelockert: Mecklenburg-Vorpommern lässt wieder Urlauber ins Land und in Berlin entfällt für den Einzelhandel und die Außengastronomie die Pflicht, einen Negativtest vorzulegen. Einen Überblick darüber, wie die Regionen im Detail lockern, bekommen Sie auf welt.de.
DAS GESPRÄCH DER WOCHE
Quelle: Daniel Bockwoldt/dpa
Der Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Alexander Handschuh, äußert sich im WELT-Interview zu den möglichen Kontrollen von Corona-Testzentren – und er berichtet, wie Innenstädte nach der Pandemie wieder belebt werden können.
WELT: Herr Handschuh, nach mehreren Betrugsvorfällen bei der Abrechnung von Coronatests sollen Testzentren nun verstärkt kontrolliert werden, so viel steht fest. Weniger fest steht allerdings, wer die Kontrollen durchführen soll. Wen sehen Sie in der Verantwortung?
Handschuh: Derzeit laufen noch die Gespräche zwischen Bund und Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden. Dabei geht es um die Frage, wie man das künftig besser organisieren kann. Am Ende sollten die Gesundheitsämter aber nicht für die Abrechnungskontrolle verantwortlich sein. Sie sind weder fachlich noch personell dafür ausgestattet.
WELT: Und welche Rolle könnten Kommunen und Städte einnehmen?
Handschuh: Wir sind selbstverständlich bereit, mit Behörden, Einrichtungen oder Institutionen zu kooperieren, gar keine Frage. Es ist nicht so, dass die Kommunen und ihre kommunalen Gesundheitsbehörden nicht schon eine Aufgabe wahrnehmen würden. Sie sind dafür verantwortlich zu schauen, ob die Testzentren fachlich und unter Hygienegesichtspunkten geeignet sind, die Coronatests durchzuführen. In der Regel läuft das über die Gesundheitsämter der Kommunen und da tragen wir unseren Teil bereits bei. Was darüber hinaus möglich ist, vermag ich jetzt noch nicht zu sagen. Ich kann den Gesprächen nicht vorweggreifen.
WELT: Unter anderem die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht die Kommunen allein deswegen verstärkt in der Verantwortung, weil sie die Marktteilnahme strenger regeln könnten. Also zum Beispiel zulassen können, wer ein Testzentrum wird oder nicht. Was sagen Sie dazu?
Handschuh: Es gibt bereits Kriterien, die erfüllt werden müssen, damit ein Testzentrum oder ähnliches zugelassen wird. Wenn nun in einer neuen Fassung der Testverordnung zusätzliche Kontrollen geregelt oder Überprüfungen konkretisiert werden, dann werden sich die Kommunen grundsätzlich nicht verweigern. Es wird aber vor allem darum gehen, dass man schaut, wie man Tätigkeiten und Kontrollen so aufteilt, dass jeder nur das übernimmt, für das er fachlich auch geeignet ist. Da müssen wir noch untereinander sprechen und eine gute Lösung finden. Wir sind uns aber alle einig, dass das so schnell wie möglich passieren sollte.
WELT: Gute Lösungen wird es auch an anderer Stelle brauchen: Viele Städte und Kommunen haben stark gelitten, weil etwa Einnahmen ausblieben. Wie steht es um unsere Innenstädte und Ortskerne?
Handschuh: Viele wurden von der Pandemie hart getroffen, die Auswirkungen sind dramatisch. Neue Zahlen vom Handelsverband HDE deuten an, dass bis zu 100.000 Geschäfte die Pandemie nicht überleben werden. Andere Schätzungen gehen von 50.000 aus. So oder so ist das eine sehr große Zahl. Wir haben die große Sorge, dass wir unsere Ortskerne nach der Pandemie nicht mehr wiedererkennen. Denn viele können nicht mehr so weiter bestehen, wie sie es vor der Pandemie konnten. Jetzt muss es darum gehen, gute Konzepte zu entwickeln und die Finanzmittel bereitzustellen, um den Umbau der Innenstädte und Ortskerne voranzutreiben. Ein Stadtzentrum oder ein Ortskern sind die Visitenkarte einer Kommune, daran macht sich auch Lebensqualität für Bürgerinnen und Bürger fest.
WELT: Wie sähe denn ein gutes Konzept aus?
Handschuh: Das müssen wir auf zwei Ebenen betrachten. Zum einen sollte es darum gehen, dass wir möglichst viele Geschäfte in ihrem Bestand erhalten. Man kann zum Beispiel unterstützen, indem man mit Vermietern spricht und Mieten stundet oder Mieten erlässt. Bund und Länder stellen zudem gezielte Hilfen für die Wirtschaft bereit. Aber es braucht ein Engagement von allen für das Leben vor Ort. Sobald es möglich ist, sollten also Bürger die Angebote, die die Innenstädte bieten, wieder wahrnehmen. Also in der Kultur, in der Gastronomie oder beim Einkaufen. Zum anderen müssen wir uns überlegen, wie eine Innenstadt der Zukunft aussehen soll. Wir brauchen mehr Aufenthaltsqualität, zum Beispiel durch mehr grüne Flächen in den Städten. In den letzten Jahren hatten wir viele heiße Sommer und die Innenstädte haben sich stark aufgeheizt. Zugleich brauchen wir wieder mehr Kulturangebote, mehr Restaurants oder mehr Wohnungen in den Innenstädten. Es braucht aus allem einen gesunden Mix. Vor allem in größeren Städten wird das eine Herausforderung.
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